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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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So weit der Verfasser, der nun den hingeworfenen Fehdehandschuh ruhig,
aber entschieden aufnimmt. Er will den Werth des Vertrauens in ein vater¬
ländisches Vertheidigungsmittel durch derartige Ansichten und Behauptungen
nicht weiter untergraben lassen. Zunächst sührt er die beiden bereits oben
erwähnten Schriften gegen die Städtebefestigungen an, die nach feiner Mei¬
nung zur Zeit das Arsenal gebildet, aus dem die Wortführer der erwähnten
Agitation ihre Waffen entnommen hätten. Er erkennt sie als nicht ohne
Geist und in vieler Beziehung mit Sachkenntniß geschrieben, als geeignet das
Urtheil aller Derjenigen zu bestechen, denen eine nähere Kenntniß des Gegen¬
standes abgebe, von den zahlreichen Persönlichkeiten nicht zu sprechen, deren
Privatinteressen sie das Wort redeten; aber eben deshalb wäre eine speciellere
Beleuchtung des Inhalts derselben geboten.

Die Gegner der Befestigung größerer Städte scheidet er in zwei Katego¬
rien, nämlich solche, die, ganz radical auftretend, überhaupt die systematische
Verwendung permanenter Befestigung im großen Ganzen total verwerfen und
in die andere Classe, die zwar den Werth der Festungen im Allgemeinen nicht
geradezu bestreiten, aber doch gegen die Befestigungen der Städte im Spe¬
ciellen Bedenken hegen. Den Männern dieser Ansichten setzt der Verfasser
zunächst entgegen: daß sie bei ihren Argumentationen Wahres und Falsches,
Richtiges und schiefes mit einander vermengen, weil sie Princip und prak¬
tische Durchführung nicht gehörig getrennt halten, denn mit der größten Ge¬
läufigkeit werde überall von einzelnen schlecht gelegenen, mangelhaft construir-
ten, ungenügend benutzten Plätzen auf das ganze System eremplificirt, und
zwar nicht auf das System, nach welchem gerade jene Pläne angelegt gewesen,
sondern gleich auf Festungen jeglicher Art. Eben so wenig würden auch die
Umstände näher berücksichtigt, unter denen einzelne Festungen noch nichts ge¬
leistet haben, oder geleistet haben konnten. Man vergesse dabei auch, daß
Festungen und Festungsbesatzungen eben auch nur einzelne Kriegsmittel unter
mehreren seien, über deren Werth für das Ganze im concreten Falle die Um¬
stände und vor Allem die richtige Verwendung entscheiden.

Der Verfasser der beiden Schriften gegen die Städtebefestigung hatte
unter Anderem auch angeführt: daß den Russen Sebastopol mehr geschadet
als genützt, daß im letzten großen amerikanischen Kriege die Union ohne
Festungen gesiegt habe, während der Süden mit diesen unterlegen sei , und
hieraus argumentire: "Die Festungen sind verwerflich, weil sie die Entschei¬
dung des Krieges nutzlos verzögern und die von beiden Seiten für den Krieg
zu bringenden Opfer an Blut und Geld vermehren." Diesen Trugschluß
widerlegt nun der Verfasser (§. 3) schlagend in Folgendem: Wenn zwei Staa¬
ten gegen einander Krieg führen, so handelt es sich für sie um Interessen,
welche jeder so hoch schätzt, daß er auch die von einem Kriege unzertrennlichen


So weit der Verfasser, der nun den hingeworfenen Fehdehandschuh ruhig,
aber entschieden aufnimmt. Er will den Werth des Vertrauens in ein vater¬
ländisches Vertheidigungsmittel durch derartige Ansichten und Behauptungen
nicht weiter untergraben lassen. Zunächst sührt er die beiden bereits oben
erwähnten Schriften gegen die Städtebefestigungen an, die nach feiner Mei¬
nung zur Zeit das Arsenal gebildet, aus dem die Wortführer der erwähnten
Agitation ihre Waffen entnommen hätten. Er erkennt sie als nicht ohne
Geist und in vieler Beziehung mit Sachkenntniß geschrieben, als geeignet das
Urtheil aller Derjenigen zu bestechen, denen eine nähere Kenntniß des Gegen¬
standes abgebe, von den zahlreichen Persönlichkeiten nicht zu sprechen, deren
Privatinteressen sie das Wort redeten; aber eben deshalb wäre eine speciellere
Beleuchtung des Inhalts derselben geboten.

Die Gegner der Befestigung größerer Städte scheidet er in zwei Katego¬
rien, nämlich solche, die, ganz radical auftretend, überhaupt die systematische
Verwendung permanenter Befestigung im großen Ganzen total verwerfen und
in die andere Classe, die zwar den Werth der Festungen im Allgemeinen nicht
geradezu bestreiten, aber doch gegen die Befestigungen der Städte im Spe¬
ciellen Bedenken hegen. Den Männern dieser Ansichten setzt der Verfasser
zunächst entgegen: daß sie bei ihren Argumentationen Wahres und Falsches,
Richtiges und schiefes mit einander vermengen, weil sie Princip und prak¬
tische Durchführung nicht gehörig getrennt halten, denn mit der größten Ge¬
läufigkeit werde überall von einzelnen schlecht gelegenen, mangelhaft construir-
ten, ungenügend benutzten Plätzen auf das ganze System eremplificirt, und
zwar nicht auf das System, nach welchem gerade jene Pläne angelegt gewesen,
sondern gleich auf Festungen jeglicher Art. Eben so wenig würden auch die
Umstände näher berücksichtigt, unter denen einzelne Festungen noch nichts ge¬
leistet haben, oder geleistet haben konnten. Man vergesse dabei auch, daß
Festungen und Festungsbesatzungen eben auch nur einzelne Kriegsmittel unter
mehreren seien, über deren Werth für das Ganze im concreten Falle die Um¬
stände und vor Allem die richtige Verwendung entscheiden.

Der Verfasser der beiden Schriften gegen die Städtebefestigung hatte
unter Anderem auch angeführt: daß den Russen Sebastopol mehr geschadet
als genützt, daß im letzten großen amerikanischen Kriege die Union ohne
Festungen gesiegt habe, während der Süden mit diesen unterlegen sei , und
hieraus argumentire: „Die Festungen sind verwerflich, weil sie die Entschei¬
dung des Krieges nutzlos verzögern und die von beiden Seiten für den Krieg
zu bringenden Opfer an Blut und Geld vermehren." Diesen Trugschluß
widerlegt nun der Verfasser (§. 3) schlagend in Folgendem: Wenn zwei Staa¬
ten gegen einander Krieg führen, so handelt es sich für sie um Interessen,
welche jeder so hoch schätzt, daß er auch die von einem Kriege unzertrennlichen


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[0390] So weit der Verfasser, der nun den hingeworfenen Fehdehandschuh ruhig, aber entschieden aufnimmt. Er will den Werth des Vertrauens in ein vater¬ ländisches Vertheidigungsmittel durch derartige Ansichten und Behauptungen nicht weiter untergraben lassen. Zunächst sührt er die beiden bereits oben erwähnten Schriften gegen die Städtebefestigungen an, die nach feiner Mei¬ nung zur Zeit das Arsenal gebildet, aus dem die Wortführer der erwähnten Agitation ihre Waffen entnommen hätten. Er erkennt sie als nicht ohne Geist und in vieler Beziehung mit Sachkenntniß geschrieben, als geeignet das Urtheil aller Derjenigen zu bestechen, denen eine nähere Kenntniß des Gegen¬ standes abgebe, von den zahlreichen Persönlichkeiten nicht zu sprechen, deren Privatinteressen sie das Wort redeten; aber eben deshalb wäre eine speciellere Beleuchtung des Inhalts derselben geboten. Die Gegner der Befestigung größerer Städte scheidet er in zwei Katego¬ rien, nämlich solche, die, ganz radical auftretend, überhaupt die systematische Verwendung permanenter Befestigung im großen Ganzen total verwerfen und in die andere Classe, die zwar den Werth der Festungen im Allgemeinen nicht geradezu bestreiten, aber doch gegen die Befestigungen der Städte im Spe¬ ciellen Bedenken hegen. Den Männern dieser Ansichten setzt der Verfasser zunächst entgegen: daß sie bei ihren Argumentationen Wahres und Falsches, Richtiges und schiefes mit einander vermengen, weil sie Princip und prak¬ tische Durchführung nicht gehörig getrennt halten, denn mit der größten Ge¬ läufigkeit werde überall von einzelnen schlecht gelegenen, mangelhaft construir- ten, ungenügend benutzten Plätzen auf das ganze System eremplificirt, und zwar nicht auf das System, nach welchem gerade jene Pläne angelegt gewesen, sondern gleich auf Festungen jeglicher Art. Eben so wenig würden auch die Umstände näher berücksichtigt, unter denen einzelne Festungen noch nichts ge¬ leistet haben, oder geleistet haben konnten. Man vergesse dabei auch, daß Festungen und Festungsbesatzungen eben auch nur einzelne Kriegsmittel unter mehreren seien, über deren Werth für das Ganze im concreten Falle die Um¬ stände und vor Allem die richtige Verwendung entscheiden. Der Verfasser der beiden Schriften gegen die Städtebefestigung hatte unter Anderem auch angeführt: daß den Russen Sebastopol mehr geschadet als genützt, daß im letzten großen amerikanischen Kriege die Union ohne Festungen gesiegt habe, während der Süden mit diesen unterlegen sei , und hieraus argumentire: „Die Festungen sind verwerflich, weil sie die Entschei¬ dung des Krieges nutzlos verzögern und die von beiden Seiten für den Krieg zu bringenden Opfer an Blut und Geld vermehren." Diesen Trugschluß widerlegt nun der Verfasser (§. 3) schlagend in Folgendem: Wenn zwei Staa¬ ten gegen einander Krieg führen, so handelt es sich für sie um Interessen, welche jeder so hoch schätzt, daß er auch die von einem Kriege unzertrennlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/390>, abgerufen am 25.07.2024.