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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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schießen die Feinde einzeln herunter; haben sie hinter der ersten sich bietenden
Deckung abgesessen, so bringen sie den Feind sogleich mit einem Mal zum
Stehen. Wie das Wasser ergießt sich diese fliegende Reiterei in jedes Inter¬
vall, welches zwischen den Abtheilungen des Feindes entsteht, reißt sie aus
einander und zwingt den Gegner, die Verbindung zwischen seinen Massen
nicht anders als mittelst starker Heersäulen zu unterhalten, bedroht seine
Parks und den'Train und versetzt ihn, mit einem Wort, in die Lage der
Franzosen in Spanien. Mit einer solchen Reiterei werden wir stets im
Stande sein alles zu wissen, was der Feind thut, während dieser von uns
gar nichts erfahren wird; Reeognoscirungen werden für ihn unmöglich, außer
vermittelst ganzer Detachements, und auch dann nur auf geringe Abstände;
zwischen uns und dem Feinde wird ein Vorhang hängen, der für ihn dunkel,
für uns aber durchsichtig ist. -- Nicht soviel verspricht sich General Fadejew
von den Steppenvölkern mit Einschluß der orenburgischen Kosaken, doch hält
er sie zum Wacht- und Botendienst vollkommen brauchbar; denn sie seien
geborene Reiter, ausdauernd und wachsam, mit scharfem Gesicht und Geistes¬
gegenwart begabt, "wie alle Halbwilden, die unter freiem Himmel aufgewach¬
sen sind," und zu gleicher Zeit kühn, sobald nur ein kühner Anführer an
ihrer Spitze steht, Fadejew will zur Heerfolge noch nicht einmal alle die
entfernter wohnenden Nomaden, namentlich "die noch wilden Kirgisen" heran¬
ziehen, nur die bereits merklich russificirten, die daher schon gewissermaßen
"Unseresgleichen" geworden sind (wozu freilich nicht so sehr viel gehört); so
die wackeren Kalmücken, Nogaier, Turchmenen, Baschkiren, Meschtscherägen --
Namen, bei deren bloßer Nennung einen Culturmenschen ein gelindes Grau¬
sen überläuft. Wir geben ohne Prüfung zu, daß sich aus dem genannten
Völkergestndel allein mit Leichtigkeit 20 Regimenter errichten lassen, wozu
noch 8 Regimenter orenburger Kosaken kommen; es ist ebenso glaublich, daß
die Linienkosaken (vom Kaukasus) 38 und die eingebornen Kaukasier ohne
Schwierigkeit 18 Regimenter solcher Reiter zu stellen vermögen; macht 76
gelbe, braune, graue, wolf- und bärenfarbige Regimenter, mit welchen uns
Rußland besuchen und uns seine "eigenartige Cultur" vorweisen könnte. Wei¬
ter unten werden wir unsere Ansichten darüber aussprechen, inwiefern Deutsch¬
land vor diesen ungeleckten Banden militärisch besorgt sein dürfte und wie
wir uns ihre Abwehr vorstellen.

General Fadejew giebt sich indessen nicht der Hoffnung hin, daß seine
Reformvorschläge bei der Cavallerie so bald zur Ausführung kommen; das
falsche veraltete System sei in seinem Vaterlande zu fest 'eingerostet. Er trö¬
stet sich damit, daß auch bei den Römern, welche in der ganzen Geschichte die
besten Truppen, mit welchen sie die Welt besiegten, gehabt hätten, die Rei¬
terei schwach gewesen.sei. Die wichtigste Truppengattung ist ihm -- und


schießen die Feinde einzeln herunter; haben sie hinter der ersten sich bietenden
Deckung abgesessen, so bringen sie den Feind sogleich mit einem Mal zum
Stehen. Wie das Wasser ergießt sich diese fliegende Reiterei in jedes Inter¬
vall, welches zwischen den Abtheilungen des Feindes entsteht, reißt sie aus
einander und zwingt den Gegner, die Verbindung zwischen seinen Massen
nicht anders als mittelst starker Heersäulen zu unterhalten, bedroht seine
Parks und den'Train und versetzt ihn, mit einem Wort, in die Lage der
Franzosen in Spanien. Mit einer solchen Reiterei werden wir stets im
Stande sein alles zu wissen, was der Feind thut, während dieser von uns
gar nichts erfahren wird; Reeognoscirungen werden für ihn unmöglich, außer
vermittelst ganzer Detachements, und auch dann nur auf geringe Abstände;
zwischen uns und dem Feinde wird ein Vorhang hängen, der für ihn dunkel,
für uns aber durchsichtig ist. — Nicht soviel verspricht sich General Fadejew
von den Steppenvölkern mit Einschluß der orenburgischen Kosaken, doch hält
er sie zum Wacht- und Botendienst vollkommen brauchbar; denn sie seien
geborene Reiter, ausdauernd und wachsam, mit scharfem Gesicht und Geistes¬
gegenwart begabt, „wie alle Halbwilden, die unter freiem Himmel aufgewach¬
sen sind," und zu gleicher Zeit kühn, sobald nur ein kühner Anführer an
ihrer Spitze steht, Fadejew will zur Heerfolge noch nicht einmal alle die
entfernter wohnenden Nomaden, namentlich „die noch wilden Kirgisen" heran¬
ziehen, nur die bereits merklich russificirten, die daher schon gewissermaßen
„Unseresgleichen" geworden sind (wozu freilich nicht so sehr viel gehört); so
die wackeren Kalmücken, Nogaier, Turchmenen, Baschkiren, Meschtscherägen —
Namen, bei deren bloßer Nennung einen Culturmenschen ein gelindes Grau¬
sen überläuft. Wir geben ohne Prüfung zu, daß sich aus dem genannten
Völkergestndel allein mit Leichtigkeit 20 Regimenter errichten lassen, wozu
noch 8 Regimenter orenburger Kosaken kommen; es ist ebenso glaublich, daß
die Linienkosaken (vom Kaukasus) 38 und die eingebornen Kaukasier ohne
Schwierigkeit 18 Regimenter solcher Reiter zu stellen vermögen; macht 76
gelbe, braune, graue, wolf- und bärenfarbige Regimenter, mit welchen uns
Rußland besuchen und uns seine „eigenartige Cultur" vorweisen könnte. Wei¬
ter unten werden wir unsere Ansichten darüber aussprechen, inwiefern Deutsch¬
land vor diesen ungeleckten Banden militärisch besorgt sein dürfte und wie
wir uns ihre Abwehr vorstellen.

General Fadejew giebt sich indessen nicht der Hoffnung hin, daß seine
Reformvorschläge bei der Cavallerie so bald zur Ausführung kommen; das
falsche veraltete System sei in seinem Vaterlande zu fest 'eingerostet. Er trö¬
stet sich damit, daß auch bei den Römern, welche in der ganzen Geschichte die
besten Truppen, mit welchen sie die Welt besiegten, gehabt hätten, die Rei¬
terei schwach gewesen.sei. Die wichtigste Truppengattung ist ihm — und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/253>, abgerufen am 25.07.2024.