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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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IsranMsches Mrteiwesen.
Von Georg Zelle.
3. Die Parteien während der Julimonarchie.

Die Erhebung Ludwig Philipps hatten die weniger zahlreichen als thä¬
tigen und rührigen Parteigänger des Hauses Orleans, unter denen Laffitte
die einflußreichste Stelle einnahm, vorbereitet und ihnen hatte sich ein Theil
der Republikaner, der sich besonders um den greisen Lafayette gruppirte, an¬
geschlossen, während die konstitutionelle Partei im Allgemeinen den Dynastie-
Wechsel nur als äußerstes Auskunftsmittel ins Auge gefaßt hatte, zu dem
man nur im äußersten Falle, um durch dasselbe eine noch ungünstigere Com¬
bination zu verhindern, greifen dürfe. Nachdem ohne ihr Zuthun Karl X.
gestürzt war, war dieser Fall eingetreten, und mit Eifer traten sie jetzt sofort
für die Candidatur des Herzogs ein, so daß auf kurze Zeit alle Schattirungen
des monarchischen Liberalismus wieder auf einem Boden zusammentrafen.
Die entschiedenen Republikaner, die sich mit Recht als die wahren Helden
der Julitage ansahen, waren unter den Politikern von Ruf fast gar nicht
vertreten und sahen sich daher von der Theilnahme an der Leitung der An¬
gelegenheiten ausgeschlossen, von dem Augenblicke an, wo die Orleanisten
durch einen kühnen Griff ihrem Schützling die Herrschaft, zunächst in der
Form der Statthalterschaft des Königreichs, in die Hände gespielt hatten.
Sie grollten und conspirirten, aber so lange Lafayette in dem Herzog von
Orleans die "beste der Republiken" sah, konnten sie an eine Schilderhebung
nicht denken. Lafayette als Obercommandant aller Nationalgarten schwelgte
in der Erinnerung an 1789; seine Gefühle waren nicht gealtert, freilich war
auch seine Einsicht nicht gereist. Seinen Sympathien nach war er Republi-
kaner, ohne doch recht an die Möglichkeit einer republikanischen Verfassung zu
glauben. In diesem Widerstreit der Gefühle hatte er sich, gerade wie 1789,
für die Monarchie entschieden, aber für eine Monarchie, die nur den Namen
einer solchen führen, in der That dagegen einen durchaus republikanischen
Charakter tragen sollte. Der Herzog von Orleans schien ihm das rechte
Haupt einer solchen Phantasiemonarchie zu sein. Als er aber wieder einmal


Greiijboten 17. 1871. 21
IsranMsches Mrteiwesen.
Von Georg Zelle.
3. Die Parteien während der Julimonarchie.

Die Erhebung Ludwig Philipps hatten die weniger zahlreichen als thä¬
tigen und rührigen Parteigänger des Hauses Orleans, unter denen Laffitte
die einflußreichste Stelle einnahm, vorbereitet und ihnen hatte sich ein Theil
der Republikaner, der sich besonders um den greisen Lafayette gruppirte, an¬
geschlossen, während die konstitutionelle Partei im Allgemeinen den Dynastie-
Wechsel nur als äußerstes Auskunftsmittel ins Auge gefaßt hatte, zu dem
man nur im äußersten Falle, um durch dasselbe eine noch ungünstigere Com¬
bination zu verhindern, greifen dürfe. Nachdem ohne ihr Zuthun Karl X.
gestürzt war, war dieser Fall eingetreten, und mit Eifer traten sie jetzt sofort
für die Candidatur des Herzogs ein, so daß auf kurze Zeit alle Schattirungen
des monarchischen Liberalismus wieder auf einem Boden zusammentrafen.
Die entschiedenen Republikaner, die sich mit Recht als die wahren Helden
der Julitage ansahen, waren unter den Politikern von Ruf fast gar nicht
vertreten und sahen sich daher von der Theilnahme an der Leitung der An¬
gelegenheiten ausgeschlossen, von dem Augenblicke an, wo die Orleanisten
durch einen kühnen Griff ihrem Schützling die Herrschaft, zunächst in der
Form der Statthalterschaft des Königreichs, in die Hände gespielt hatten.
Sie grollten und conspirirten, aber so lange Lafayette in dem Herzog von
Orleans die „beste der Republiken" sah, konnten sie an eine Schilderhebung
nicht denken. Lafayette als Obercommandant aller Nationalgarten schwelgte
in der Erinnerung an 1789; seine Gefühle waren nicht gealtert, freilich war
auch seine Einsicht nicht gereist. Seinen Sympathien nach war er Republi-
kaner, ohne doch recht an die Möglichkeit einer republikanischen Verfassung zu
glauben. In diesem Widerstreit der Gefühle hatte er sich, gerade wie 1789,
für die Monarchie entschieden, aber für eine Monarchie, die nur den Namen
einer solchen führen, in der That dagegen einen durchaus republikanischen
Charakter tragen sollte. Der Herzog von Orleans schien ihm das rechte
Haupt einer solchen Phantasiemonarchie zu sein. Als er aber wieder einmal


Greiijboten 17. 1871. 21
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[0169] IsranMsches Mrteiwesen. Von Georg Zelle. 3. Die Parteien während der Julimonarchie. Die Erhebung Ludwig Philipps hatten die weniger zahlreichen als thä¬ tigen und rührigen Parteigänger des Hauses Orleans, unter denen Laffitte die einflußreichste Stelle einnahm, vorbereitet und ihnen hatte sich ein Theil der Republikaner, der sich besonders um den greisen Lafayette gruppirte, an¬ geschlossen, während die konstitutionelle Partei im Allgemeinen den Dynastie- Wechsel nur als äußerstes Auskunftsmittel ins Auge gefaßt hatte, zu dem man nur im äußersten Falle, um durch dasselbe eine noch ungünstigere Com¬ bination zu verhindern, greifen dürfe. Nachdem ohne ihr Zuthun Karl X. gestürzt war, war dieser Fall eingetreten, und mit Eifer traten sie jetzt sofort für die Candidatur des Herzogs ein, so daß auf kurze Zeit alle Schattirungen des monarchischen Liberalismus wieder auf einem Boden zusammentrafen. Die entschiedenen Republikaner, die sich mit Recht als die wahren Helden der Julitage ansahen, waren unter den Politikern von Ruf fast gar nicht vertreten und sahen sich daher von der Theilnahme an der Leitung der An¬ gelegenheiten ausgeschlossen, von dem Augenblicke an, wo die Orleanisten durch einen kühnen Griff ihrem Schützling die Herrschaft, zunächst in der Form der Statthalterschaft des Königreichs, in die Hände gespielt hatten. Sie grollten und conspirirten, aber so lange Lafayette in dem Herzog von Orleans die „beste der Republiken" sah, konnten sie an eine Schilderhebung nicht denken. Lafayette als Obercommandant aller Nationalgarten schwelgte in der Erinnerung an 1789; seine Gefühle waren nicht gealtert, freilich war auch seine Einsicht nicht gereist. Seinen Sympathien nach war er Republi- kaner, ohne doch recht an die Möglichkeit einer republikanischen Verfassung zu glauben. In diesem Widerstreit der Gefühle hatte er sich, gerade wie 1789, für die Monarchie entschieden, aber für eine Monarchie, die nur den Namen einer solchen führen, in der That dagegen einen durchaus republikanischen Charakter tragen sollte. Der Herzog von Orleans schien ihm das rechte Haupt einer solchen Phantasiemonarchie zu sein. Als er aber wieder einmal Greiijboten 17. 1871. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/169>, abgerufen am 24.07.2024.