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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Es ist merkwürdig, daß von allen oder doch von den mächtigsten Völ¬
kern Europa's, von den Franzosen, Engländern, Oestreichern, auch von uns
Preußen und den übrigen Deutschen, ebenso also auch von den Russen eine
überlegene Tüchtigkeit im Bajonnetkampfe für die eignen Truppen in
Anspruch genommen wird. Erprobe ist sie bisher nur von den Norddeutschen
gegen die Oestreicher und von allen Deutschen gegen die Franzosen. Wenn wir
daraus die Hoffnung schöpfen können, daß die Norddeutschen, hinter denen die
Süddeutschen nicht um ein Haar nachstehen, darin den Russen mindestens gleich¬
stehen, so folgt daraus überhaupt eine unbedingte Ueberlegenheit der deutschen
Soldaten über die russischen; denn von diesen räumt ihr genauer Kenner
selbst ein, daß sie schwerfällig im Manövriren sind und schlecht schießen, wäh¬
rend die Deutschen in diesen beiden militärischen Leistungen jetzt anerkannt
an der Spitze aller europäischen Truppen stehn. Ihre Behendigkeit muß
ihnen auch beim Bajonnetsechten und also im Bajonnetkamvfe selbst bedeu¬
tend zu Statten kommen. Endlich theilen unsere Soldaten mit den franzö¬
sischen auch die besondere Geschicklichkeit, alle irgend geeigneten Gegenstände
und Bodenerhebungen zu ihrer Deckung zu benutzen, eine Geschicklichkeit,
welche den plumpen Russen keinesfalls eigen ist. Sonach können wir wohl
mit Zuversicht darauf rechnen, daß unser Fußvolk es mit dem russischen in
jeder Beziehung aufzunehmen vermag.

Um den russischen Truppen bei ihrer Abneigung gegen das Feuergefecht
und ihrer Vorliebe für das Handgemenge den Sieg vollständig zu sichern,
empfiehlt General Fadejew die Einführung von Panzern. Er hat solche
von Filz aus England als sicher gegen die Flintenkugel bereits erprobt. Wenn
sie Kopf, Brust und Unterleib nach allen Seiten einschließen, so wiegen sie
15 Pfund, eine Last, welche, wie der erfahrene General meint, der russische
Soldat ganz wohl noch neben seiner bisherigen Ausrüstung zu tragen ver¬
mag, wenn er daran gewöhnt ist. Es ist Herrn Fadejew nicht allein um
den thatsächlichen Vortheil, den der Panzer gewährt, zu thun, sondern auch
um die Ueberraschung des Feindes, indem er verlangt, daß man mit der
Einführung der Panzer, wenn auch zunächst nur bei einer Elite-Truppe, den
anderen europäischen Heeren zuvorkommen müsse. Wenn der Ruf irgend eines
Bortheils der feindlichen Soldaten, und wäre er in der Wirklichkeit auch noch
so gering, bei der anderen Partei verbreitet ist, so geht man von dieser Seite
ohne Vertrauen zu sich selbst in den Kampf, schiebt jeden Mißerfolg auf
jenen Vorzug des Feindes, der von der Phantasie um vieles vergrößert wird,
und befindet sich in beständiger Beängstigung, die dann stets mit einer Nieder¬
lage endet. So soll auch das plötzliche Auftreten gepanzerter Regimenter in
dem nächsten großen Feldzuge der Russen wirken.

Die gegenwärtige Heeresorganisation Rußlands, besonders was


Es ist merkwürdig, daß von allen oder doch von den mächtigsten Völ¬
kern Europa's, von den Franzosen, Engländern, Oestreichern, auch von uns
Preußen und den übrigen Deutschen, ebenso also auch von den Russen eine
überlegene Tüchtigkeit im Bajonnetkampfe für die eignen Truppen in
Anspruch genommen wird. Erprobe ist sie bisher nur von den Norddeutschen
gegen die Oestreicher und von allen Deutschen gegen die Franzosen. Wenn wir
daraus die Hoffnung schöpfen können, daß die Norddeutschen, hinter denen die
Süddeutschen nicht um ein Haar nachstehen, darin den Russen mindestens gleich¬
stehen, so folgt daraus überhaupt eine unbedingte Ueberlegenheit der deutschen
Soldaten über die russischen; denn von diesen räumt ihr genauer Kenner
selbst ein, daß sie schwerfällig im Manövriren sind und schlecht schießen, wäh¬
rend die Deutschen in diesen beiden militärischen Leistungen jetzt anerkannt
an der Spitze aller europäischen Truppen stehn. Ihre Behendigkeit muß
ihnen auch beim Bajonnetsechten und also im Bajonnetkamvfe selbst bedeu¬
tend zu Statten kommen. Endlich theilen unsere Soldaten mit den franzö¬
sischen auch die besondere Geschicklichkeit, alle irgend geeigneten Gegenstände
und Bodenerhebungen zu ihrer Deckung zu benutzen, eine Geschicklichkeit,
welche den plumpen Russen keinesfalls eigen ist. Sonach können wir wohl
mit Zuversicht darauf rechnen, daß unser Fußvolk es mit dem russischen in
jeder Beziehung aufzunehmen vermag.

Um den russischen Truppen bei ihrer Abneigung gegen das Feuergefecht
und ihrer Vorliebe für das Handgemenge den Sieg vollständig zu sichern,
empfiehlt General Fadejew die Einführung von Panzern. Er hat solche
von Filz aus England als sicher gegen die Flintenkugel bereits erprobt. Wenn
sie Kopf, Brust und Unterleib nach allen Seiten einschließen, so wiegen sie
15 Pfund, eine Last, welche, wie der erfahrene General meint, der russische
Soldat ganz wohl noch neben seiner bisherigen Ausrüstung zu tragen ver¬
mag, wenn er daran gewöhnt ist. Es ist Herrn Fadejew nicht allein um
den thatsächlichen Vortheil, den der Panzer gewährt, zu thun, sondern auch
um die Ueberraschung des Feindes, indem er verlangt, daß man mit der
Einführung der Panzer, wenn auch zunächst nur bei einer Elite-Truppe, den
anderen europäischen Heeren zuvorkommen müsse. Wenn der Ruf irgend eines
Bortheils der feindlichen Soldaten, und wäre er in der Wirklichkeit auch noch
so gering, bei der anderen Partei verbreitet ist, so geht man von dieser Seite
ohne Vertrauen zu sich selbst in den Kampf, schiebt jeden Mißerfolg auf
jenen Vorzug des Feindes, der von der Phantasie um vieles vergrößert wird,
und befindet sich in beständiger Beängstigung, die dann stets mit einer Nieder¬
lage endet. So soll auch das plötzliche Auftreten gepanzerter Regimenter in
dem nächsten großen Feldzuge der Russen wirken.

Die gegenwärtige Heeresorganisation Rußlands, besonders was


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[0255] Es ist merkwürdig, daß von allen oder doch von den mächtigsten Völ¬ kern Europa's, von den Franzosen, Engländern, Oestreichern, auch von uns Preußen und den übrigen Deutschen, ebenso also auch von den Russen eine überlegene Tüchtigkeit im Bajonnetkampfe für die eignen Truppen in Anspruch genommen wird. Erprobe ist sie bisher nur von den Norddeutschen gegen die Oestreicher und von allen Deutschen gegen die Franzosen. Wenn wir daraus die Hoffnung schöpfen können, daß die Norddeutschen, hinter denen die Süddeutschen nicht um ein Haar nachstehen, darin den Russen mindestens gleich¬ stehen, so folgt daraus überhaupt eine unbedingte Ueberlegenheit der deutschen Soldaten über die russischen; denn von diesen räumt ihr genauer Kenner selbst ein, daß sie schwerfällig im Manövriren sind und schlecht schießen, wäh¬ rend die Deutschen in diesen beiden militärischen Leistungen jetzt anerkannt an der Spitze aller europäischen Truppen stehn. Ihre Behendigkeit muß ihnen auch beim Bajonnetsechten und also im Bajonnetkamvfe selbst bedeu¬ tend zu Statten kommen. Endlich theilen unsere Soldaten mit den franzö¬ sischen auch die besondere Geschicklichkeit, alle irgend geeigneten Gegenstände und Bodenerhebungen zu ihrer Deckung zu benutzen, eine Geschicklichkeit, welche den plumpen Russen keinesfalls eigen ist. Sonach können wir wohl mit Zuversicht darauf rechnen, daß unser Fußvolk es mit dem russischen in jeder Beziehung aufzunehmen vermag. Um den russischen Truppen bei ihrer Abneigung gegen das Feuergefecht und ihrer Vorliebe für das Handgemenge den Sieg vollständig zu sichern, empfiehlt General Fadejew die Einführung von Panzern. Er hat solche von Filz aus England als sicher gegen die Flintenkugel bereits erprobt. Wenn sie Kopf, Brust und Unterleib nach allen Seiten einschließen, so wiegen sie 15 Pfund, eine Last, welche, wie der erfahrene General meint, der russische Soldat ganz wohl noch neben seiner bisherigen Ausrüstung zu tragen ver¬ mag, wenn er daran gewöhnt ist. Es ist Herrn Fadejew nicht allein um den thatsächlichen Vortheil, den der Panzer gewährt, zu thun, sondern auch um die Ueberraschung des Feindes, indem er verlangt, daß man mit der Einführung der Panzer, wenn auch zunächst nur bei einer Elite-Truppe, den anderen europäischen Heeren zuvorkommen müsse. Wenn der Ruf irgend eines Bortheils der feindlichen Soldaten, und wäre er in der Wirklichkeit auch noch so gering, bei der anderen Partei verbreitet ist, so geht man von dieser Seite ohne Vertrauen zu sich selbst in den Kampf, schiebt jeden Mißerfolg auf jenen Vorzug des Feindes, der von der Phantasie um vieles vergrößert wird, und befindet sich in beständiger Beängstigung, die dann stets mit einer Nieder¬ lage endet. So soll auch das plötzliche Auftreten gepanzerter Regimenter in dem nächsten großen Feldzuge der Russen wirken. Die gegenwärtige Heeresorganisation Rußlands, besonders was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/255>, abgerufen am 25.07.2024.