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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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meint ist*), im Folgenden als eine Curiosität und als eine Probe dessen, was
man dem Glauben gewisser Schichten des englischen und dänischen Publicums
zumuthen darf, in deutscher Uebersetzung mit. obwohl die Erzählung recht
plump erfindet, überhaupt nichts weniger als ein Kunstwerk ist und zum
großen Theil auf äußerst ordinären und unwürdigen Voraussetzungen ruht.

Vorrede. Da es natürlicherweise den Leser dieses Buches interessiren
muß, Nachricht zu erhalten, wie man die Wahrheiten, die es enthält, hat
herausfinden können, so wird Folgendes bemerkt: Graf Bismarck hatte vor
vielen Jahren einen Kammerdiener, welcher die ganze Zeit bei ihm diente,
wo der Graf sich in dem Badeorte Homburg aufhielt. Dieser wurde vor
einigen Jahren verabschiedet, man.sagte, wegen Schwachheit, aber das war
nicht der richtige Grund. Der Graf hatte inzwischen versprochen, für ihn und
seine Familie zu sorgen, so lange er oder sie lebten, aller Wahrscheinlichkeit
nach, damit sie nicht verrathen sollten, was sie wüßten, aber er hatte dieses
Versprechen nicht gehalten. Als nun der alte Diener merkte, daß der Tod
sich näherte, übergab er seiner Frau ein Document, welches, wie er sagte,
sie und die beiden Kinder vor Noth bewahren würde. Auf dem Packet stand
eine Adresse an den Betreffenden,' den sie aufsuchen sollte. Dies ist der Name
des Mannes, der als Verfasser auf dem Titelblatt steht.

Vor einer Anzahl Jahren, da Bismarck noch ein junger Mann war
(der verstorbene Kammerdiener hat nicht angegeben, wie all der Graf war
oder in welchem Jahre es vorging), hielt der Graf sich einen Monat in dem
Badeorte Homburg auf, theils um sich an den Vergnügungen und Zer-
streungen der fashionablen Welt zu betheiligen, theils um das Bad zu ge¬
brauchen, da er an starker Abspannung litt, etwas, was man heutzutage
kaum vermuthen würde, was aber nichtsdestoweniger der Fall war und viel¬
leicht darin seinen Grund hatte, daß er sich noch zu nichts Großem und
Außerordentlichen berufen fühlte, sondern noch im Dunkeln tappte und noch
keinen bestimmten Wirkungskreis für sich sah. Der Graf war deshalb sehr
reizbar und es ließ sich schwer mit ihm umgehen, weshalb der Kammerdiener
viel auszustehen hatte, da sein Herr allezeit seine üble Laune an seiner Um¬
gebung ausließ und diese die größte Portion Grobheiten b^kam.

Der Graf ging jeden Abend spazieren, und auf einer dieser Wanderungen
si.l sein Blick auf ein erleuchtetes Fenster in einem kleinen Hause, das in
einem mit vielen Obstbäumen bepflanzten Garten lag. Was besonders die
Aufmerksamkeit des Grafen auf sich lenkte, war, daß sich drinnen, hinter den
Fensterscheiben eine seltsame Gestalt bewegte, die sich mit einem dem Grafen



") Verfasser ist or. MI. de Lagrein, dänischer Verleger I. Rothschild! und Comp. in
Kopenhagen.

meint ist*), im Folgenden als eine Curiosität und als eine Probe dessen, was
man dem Glauben gewisser Schichten des englischen und dänischen Publicums
zumuthen darf, in deutscher Uebersetzung mit. obwohl die Erzählung recht
plump erfindet, überhaupt nichts weniger als ein Kunstwerk ist und zum
großen Theil auf äußerst ordinären und unwürdigen Voraussetzungen ruht.

Vorrede. Da es natürlicherweise den Leser dieses Buches interessiren
muß, Nachricht zu erhalten, wie man die Wahrheiten, die es enthält, hat
herausfinden können, so wird Folgendes bemerkt: Graf Bismarck hatte vor
vielen Jahren einen Kammerdiener, welcher die ganze Zeit bei ihm diente,
wo der Graf sich in dem Badeorte Homburg aufhielt. Dieser wurde vor
einigen Jahren verabschiedet, man.sagte, wegen Schwachheit, aber das war
nicht der richtige Grund. Der Graf hatte inzwischen versprochen, für ihn und
seine Familie zu sorgen, so lange er oder sie lebten, aller Wahrscheinlichkeit
nach, damit sie nicht verrathen sollten, was sie wüßten, aber er hatte dieses
Versprechen nicht gehalten. Als nun der alte Diener merkte, daß der Tod
sich näherte, übergab er seiner Frau ein Document, welches, wie er sagte,
sie und die beiden Kinder vor Noth bewahren würde. Auf dem Packet stand
eine Adresse an den Betreffenden,' den sie aufsuchen sollte. Dies ist der Name
des Mannes, der als Verfasser auf dem Titelblatt steht.

Vor einer Anzahl Jahren, da Bismarck noch ein junger Mann war
(der verstorbene Kammerdiener hat nicht angegeben, wie all der Graf war
oder in welchem Jahre es vorging), hielt der Graf sich einen Monat in dem
Badeorte Homburg auf, theils um sich an den Vergnügungen und Zer-
streungen der fashionablen Welt zu betheiligen, theils um das Bad zu ge¬
brauchen, da er an starker Abspannung litt, etwas, was man heutzutage
kaum vermuthen würde, was aber nichtsdestoweniger der Fall war und viel¬
leicht darin seinen Grund hatte, daß er sich noch zu nichts Großem und
Außerordentlichen berufen fühlte, sondern noch im Dunkeln tappte und noch
keinen bestimmten Wirkungskreis für sich sah. Der Graf war deshalb sehr
reizbar und es ließ sich schwer mit ihm umgehen, weshalb der Kammerdiener
viel auszustehen hatte, da sein Herr allezeit seine üble Laune an seiner Um¬
gebung ausließ und diese die größte Portion Grobheiten b^kam.

Der Graf ging jeden Abend spazieren, und auf einer dieser Wanderungen
si.l sein Blick auf ein erleuchtetes Fenster in einem kleinen Hause, das in
einem mit vielen Obstbäumen bepflanzten Garten lag. Was besonders die
Aufmerksamkeit des Grafen auf sich lenkte, war, daß sich drinnen, hinter den
Fensterscheiben eine seltsame Gestalt bewegte, die sich mit einem dem Grafen



") Verfasser ist or. MI. de Lagrein, dänischer Verleger I. Rothschild! und Comp. in
Kopenhagen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/191>, abgerufen am 24.07.2024.