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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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die bornirte Hartnäckigkeit der noch vorhandenen Reste der groß deutschen
Politiker, -- als in dem noch immer nicht gehobenen Zweifel, ob man offen
und ehrlich sich zur nationalen Politik bekennen will, oder nur die jetzige
politische Lage noch nicht geeignet erachtet, um wieder an die alten Bestre¬
bungen anzuknüpfen. Diese Zweifel werden durch das Verhalten einzelner
Minister in Personalfragen noch genährt, wenn man wahrnimmt, daß auch
jetzt noch die verbissensten Gegner der politischen Neugestaltung Deutschlands
des speciellsten Vertrauens genießen, während die Männer der nationalen
Richtung noch immer mit jenem Haß verfolgt werden, welchen die Zollpar¬
lamentsfehden der letzten Jahre großgezogen haben.

Dazu kommen dann noch die Schwierigkeiten, welche in der Stellung der
Minister unter sich, zur Krone und zur Reichsgewalt begründet sind. Von
> einem Theil der höhern Bureaukratie, an dessen Spitze der Finanzminister
stehen soll, wird nämlich in neuerer Zeit die Ansicht zur Geltung gebracht,
daß von einzelnen der diesseitigen Vertreter im Bundesrat!) die specifisch würt¬
tembergischen Interessen nicht genügend gewährt worden seien, daß man wei¬
ter gegangen sei, als Preußen selbst erwartet habe und erwarten konnte,
und daß man die ganze württembergische Verwaltungsmaschine ohne Noth in
Verwirrung gebracht habe. Natürlich fehlt es nach Oben wie nach Unten
nicht an geneigten Ohren für solche Vorwürfe, da das Bestehende' immer
die Macht der Trägheit für sich hat.

Schon die nächsten Tage müssen zeigen, durch welche Mittel das Mini¬
sterium über die verschiedenen Klippen seiner Stellung hinwegkommen wird.
Einer der wichtigsten und härtesten Kämpfe wird sofort über die Bankfrage
entstehen, welche zur Ueberraschung des nicht eingeweihten Publicums mit
Rücksicht auf die bevorstehende Einführung der Reichsgesetzgebung jetzt in aller
Hast zur Erledigung kommen soll. Außer den zu creirenden 3 Millionen
Staatspapiergeld soll die zu gründende Bank noch vor Thorschluß bis zu
15 Millionen Banknoten auszugeben ermächtigt werden. Die Interessen an
dieser Concession erstrecken sich in die verschiedensten Kreise der Gesetzgebung,
wie der Verwaltung: die Gefahr, daß das Interesse der Gesammtheit dem
Vortheil Einzelner geopfert werde, liegt sehr nahe. Es war jedenfalls ein
glücklicher Griff, daß der "Beobachter" sich sofort zum Träger der Agitation
in der Bankfrage gemacht hat; denn das Bankproject. in welchem das Land
in seiner großen Mehrheit ohne Unterschied der Parteien nur das Mittel der
Erploitirung des Publicums zu Gunsten einiger Stuttgarter Familien erblickt,
hat nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit in hohem Grad auf sich gezogen,
sondern es ist auch die nur in einem kleinen Land, wie Württemberg, mög¬
liche Calamität eingetreten, daß sämmtliche größere politische Blätter des
Landes, d, h. Stuttgarts, außer dem Beobachter, aus persönlichen Gründen


Grenzboten II. 1871. S

die bornirte Hartnäckigkeit der noch vorhandenen Reste der groß deutschen
Politiker, — als in dem noch immer nicht gehobenen Zweifel, ob man offen
und ehrlich sich zur nationalen Politik bekennen will, oder nur die jetzige
politische Lage noch nicht geeignet erachtet, um wieder an die alten Bestre¬
bungen anzuknüpfen. Diese Zweifel werden durch das Verhalten einzelner
Minister in Personalfragen noch genährt, wenn man wahrnimmt, daß auch
jetzt noch die verbissensten Gegner der politischen Neugestaltung Deutschlands
des speciellsten Vertrauens genießen, während die Männer der nationalen
Richtung noch immer mit jenem Haß verfolgt werden, welchen die Zollpar¬
lamentsfehden der letzten Jahre großgezogen haben.

Dazu kommen dann noch die Schwierigkeiten, welche in der Stellung der
Minister unter sich, zur Krone und zur Reichsgewalt begründet sind. Von
> einem Theil der höhern Bureaukratie, an dessen Spitze der Finanzminister
stehen soll, wird nämlich in neuerer Zeit die Ansicht zur Geltung gebracht,
daß von einzelnen der diesseitigen Vertreter im Bundesrat!) die specifisch würt¬
tembergischen Interessen nicht genügend gewährt worden seien, daß man wei¬
ter gegangen sei, als Preußen selbst erwartet habe und erwarten konnte,
und daß man die ganze württembergische Verwaltungsmaschine ohne Noth in
Verwirrung gebracht habe. Natürlich fehlt es nach Oben wie nach Unten
nicht an geneigten Ohren für solche Vorwürfe, da das Bestehende' immer
die Macht der Trägheit für sich hat.

Schon die nächsten Tage müssen zeigen, durch welche Mittel das Mini¬
sterium über die verschiedenen Klippen seiner Stellung hinwegkommen wird.
Einer der wichtigsten und härtesten Kämpfe wird sofort über die Bankfrage
entstehen, welche zur Ueberraschung des nicht eingeweihten Publicums mit
Rücksicht auf die bevorstehende Einführung der Reichsgesetzgebung jetzt in aller
Hast zur Erledigung kommen soll. Außer den zu creirenden 3 Millionen
Staatspapiergeld soll die zu gründende Bank noch vor Thorschluß bis zu
15 Millionen Banknoten auszugeben ermächtigt werden. Die Interessen an
dieser Concession erstrecken sich in die verschiedensten Kreise der Gesetzgebung,
wie der Verwaltung: die Gefahr, daß das Interesse der Gesammtheit dem
Vortheil Einzelner geopfert werde, liegt sehr nahe. Es war jedenfalls ein
glücklicher Griff, daß der „Beobachter" sich sofort zum Träger der Agitation
in der Bankfrage gemacht hat; denn das Bankproject. in welchem das Land
in seiner großen Mehrheit ohne Unterschied der Parteien nur das Mittel der
Erploitirung des Publicums zu Gunsten einiger Stuttgarter Familien erblickt,
hat nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit in hohem Grad auf sich gezogen,
sondern es ist auch die nur in einem kleinen Land, wie Württemberg, mög¬
liche Calamität eingetreten, daß sämmtliche größere politische Blätter des
Landes, d, h. Stuttgarts, außer dem Beobachter, aus persönlichen Gründen


Grenzboten II. 1871. S
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/41>, abgerufen am 24.07.2024.