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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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zum Stillschweigen, wenn nicht gar zur Vertheidigung der Bankinteressen ver¬
urtheilt sind. Warum Württemberg im letzten Augenblick noch mit einer
solchen Masse von Papierwerthen, welche die bisherige Circulation auf einmal
um das sechsfache übersteigen würde, überschwemmt werden soll, warum,
wenn nicht das Interesse Einzelner, sondern das allgemeine Beste diese Noten¬
emission fordert, es solche Eile hat, die Cognition der Reichsgesetzgebung aus¬
zuschließen, ist für den Unbeteiligten kaum erklärlich, zumal die Verhand¬
lungen wegen der Bank sich ohne Schädigung der Landesinteressen schon seit
6 Jahren erfolglos hingezogen hatten, und das Reich gewiß auch den An¬
forderungen des schwäbischen Handels gerecht zu werden wissen wird.

Ueber den Verlauf des Landtags wird unser nächster Brief berichten.


".


Berliner Iriefe.

Seit Anfang dieser Woche leben wir in dem gemüthlichen Zustande, wel¬
cher imjFamilienleben große Wäsche genannt wird. Zuerst kam der Regen,
der sich fast mit dem Glockenschlage der letzten Feierlichkeit einstellte und wusch
die via tnumMg.1is gründlich von dem Staub und Schweiß der Hunderttau¬
sende ab, die sich in den schönen aber heißen Tagen des Festes dort umher¬
getummelt hatten, dann gingen die Arbeiter an das Werk und "rollten" die
Velarien säuberlich zusammen und trugen die großen Säulen der Triumph¬
bogen und die Kunstbauten der Tribünen so sorgfältig ab, wie wenn diesel¬
ben in die Schachtel gepackt werden sollten, um bei nächster Gelegenheit wie¬
der dienen zu können. In langen Zügen werden die Kanonen, welche die
Lindenpromenade geschmückt hatten, wieder abgefahren und wenn die letzten
Dickköpfe, die noch dort stehen, die Vierundzwanzig-Pfänder von Vcmves,
La Före und von Soissons, auch fort sein werden, wird man die Gitter und
die Promenade wieder in Ordnung bringen. Selbst im Reichstag haust, seit
der Präsident abgereist und das Gebäude dem Regierungscommissär übergeben
worden ist, die Scheuerfrau und angesteckt von der herrschenden Epidemie
wäscht Graf Bismarck -- den Klerikalen den Kops. Die Klerikalen haben
es immer und gewisse dunkele Protestanten haben es wenigstens manchmal
leise gesagt, daß der Reichskanzler ein schlechter Christ sei, und unchristlich ist von
ihm wirklich,! daß er den Römlingen die Freude des Papst-Jubiläums und die


zum Stillschweigen, wenn nicht gar zur Vertheidigung der Bankinteressen ver¬
urtheilt sind. Warum Württemberg im letzten Augenblick noch mit einer
solchen Masse von Papierwerthen, welche die bisherige Circulation auf einmal
um das sechsfache übersteigen würde, überschwemmt werden soll, warum,
wenn nicht das Interesse Einzelner, sondern das allgemeine Beste diese Noten¬
emission fordert, es solche Eile hat, die Cognition der Reichsgesetzgebung aus¬
zuschließen, ist für den Unbeteiligten kaum erklärlich, zumal die Verhand¬
lungen wegen der Bank sich ohne Schädigung der Landesinteressen schon seit
6 Jahren erfolglos hingezogen hatten, und das Reich gewiß auch den An¬
forderungen des schwäbischen Handels gerecht zu werden wissen wird.

Ueber den Verlauf des Landtags wird unser nächster Brief berichten.


«.


Berliner Iriefe.

Seit Anfang dieser Woche leben wir in dem gemüthlichen Zustande, wel¬
cher imjFamilienleben große Wäsche genannt wird. Zuerst kam der Regen,
der sich fast mit dem Glockenschlage der letzten Feierlichkeit einstellte und wusch
die via tnumMg.1is gründlich von dem Staub und Schweiß der Hunderttau¬
sende ab, die sich in den schönen aber heißen Tagen des Festes dort umher¬
getummelt hatten, dann gingen die Arbeiter an das Werk und „rollten" die
Velarien säuberlich zusammen und trugen die großen Säulen der Triumph¬
bogen und die Kunstbauten der Tribünen so sorgfältig ab, wie wenn diesel¬
ben in die Schachtel gepackt werden sollten, um bei nächster Gelegenheit wie¬
der dienen zu können. In langen Zügen werden die Kanonen, welche die
Lindenpromenade geschmückt hatten, wieder abgefahren und wenn die letzten
Dickköpfe, die noch dort stehen, die Vierundzwanzig-Pfänder von Vcmves,
La Före und von Soissons, auch fort sein werden, wird man die Gitter und
die Promenade wieder in Ordnung bringen. Selbst im Reichstag haust, seit
der Präsident abgereist und das Gebäude dem Regierungscommissär übergeben
worden ist, die Scheuerfrau und angesteckt von der herrschenden Epidemie
wäscht Graf Bismarck — den Klerikalen den Kops. Die Klerikalen haben
es immer und gewisse dunkele Protestanten haben es wenigstens manchmal
leise gesagt, daß der Reichskanzler ein schlechter Christ sei, und unchristlich ist von
ihm wirklich,! daß er den Römlingen die Freude des Papst-Jubiläums und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/42>, abgerufen am 24.07.2024.