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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Aas Hiefurter Journal.

Literarhistorische Studie von C. A. H. Burkhardt.

Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß das Journal von Tie-
furt, bei seiner weiten Verbreitung und dem literarhistorischen Werthe, einer
eingehenderen Würdigung sich noch nicht zu erfreuen gehabt hat. Nur für
die kritische Bearbeitung Goethe'scher Schöpfungen ist es zu Rathe gezogen
worden und auch in dieser Beziehung hat es seinen großen und vollen Werth
nur zum kleinsten Theile zur Anerkennung bringen können. Die Gründe
für die ungenügende Ausnutzung des Journals liegen in der Entstehungs¬
weise desselben, und jedenfalls fallen der theilweise sehr untergeordnete Werth
der Producte und die geflissentlich angestrebte Anonymität derselben so sehr
ins Gewicht, daß man die ohnehin schwierigen Forschungen als nicht lohnend
angesehen und daher unterlassen hat. Anderer Ansicht sind wir. Das Jour¬
nal ist eine wichtige Quelle für die deutsche Literaturgeschichte, sobald es gelingt,
die Verfasser der einzelnen Beiträge und die Zeit ihrer Entstehung bestimmt
zu ermitteln.

Es ist bekannt, daß Weimar eine genügende Anzahl gleichzeitig entstan¬
dener Abschriften des Journals aufzuweisen hat. So viel wir wissen,
sind daselbst noch fünf Exemplare, welche wir benutzt haben/) vorhanden.
Das Großherzogliche Hausarchiv besitzt zwei Abschriften 1 und ^ 2); es
sind dieselben, welche noch vor wenigen Decennien im Schlosse zu Tiefurt in
einer Chatulle mit goldenem Schlüssel aufbewahrt wurden. Ein drittes (Se.)
entstammt dem Herder'schen Nachlasse und befindet sich im Besitz des Herrn
Geh. Staatsrath Dr. Stichling. Das vierte gehörte Bertuch und ist Eigen¬
thum der Froriepschen Familie, während das Exemplar in dem Archive des
Canzlers Friedrich v. Müller den frühern Eigenthümer nicht mehr ermit¬
teln läßt.



") Das Goethesche Exemplar haben wir nicht benutzen können. Auf zwei Gesuche
an Herrn W. v. Goethe ist uns nicht einmal eine Antwort ertheilt worden!!
Grenzboten II. 1871. Zß
Aas Hiefurter Journal.

Literarhistorische Studie von C. A. H. Burkhardt.

Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß das Journal von Tie-
furt, bei seiner weiten Verbreitung und dem literarhistorischen Werthe, einer
eingehenderen Würdigung sich noch nicht zu erfreuen gehabt hat. Nur für
die kritische Bearbeitung Goethe'scher Schöpfungen ist es zu Rathe gezogen
worden und auch in dieser Beziehung hat es seinen großen und vollen Werth
nur zum kleinsten Theile zur Anerkennung bringen können. Die Gründe
für die ungenügende Ausnutzung des Journals liegen in der Entstehungs¬
weise desselben, und jedenfalls fallen der theilweise sehr untergeordnete Werth
der Producte und die geflissentlich angestrebte Anonymität derselben so sehr
ins Gewicht, daß man die ohnehin schwierigen Forschungen als nicht lohnend
angesehen und daher unterlassen hat. Anderer Ansicht sind wir. Das Jour¬
nal ist eine wichtige Quelle für die deutsche Literaturgeschichte, sobald es gelingt,
die Verfasser der einzelnen Beiträge und die Zeit ihrer Entstehung bestimmt
zu ermitteln.

Es ist bekannt, daß Weimar eine genügende Anzahl gleichzeitig entstan¬
dener Abschriften des Journals aufzuweisen hat. So viel wir wissen,
sind daselbst noch fünf Exemplare, welche wir benutzt haben/) vorhanden.
Das Großherzogliche Hausarchiv besitzt zwei Abschriften 1 und ^ 2); es
sind dieselben, welche noch vor wenigen Decennien im Schlosse zu Tiefurt in
einer Chatulle mit goldenem Schlüssel aufbewahrt wurden. Ein drittes (Se.)
entstammt dem Herder'schen Nachlasse und befindet sich im Besitz des Herrn
Geh. Staatsrath Dr. Stichling. Das vierte gehörte Bertuch und ist Eigen¬
thum der Froriepschen Familie, während das Exemplar in dem Archive des
Canzlers Friedrich v. Müller den frühern Eigenthümer nicht mehr ermit¬
teln läßt.



") Das Goethesche Exemplar haben wir nicht benutzen können. Auf zwei Gesuche
an Herrn W. v. Goethe ist uns nicht einmal eine Antwort ertheilt worden!!
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[0289] Aas Hiefurter Journal. Literarhistorische Studie von C. A. H. Burkhardt. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß das Journal von Tie- furt, bei seiner weiten Verbreitung und dem literarhistorischen Werthe, einer eingehenderen Würdigung sich noch nicht zu erfreuen gehabt hat. Nur für die kritische Bearbeitung Goethe'scher Schöpfungen ist es zu Rathe gezogen worden und auch in dieser Beziehung hat es seinen großen und vollen Werth nur zum kleinsten Theile zur Anerkennung bringen können. Die Gründe für die ungenügende Ausnutzung des Journals liegen in der Entstehungs¬ weise desselben, und jedenfalls fallen der theilweise sehr untergeordnete Werth der Producte und die geflissentlich angestrebte Anonymität derselben so sehr ins Gewicht, daß man die ohnehin schwierigen Forschungen als nicht lohnend angesehen und daher unterlassen hat. Anderer Ansicht sind wir. Das Jour¬ nal ist eine wichtige Quelle für die deutsche Literaturgeschichte, sobald es gelingt, die Verfasser der einzelnen Beiträge und die Zeit ihrer Entstehung bestimmt zu ermitteln. Es ist bekannt, daß Weimar eine genügende Anzahl gleichzeitig entstan¬ dener Abschriften des Journals aufzuweisen hat. So viel wir wissen, sind daselbst noch fünf Exemplare, welche wir benutzt haben/) vorhanden. Das Großherzogliche Hausarchiv besitzt zwei Abschriften 1 und ^ 2); es sind dieselben, welche noch vor wenigen Decennien im Schlosse zu Tiefurt in einer Chatulle mit goldenem Schlüssel aufbewahrt wurden. Ein drittes (Se.) entstammt dem Herder'schen Nachlasse und befindet sich im Besitz des Herrn Geh. Staatsrath Dr. Stichling. Das vierte gehörte Bertuch und ist Eigen¬ thum der Froriepschen Familie, während das Exemplar in dem Archive des Canzlers Friedrich v. Müller den frühern Eigenthümer nicht mehr ermit¬ teln läßt. ") Das Goethesche Exemplar haben wir nicht benutzen können. Auf zwei Gesuche an Herrn W. v. Goethe ist uns nicht einmal eine Antwort ertheilt worden!! Grenzboten II. 1871. Zß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/289>, abgerufen am 24.07.2024.