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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Granvilles, soweit als möglich auf freundschaftlichem Wege Oestreich die Fol¬
gen eines solchen Vorgehens und die unzweifelhafte Erweiterung des Krieges
zu einem europäischen vorzuhalten? Ein Bündnisz zwischen Frankreich und
Dänemark hätte Frankreich nichts nützen und Dänemark nichts schaden kön¬
nen, wenn auch die Neigung der Dänen dazu erklärlich gewesen wäre." In
Betreff der Vermittlung ergab sich, setzt Gladstone dann weiter auseinander,
daß eine gemeinschaftliche Action nicht einmal zur gemeinschaftlichen Unter¬
suchung etwaiger französischer Anerbietungen behufs Milderung der Beding¬
ungen zu^ erzielen sei. Was das partielle Handeln betrifft, so sei von der
Regierung geschehen, was in ihren Kräften stand. Es wird nun der Erfolg
des Depeschenwechsels an Loftus und Russell erzählt und hinzugesetzt: "Wir
waren nicht Herren des Telegraphen und können daher den General-Post¬
meister nicht zur Rechenschaft ziehen. Ohne Zweifel ist der Telegraph ein
unsicheres, Beförderungsmittel, allein zweifellos ist auch, daß das Telegramm
bedeutend früher in die Hände des Herrn Odo Russell hätte gelangen können.
Ich zweite nicht, daß ihm sehr leid that, daß irgend etwas die Depesche auf¬
hielt, denn Graf Bernstorff hatte mit der ihm eigenen Freundlichkeit und
Offenheit sofort die Botschaft an den Grafen Bismarck gelangen lassen, und
wir hören, daß Graf Bismarck dieselbe am Samstag Morgen bereits in Hän¬
den hatte. Wir haben auf diese Vorstellung keine Antwort erhalten. Ich
kann meinem ehrenwerthen Freunde nicht mehr sagen, als ich selber weiß."
Schließlich ging der Minister noch auf das Verhalten über, welches für die Zu¬
kunft zu beobachten wäre und versprach, in demselben Geiste wie bisher han¬
deln zu wollen, da er wohl glaube bewiesen zu haben, wie die Minister
nicht gleichgültig gegen die Leiden Frankreichs (!) seien und daß sie gleichzeitig
weder in Wort noch That um die Gunst einer großen und triumphirenden
Macht gebuhlt hätten. "Ich glaube," 'fährt er fort, "es wäre die höchste
Thorheit und ein ernstes Vergehen (wir glauben das auch), wollten wir mit
Bitterkeit über die in der deutschen Presse gegen uns in starken Ausdrücken
erhobenen Anklagen urtheilen oder auch über die Drohungen der Rache, die
in künftigen Tagen durch die siegreichen Waffen Deutschlands an uns ge¬
nommen werden soll, weil wir den Waffenexport gestatteten. So¬
weit diese Worte des Zornes von der einen wie von der andern Seite in
Betracht kommen, wollen wir sie ganz aus unserm Gedächtniß auslöschen
und sie sollen uns in der Zukunft in keiner Weise beeinflussen. Rücksichtlich
der Milderung der Bedingungen wäre höchst unklug, wenn man die britische
Regierung durch einen parlamentarischen Beschluß binden wollte, denn wenn
man auf Grund von abstracten Ideen vorgeht und sich verbindlich macht, so
läuft man einmal Gefahr, nichts Wesentliches zu erreichen, und sodann macht
man sich durch den Versuch allein zum Schuldner der siegreichen Macht und


Grenzboten II. 1871. 52

Granvilles, soweit als möglich auf freundschaftlichem Wege Oestreich die Fol¬
gen eines solchen Vorgehens und die unzweifelhafte Erweiterung des Krieges
zu einem europäischen vorzuhalten? Ein Bündnisz zwischen Frankreich und
Dänemark hätte Frankreich nichts nützen und Dänemark nichts schaden kön¬
nen, wenn auch die Neigung der Dänen dazu erklärlich gewesen wäre." In
Betreff der Vermittlung ergab sich, setzt Gladstone dann weiter auseinander,
daß eine gemeinschaftliche Action nicht einmal zur gemeinschaftlichen Unter¬
suchung etwaiger französischer Anerbietungen behufs Milderung der Beding¬
ungen zu^ erzielen sei. Was das partielle Handeln betrifft, so sei von der
Regierung geschehen, was in ihren Kräften stand. Es wird nun der Erfolg
des Depeschenwechsels an Loftus und Russell erzählt und hinzugesetzt: „Wir
waren nicht Herren des Telegraphen und können daher den General-Post¬
meister nicht zur Rechenschaft ziehen. Ohne Zweifel ist der Telegraph ein
unsicheres, Beförderungsmittel, allein zweifellos ist auch, daß das Telegramm
bedeutend früher in die Hände des Herrn Odo Russell hätte gelangen können.
Ich zweite nicht, daß ihm sehr leid that, daß irgend etwas die Depesche auf¬
hielt, denn Graf Bernstorff hatte mit der ihm eigenen Freundlichkeit und
Offenheit sofort die Botschaft an den Grafen Bismarck gelangen lassen, und
wir hören, daß Graf Bismarck dieselbe am Samstag Morgen bereits in Hän¬
den hatte. Wir haben auf diese Vorstellung keine Antwort erhalten. Ich
kann meinem ehrenwerthen Freunde nicht mehr sagen, als ich selber weiß."
Schließlich ging der Minister noch auf das Verhalten über, welches für die Zu¬
kunft zu beobachten wäre und versprach, in demselben Geiste wie bisher han¬
deln zu wollen, da er wohl glaube bewiesen zu haben, wie die Minister
nicht gleichgültig gegen die Leiden Frankreichs (!) seien und daß sie gleichzeitig
weder in Wort noch That um die Gunst einer großen und triumphirenden
Macht gebuhlt hätten. „Ich glaube," 'fährt er fort, „es wäre die höchste
Thorheit und ein ernstes Vergehen (wir glauben das auch), wollten wir mit
Bitterkeit über die in der deutschen Presse gegen uns in starken Ausdrücken
erhobenen Anklagen urtheilen oder auch über die Drohungen der Rache, die
in künftigen Tagen durch die siegreichen Waffen Deutschlands an uns ge¬
nommen werden soll, weil wir den Waffenexport gestatteten. So¬
weit diese Worte des Zornes von der einen wie von der andern Seite in
Betracht kommen, wollen wir sie ganz aus unserm Gedächtniß auslöschen
und sie sollen uns in der Zukunft in keiner Weise beeinflussen. Rücksichtlich
der Milderung der Bedingungen wäre höchst unklug, wenn man die britische
Regierung durch einen parlamentarischen Beschluß binden wollte, denn wenn
man auf Grund von abstracten Ideen vorgeht und sich verbindlich macht, so
läuft man einmal Gefahr, nichts Wesentliches zu erreichen, und sodann macht
man sich durch den Versuch allein zum Schuldner der siegreichen Macht und


Grenzboten II. 1871. 52
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/417>, abgerufen am 24.07.2024.