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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Opfer für sie darbringt und zwar in der Hoffnung eines glücklichen Aus¬
ganges. Beide Theile hoffen auf den Sieg, der die ihrerseits gebrachten
Opfer lohnt; beide Theile wagen somit auf das ungewisse Kriegsglück hin
mit mehr oder weniger begründeten Aussichten auf Erfolg, und diese wachsen
für jeden Kriegführenden mit dem Grade von Energie, den er dabei kund
giebt, d. h. mit dem festen Entschluß, seinerseits das Aeußerste auf den Er¬
folg zu setzen. Eine unbedingte Sicherheit des Erfolges ist beim Kriege mehr
noch wie bei vielen anderen menschlichen Unternehmungen überhaupt kaum
jemals vorhanden und das giebt dem Entschluß zum Kriege jene unermeßliche
Tragweite und dem Kriege selbst das Element des Unberechenbaren, welche
von einem gewissen Standpunkt aus wohl gegen den Krieg überhaupt oder
gegen einen speciellen sprechen, aber niemals gegen ein einzelnes Kriegs¬
material, wie z. B. die Festungen. -- Der Theil der Kriegführenden, der
momentan der schwächere ist oder im Verlauf des Kampfes wurde, sucht durch
eine Verzögerung oder Verlängerung günstigere Chancen zur Entscheidung ab¬
zuwarten und dazu müssen ihm besonders Festungen und Berschanzungen die
Mittel bieten, um Verstärkungen an sich zu ziehen. Muß man alle Kräfte
und Mittel aufbieten, um einen Krieg durchzuführen, dürfen daher keine
Opfer dafür gescheut werden, so sind beim Unterliegen auch die Summen zu
verschmerzen, die man bei Anlegung fester Plätze, vorausgesetzt vernünftiger,
aufgebracht hat; fällt er günstig aus, behalten diese ihren Werth als Stütz-
und Vertheidigungspunkte immerhin. Es bleibt somit Sache des Feldherrn
wie des Staatsmannes, rechtzeitig zu beurtheilen, ob die Mitwirkung der
Festungen im Einzelnen hinreichen wird, das Kriegsglück zu wenden.

Sehr richtig sagt der Verfasser weiterhin: "Es ist mit den Festungen
ähnlich, wie mit dem Vorhandensein einer starken Reserve in der Schlacht,
z. B. der alten napoleonischen Garde; beide geben vielleicht keinen Schuß ab,
und doch kann ihr Dasein ganz entscheidend einwirken, resp, umgekehrt ihre
Abwesenheit an gewissen Punkten gewaltiges Unheil anstiften." Der Ver¬
fasser stellt dabei nicht nur seine Ansichten auf, er sucht sie auch durch Bei¬
spiele zu begründen, besonders im IV. Capitel mit der Ueberschrift: "Blick
auf die Leistungen der Festungen in den neueren Kriegen." Er beginnt mit
dem siebenjährigen Krieg und fährt damit bis auf die Neuzeit fort.

Der II. Abschnitt handelt specieller von der Befestigung größerer Städte.
Die Gegner, welche außer der Stadtbefestigung noch anderweitige Befestigun¬
gen wünschen, wollen jene im allgemeinen durch große permanent befestigte
Lager oder "Soldatensestungen" ersetzen, die womöglich noch an wüsten
Plätzen, um auch die Bodencultur so wenig wie möglich zu beeinträchtigen,
angelegt werden müßten. Dabei scheinen sie noch zu glauben, daß es sich
bei der Befestigung von Städten vorwiegend um deren Schutz mit handle.


Opfer für sie darbringt und zwar in der Hoffnung eines glücklichen Aus¬
ganges. Beide Theile hoffen auf den Sieg, der die ihrerseits gebrachten
Opfer lohnt; beide Theile wagen somit auf das ungewisse Kriegsglück hin
mit mehr oder weniger begründeten Aussichten auf Erfolg, und diese wachsen
für jeden Kriegführenden mit dem Grade von Energie, den er dabei kund
giebt, d. h. mit dem festen Entschluß, seinerseits das Aeußerste auf den Er¬
folg zu setzen. Eine unbedingte Sicherheit des Erfolges ist beim Kriege mehr
noch wie bei vielen anderen menschlichen Unternehmungen überhaupt kaum
jemals vorhanden und das giebt dem Entschluß zum Kriege jene unermeßliche
Tragweite und dem Kriege selbst das Element des Unberechenbaren, welche
von einem gewissen Standpunkt aus wohl gegen den Krieg überhaupt oder
gegen einen speciellen sprechen, aber niemals gegen ein einzelnes Kriegs¬
material, wie z. B. die Festungen. — Der Theil der Kriegführenden, der
momentan der schwächere ist oder im Verlauf des Kampfes wurde, sucht durch
eine Verzögerung oder Verlängerung günstigere Chancen zur Entscheidung ab¬
zuwarten und dazu müssen ihm besonders Festungen und Berschanzungen die
Mittel bieten, um Verstärkungen an sich zu ziehen. Muß man alle Kräfte
und Mittel aufbieten, um einen Krieg durchzuführen, dürfen daher keine
Opfer dafür gescheut werden, so sind beim Unterliegen auch die Summen zu
verschmerzen, die man bei Anlegung fester Plätze, vorausgesetzt vernünftiger,
aufgebracht hat; fällt er günstig aus, behalten diese ihren Werth als Stütz-
und Vertheidigungspunkte immerhin. Es bleibt somit Sache des Feldherrn
wie des Staatsmannes, rechtzeitig zu beurtheilen, ob die Mitwirkung der
Festungen im Einzelnen hinreichen wird, das Kriegsglück zu wenden.

Sehr richtig sagt der Verfasser weiterhin: „Es ist mit den Festungen
ähnlich, wie mit dem Vorhandensein einer starken Reserve in der Schlacht,
z. B. der alten napoleonischen Garde; beide geben vielleicht keinen Schuß ab,
und doch kann ihr Dasein ganz entscheidend einwirken, resp, umgekehrt ihre
Abwesenheit an gewissen Punkten gewaltiges Unheil anstiften." Der Ver¬
fasser stellt dabei nicht nur seine Ansichten auf, er sucht sie auch durch Bei¬
spiele zu begründen, besonders im IV. Capitel mit der Ueberschrift: „Blick
auf die Leistungen der Festungen in den neueren Kriegen." Er beginnt mit
dem siebenjährigen Krieg und fährt damit bis auf die Neuzeit fort.

Der II. Abschnitt handelt specieller von der Befestigung größerer Städte.
Die Gegner, welche außer der Stadtbefestigung noch anderweitige Befestigun¬
gen wünschen, wollen jene im allgemeinen durch große permanent befestigte
Lager oder „Soldatensestungen" ersetzen, die womöglich noch an wüsten
Plätzen, um auch die Bodencultur so wenig wie möglich zu beeinträchtigen,
angelegt werden müßten. Dabei scheinen sie noch zu glauben, daß es sich
bei der Befestigung von Städten vorwiegend um deren Schutz mit handle.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/391>, abgerufen am 25.07.2024.