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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Auftritt -- fremde Leidenschaft -- fremde Welt." "Tragödie ist selbst nicht
für Monarchien wie Frankreich." "Tragödie ist am wenigsten für franzö¬
sische Sprache." Doch giebt er wenigstens so viel zu, daß er das Französische
zu wenig lebendig verstehe, um alles Rührende und Melodiöse in ihren Wor¬
ten zu finden. "Jetzt verstehe ich nur französisch für das Auge, nicht fürs
Ohr, fürs Herz!"

Am übelsten kommt die Oper fort. "Ein Tauber, der sähe, und ein
Blinder, der hörte, wer hätte mehr von der Oper? Jener bei der französischen,
dieser unstreitig bei der italienischen." "Ueberall sehe ich gleichsam das Prin-
cipium der französischen Nation Ehre" (diese unglückliche Voeabel des Mon¬
tesquieu hat Herdern alles freie Schauen getrübt!). "Demgemäß verlange
man Götter, Heldenliebe, keine menschliche, rührende, fortreißende, eine exeös
6s ä'un Neros-, objsts ciss llammes mit s.derg.its und eus-renes

vainqueurs, Gefängnisse und Entführungen, lauter Roman- und Turnierhel¬
denliebe, die so ganz nach dem Jahrhundert Ludwig XIV. schmeckt, als dies
sich in die ganze Literatur der Franzosen eingeprägt hat." Leider war die
deutsche Oper mit Empfindung (großer Zweck!) erst eine "neu zu schaffende.",

So ist Herder, der, das muß ihm bleiben, richtig die Schwächen eine/
"geschmackvollen" und "prächtigen" Kunst erkannte und mit so großem Er¬
folg aus den tieferen Grund, die Natur und echte Simplicität drang, gar
bald in Paris des französischen Wesens "herzlich satt." Wir verdanken seiner
Reise eine, Vertiefung seiner richtigen Kunsteinsicht, aber wir hüten uns vor
seiner Einseitigkeit und Ungerechtigkeit. Wir haben eben jetzt mehr als je
die Neigung dazu. Machen wir es den Franzosen, die, wie sie selbst wissen,
so viel von uns zu lernen haben, nicht durch absprechender Hochmuth und
oberflächliche Urtheile schwer, sich mit uns zu vertragen. schnurrige Käuze
Franz Sandvoß. sind wir ja doch.




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(Schluß.)

Viel entfernter von dem Ziele sind wir in dem bürgerlichen Recht und
dem bürgerlichen Proceß. Hier ist der Rechtszustand ein anderer und in Folge
dessen der wissenschaftliche Unterricht; in einer Verfassung, die sich Angesichts
der neuen Verhältnisse gar nicht mehr aufrechthalten läßt.


Auftritt — fremde Leidenschaft — fremde Welt." „Tragödie ist selbst nicht
für Monarchien wie Frankreich." „Tragödie ist am wenigsten für franzö¬
sische Sprache." Doch giebt er wenigstens so viel zu, daß er das Französische
zu wenig lebendig verstehe, um alles Rührende und Melodiöse in ihren Wor¬
ten zu finden. „Jetzt verstehe ich nur französisch für das Auge, nicht fürs
Ohr, fürs Herz!"

Am übelsten kommt die Oper fort. „Ein Tauber, der sähe, und ein
Blinder, der hörte, wer hätte mehr von der Oper? Jener bei der französischen,
dieser unstreitig bei der italienischen." „Ueberall sehe ich gleichsam das Prin-
cipium der französischen Nation Ehre" (diese unglückliche Voeabel des Mon¬
tesquieu hat Herdern alles freie Schauen getrübt!). „Demgemäß verlange
man Götter, Heldenliebe, keine menschliche, rührende, fortreißende, eine exeös
6s ä'un Neros-, objsts ciss llammes mit s.derg.its und eus-renes

vainqueurs, Gefängnisse und Entführungen, lauter Roman- und Turnierhel¬
denliebe, die so ganz nach dem Jahrhundert Ludwig XIV. schmeckt, als dies
sich in die ganze Literatur der Franzosen eingeprägt hat." Leider war die
deutsche Oper mit Empfindung (großer Zweck!) erst eine „neu zu schaffende.",

So ist Herder, der, das muß ihm bleiben, richtig die Schwächen eine/
„geschmackvollen" und „prächtigen" Kunst erkannte und mit so großem Er¬
folg aus den tieferen Grund, die Natur und echte Simplicität drang, gar
bald in Paris des französischen Wesens „herzlich satt." Wir verdanken seiner
Reise eine, Vertiefung seiner richtigen Kunsteinsicht, aber wir hüten uns vor
seiner Einseitigkeit und Ungerechtigkeit. Wir haben eben jetzt mehr als je
die Neigung dazu. Machen wir es den Franzosen, die, wie sie selbst wissen,
so viel von uns zu lernen haben, nicht durch absprechender Hochmuth und
oberflächliche Urtheile schwer, sich mit uns zu vertragen. schnurrige Käuze
Franz Sandvoß. sind wir ja doch.




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(Schluß.)

Viel entfernter von dem Ziele sind wir in dem bürgerlichen Recht und
dem bürgerlichen Proceß. Hier ist der Rechtszustand ein anderer und in Folge
dessen der wissenschaftliche Unterricht; in einer Verfassung, die sich Angesichts
der neuen Verhältnisse gar nicht mehr aufrechthalten läßt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/268>, abgerufen am 24.07.2024.