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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Aber schon träumte man in Paris von noch schrecklicheren Erfindungen.
Ein Schlaukopf schlug der Regierung vor, die deutschen Festungen aus der
Lust in Brand zu stecken. Luftballons-Artillerie! lachen wir nicht. Das
Blatt "I,iz Z?!All<M8" vom 9. August meldet seinen Lesern allen Ernstes den
baldigen Beginn des aeronautischen Feldzugs:

"Man wirbt Recruten für die Luft-Artillerie. Wenn die Luftschiffer
fertig sind, werden weder Cöln, noch Mainz, noch Trier uns aufhalten".

Während der Belagerung von Paris begeisterte sich dann die Leichtgläu¬
bigkeit der Franzosen für eine andre Art der "extermination" der deutschen
Soldaten, für das "griechische Feuer." Man hat in diesem Kriege auf viele
Seifenblasen seine Hoffnung gesetzt, an die Siegestelegramme Gambetta's, an
den Plan Trochu's, an den Schwur Duerot's, an die Unbezwinglichkeit von
Victor Hugo's "Gehirn der Welt" geglaubt. Diese war diejenige, welche die
Bestialität, die hinter der Artigkeit der Franzosen sich verbirgt, im schönsten
Farbenspiel zeigte.

Im September kamen zwei Herren aus Marseille nach Paris und brach¬
ten in einem Fläschchen die Rache Frankreichs und die Ausrottung der Bar¬
baren mit. Herr Dorian, einer der Minister der nationalen Vertheidigung,
nahm das Anerbieten derselben mit Enthusiasmus entgegen und sagte ihnen
sofort nach dem ersten Versuch: "Ich werde mich glücklich schätzen, durch meine
Vermittelung dem Lande ein so furchtbares und wirksames Vertheidigungs-
nnttel zur Verfügung stellen zu können. Man braucht nicht zu zögern, es
anzuwenden gegen Leute/ welche mit Verachtung der Humanität gegen uns
einen Krieg wie die Vandalen, einen Vertilgungskrieg führen."

In Paris verbreitete sich nun sogleich das Gerücht, daß die Belagerungs¬
armee lebendigen Leibes vermittelst einiger Raketen verbrannt werden könnte.
Alle patriotischen Journale erklärten die Idee für bewundernswürdig'. Ein
paar schüchterne Stimmen versuchten zwar von Kriegsbrauch, welcher derglei¬
chen Waffen verböte, und von Gesetzen der Menschlichkeit zu reden, die auch
dagegen wären. Sie wurden aber kräftig zurückgewiesen. Felix Pyat sagte
ihnen im "Combat" vom 30. November: "Kriegsbrauch, was willst du von
mir? Völkerrecht, was verlangst du? Als ob die Preußen zu den Völkern
gehörten! Als ob der Krieg einen gesetzlichen Brauch hätte! Weder Glau¬
ben, noch Gesetz, wie Bismarck. Alle Mittel sind gut, unterzeichnen wir für
die Raketen!" Die weisen Thebaner aber, welche das "Siecle" schreiben,
erklärten: "Erst ist man Franzose, dann Mensch."

Dabei wollen wir nicht versäumen, dem "Figaro" Gerechtigkeit wider¬
fahren zu lassen. Dieser Moniteur der Pariser Leichtgläubigkeit diente natür¬
lich als Einführer des griechischen Feuers und war nicht der letzte, der seine
Anwendung empfahl, aber er zeichnete sich doch vor seinen College" durch


Aber schon träumte man in Paris von noch schrecklicheren Erfindungen.
Ein Schlaukopf schlug der Regierung vor, die deutschen Festungen aus der
Lust in Brand zu stecken. Luftballons-Artillerie! lachen wir nicht. Das
Blatt „I,iz Z?!All<M8" vom 9. August meldet seinen Lesern allen Ernstes den
baldigen Beginn des aeronautischen Feldzugs:

„Man wirbt Recruten für die Luft-Artillerie. Wenn die Luftschiffer
fertig sind, werden weder Cöln, noch Mainz, noch Trier uns aufhalten".

Während der Belagerung von Paris begeisterte sich dann die Leichtgläu¬
bigkeit der Franzosen für eine andre Art der „extermination" der deutschen
Soldaten, für das „griechische Feuer." Man hat in diesem Kriege auf viele
Seifenblasen seine Hoffnung gesetzt, an die Siegestelegramme Gambetta's, an
den Plan Trochu's, an den Schwur Duerot's, an die Unbezwinglichkeit von
Victor Hugo's „Gehirn der Welt" geglaubt. Diese war diejenige, welche die
Bestialität, die hinter der Artigkeit der Franzosen sich verbirgt, im schönsten
Farbenspiel zeigte.

Im September kamen zwei Herren aus Marseille nach Paris und brach¬
ten in einem Fläschchen die Rache Frankreichs und die Ausrottung der Bar¬
baren mit. Herr Dorian, einer der Minister der nationalen Vertheidigung,
nahm das Anerbieten derselben mit Enthusiasmus entgegen und sagte ihnen
sofort nach dem ersten Versuch: „Ich werde mich glücklich schätzen, durch meine
Vermittelung dem Lande ein so furchtbares und wirksames Vertheidigungs-
nnttel zur Verfügung stellen zu können. Man braucht nicht zu zögern, es
anzuwenden gegen Leute/ welche mit Verachtung der Humanität gegen uns
einen Krieg wie die Vandalen, einen Vertilgungskrieg führen."

In Paris verbreitete sich nun sogleich das Gerücht, daß die Belagerungs¬
armee lebendigen Leibes vermittelst einiger Raketen verbrannt werden könnte.
Alle patriotischen Journale erklärten die Idee für bewundernswürdig'. Ein
paar schüchterne Stimmen versuchten zwar von Kriegsbrauch, welcher derglei¬
chen Waffen verböte, und von Gesetzen der Menschlichkeit zu reden, die auch
dagegen wären. Sie wurden aber kräftig zurückgewiesen. Felix Pyat sagte
ihnen im „Combat" vom 30. November: „Kriegsbrauch, was willst du von
mir? Völkerrecht, was verlangst du? Als ob die Preußen zu den Völkern
gehörten! Als ob der Krieg einen gesetzlichen Brauch hätte! Weder Glau¬
ben, noch Gesetz, wie Bismarck. Alle Mittel sind gut, unterzeichnen wir für
die Raketen!" Die weisen Thebaner aber, welche das „Siecle" schreiben,
erklärten: „Erst ist man Franzose, dann Mensch."

Dabei wollen wir nicht versäumen, dem „Figaro" Gerechtigkeit wider¬
fahren zu lassen. Dieser Moniteur der Pariser Leichtgläubigkeit diente natür¬
lich als Einführer des griechischen Feuers und war nicht der letzte, der seine
Anwendung empfahl, aber er zeichnete sich doch vor seinen College» durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/438>, abgerufen am 25.07.2024.