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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Ion Florenz nach Kom.
Von Dr. Hans Semper.
IV. Perugia.

An der Fassade des Doms hatten sich ehemals in zwei Nischen die Bronce-
statuen der Päpste Paul II. und Sixtus V., Werke des Vellano von Padua,
Schüler des Donatello, sowie des Peruginers Valentins Nartelli, befunden,
fielen aber 1798 der Zerstörungslust und Raubgier der französischen Eroberer
zum Opfer, die unter dem nicht mehr ungewöhnlichen Titel von Civilisatoren und
Freiheitsaposteln Münzen daraus prägten. Wunderbarer Weise blieb dagegen
die dicht daneben auf dem Platz stehende Broncestatue Julius III. von ihnen
verschont. .,Vinoentius Dantes?eruZinus aäduo pudor kaeiebs.^" lautet eine
Inschrift daran. 1555 ward sie von den Peruginern diesem Papste zum
Dank dafür errichtet, daß er der Stadt die Rechte und Behörden wieder ge¬
geben, die ihr wenige Jahre zuvor Paul III. durch Waffengewalt entrissen
hatte. So meisterhaft der Guß ist, und so viel lebendiges Gefühl sich in
dieser sitzenden und segenertheilenden Statue ausdrückt, so schwülstig, knitterig
und unruhig ist zugleich die Gewandung und alles Detail. Gleichwohl be¬
sitzt die Statue einen monumentalen Charakter.

Von da gingen wir in den naheliegenden Palast Connestabile, um das
berühmte Bildchen der Naäonna äol libro von Raphael zu sehen, erfuhren
aber zu unserm Bedauern, daß die ganze Galerie nach Rom transportirt sei,
was uns schon damals mit Besorgnissen erfüllte, die, wie sich bald nach¬
her durch den Verkauf des Bildchens an Rußland herausstellte, gerechtfertigt
waren. So wandten wir uns denn zurück, um den imposanten Palast der
Regierung in Augenschein zu nehmen, dessen eine Front dem Dom und
dem Brunnen gegenüber steht, während die andere Front sich der Verlängerung
des Platzes zuwendet, welche durch den "Corso" gebildet wird. Dieser Palast
gehört zu jener Reihe von mächtigen und malerischen Regierungspalästen in
italisch gothischem Stil, wie sie zur Zeit der höchsten Städteblüthe in Ita¬
lien in allen größeren Ortschaften entstanden, so in Florenz, Pistoja, Siena,
und selbst in kleineren, wie Montepulciano und Se. Gimignana. Auch dieser
Palast soll ein Werk des Benedictiners Fra Bevignute sein, der eine Zeitlang
als öffentlicher Baumeister in Perugia fungirte. Neben dem Portal gegen
den Dom zu stehen auf zwei Consolen der welfische Löwe und der perua¬
nische Greif von Bronce; bemerkenswerth als seltene Beispiele von Bronce-
statuen des 13. oder vom Anfang des 14. Jahrhunderts. So ungeschlacht


Ion Florenz nach Kom.
Von Dr. Hans Semper.
IV. Perugia.

An der Fassade des Doms hatten sich ehemals in zwei Nischen die Bronce-
statuen der Päpste Paul II. und Sixtus V., Werke des Vellano von Padua,
Schüler des Donatello, sowie des Peruginers Valentins Nartelli, befunden,
fielen aber 1798 der Zerstörungslust und Raubgier der französischen Eroberer
zum Opfer, die unter dem nicht mehr ungewöhnlichen Titel von Civilisatoren und
Freiheitsaposteln Münzen daraus prägten. Wunderbarer Weise blieb dagegen
die dicht daneben auf dem Platz stehende Broncestatue Julius III. von ihnen
verschont. .,Vinoentius Dantes?eruZinus aäduo pudor kaeiebs.^" lautet eine
Inschrift daran. 1555 ward sie von den Peruginern diesem Papste zum
Dank dafür errichtet, daß er der Stadt die Rechte und Behörden wieder ge¬
geben, die ihr wenige Jahre zuvor Paul III. durch Waffengewalt entrissen
hatte. So meisterhaft der Guß ist, und so viel lebendiges Gefühl sich in
dieser sitzenden und segenertheilenden Statue ausdrückt, so schwülstig, knitterig
und unruhig ist zugleich die Gewandung und alles Detail. Gleichwohl be¬
sitzt die Statue einen monumentalen Charakter.

Von da gingen wir in den naheliegenden Palast Connestabile, um das
berühmte Bildchen der Naäonna äol libro von Raphael zu sehen, erfuhren
aber zu unserm Bedauern, daß die ganze Galerie nach Rom transportirt sei,
was uns schon damals mit Besorgnissen erfüllte, die, wie sich bald nach¬
her durch den Verkauf des Bildchens an Rußland herausstellte, gerechtfertigt
waren. So wandten wir uns denn zurück, um den imposanten Palast der
Regierung in Augenschein zu nehmen, dessen eine Front dem Dom und
dem Brunnen gegenüber steht, während die andere Front sich der Verlängerung
des Platzes zuwendet, welche durch den „Corso" gebildet wird. Dieser Palast
gehört zu jener Reihe von mächtigen und malerischen Regierungspalästen in
italisch gothischem Stil, wie sie zur Zeit der höchsten Städteblüthe in Ita¬
lien in allen größeren Ortschaften entstanden, so in Florenz, Pistoja, Siena,
und selbst in kleineren, wie Montepulciano und Se. Gimignana. Auch dieser
Palast soll ein Werk des Benedictiners Fra Bevignute sein, der eine Zeitlang
als öffentlicher Baumeister in Perugia fungirte. Neben dem Portal gegen
den Dom zu stehen auf zwei Consolen der welfische Löwe und der perua¬
nische Greif von Bronce; bemerkenswerth als seltene Beispiele von Bronce-
statuen des 13. oder vom Anfang des 14. Jahrhunderts. So ungeschlacht


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[0342] Ion Florenz nach Kom. Von Dr. Hans Semper. IV. Perugia. An der Fassade des Doms hatten sich ehemals in zwei Nischen die Bronce- statuen der Päpste Paul II. und Sixtus V., Werke des Vellano von Padua, Schüler des Donatello, sowie des Peruginers Valentins Nartelli, befunden, fielen aber 1798 der Zerstörungslust und Raubgier der französischen Eroberer zum Opfer, die unter dem nicht mehr ungewöhnlichen Titel von Civilisatoren und Freiheitsaposteln Münzen daraus prägten. Wunderbarer Weise blieb dagegen die dicht daneben auf dem Platz stehende Broncestatue Julius III. von ihnen verschont. .,Vinoentius Dantes?eruZinus aäduo pudor kaeiebs.^" lautet eine Inschrift daran. 1555 ward sie von den Peruginern diesem Papste zum Dank dafür errichtet, daß er der Stadt die Rechte und Behörden wieder ge¬ geben, die ihr wenige Jahre zuvor Paul III. durch Waffengewalt entrissen hatte. So meisterhaft der Guß ist, und so viel lebendiges Gefühl sich in dieser sitzenden und segenertheilenden Statue ausdrückt, so schwülstig, knitterig und unruhig ist zugleich die Gewandung und alles Detail. Gleichwohl be¬ sitzt die Statue einen monumentalen Charakter. Von da gingen wir in den naheliegenden Palast Connestabile, um das berühmte Bildchen der Naäonna äol libro von Raphael zu sehen, erfuhren aber zu unserm Bedauern, daß die ganze Galerie nach Rom transportirt sei, was uns schon damals mit Besorgnissen erfüllte, die, wie sich bald nach¬ her durch den Verkauf des Bildchens an Rußland herausstellte, gerechtfertigt waren. So wandten wir uns denn zurück, um den imposanten Palast der Regierung in Augenschein zu nehmen, dessen eine Front dem Dom und dem Brunnen gegenüber steht, während die andere Front sich der Verlängerung des Platzes zuwendet, welche durch den „Corso" gebildet wird. Dieser Palast gehört zu jener Reihe von mächtigen und malerischen Regierungspalästen in italisch gothischem Stil, wie sie zur Zeit der höchsten Städteblüthe in Ita¬ lien in allen größeren Ortschaften entstanden, so in Florenz, Pistoja, Siena, und selbst in kleineren, wie Montepulciano und Se. Gimignana. Auch dieser Palast soll ein Werk des Benedictiners Fra Bevignute sein, der eine Zeitlang als öffentlicher Baumeister in Perugia fungirte. Neben dem Portal gegen den Dom zu stehen auf zwei Consolen der welfische Löwe und der perua¬ nische Greif von Bronce; bemerkenswerth als seltene Beispiele von Bronce- statuen des 13. oder vom Anfang des 14. Jahrhunderts. So ungeschlacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/342>, abgerufen am 24.07.2024.