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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Aufhebung eines von ihr einseitig abgeschlossenen Vertrags, der die ständischen
Interessen außer Acht ließ, mit dem anderen Contrahenten zu vereinbaren,
wird jedes Bedenken gegen die Ratification der Convention bei Seite gesetzt,
und die Regierung erhält Indemnität, durch welche ihr Verfahren ratihabirt
in. und alle Differenzen beigelegt werden.




Berliner Iriefe.

Seit acht Tagen treiben die Zeitungen fast ausschließlich Geschichte, denn
ein Jahr ist seit den Anfängen des großen Krieges verflossen und schon jetzt
bietet fast jedes Datum die Erinnerung an ein denkwürdiges Ereigniß: die
ersten Anregungen der Hohenzollern'schen Frage in Paris, die verhängniß-
vollen Sitzungen des französischen Parlaments, Benedetti in Ems, die Rück¬
kehr des Königs in seine Hauptstadt.

Erst am 13. hatte Graf Bismarck in den Lauf der Ereignisse eingegriffen,
denn mittelbar oder unmittelbar von ihm muß jenes Extrablatt der Nord¬
deutschen Allgemeinen Zeitung ausgegangen sein, welches am Abend des 13.
ausgegeben wurde und welches, den Spieß umkehrend, ihnen die Alternative
stellte: Demüthigung oder Krieg! Die Mittheilung der Norddeutschen Zei¬
tung bestand nur aus neun Zeilen, weitläufig und recht deutlich über die
Breite des Blattes hinweggedruckt und aus zwei Sätzen, deren erster Bene-
detti's unverschämte Forderung mittheilte, und deren zweiter sagte:

"Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen
Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten
vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät dem Botschafter nichts weiter
mitzutheilen habe."

Ich habe das Extrablatt, wie ich es damals nach Haus trug, vor mir
liegen und es ruft mir jenen Abend so lebhaft zurück, daß ich für eine Stunde
Adolph Menzel sein möchte, um die merkwürdige Scene malen zu können.
Es war Abends gegen 9 Uhr, ein schwüler Abend nach einem heißen Tage,
deren der Juli 1870 so viele brachte. Die Linden waren voll von Menschen,
die dichteste Ansammlung aber war, wie gewöhnlich, bei Kranzler, wo so
etwas wie eine Abendbörse stattfindet. Es waren in den letzten Tagen be-


Aufhebung eines von ihr einseitig abgeschlossenen Vertrags, der die ständischen
Interessen außer Acht ließ, mit dem anderen Contrahenten zu vereinbaren,
wird jedes Bedenken gegen die Ratification der Convention bei Seite gesetzt,
und die Regierung erhält Indemnität, durch welche ihr Verfahren ratihabirt
in. und alle Differenzen beigelegt werden.




Berliner Iriefe.

Seit acht Tagen treiben die Zeitungen fast ausschließlich Geschichte, denn
ein Jahr ist seit den Anfängen des großen Krieges verflossen und schon jetzt
bietet fast jedes Datum die Erinnerung an ein denkwürdiges Ereigniß: die
ersten Anregungen der Hohenzollern'schen Frage in Paris, die verhängniß-
vollen Sitzungen des französischen Parlaments, Benedetti in Ems, die Rück¬
kehr des Königs in seine Hauptstadt.

Erst am 13. hatte Graf Bismarck in den Lauf der Ereignisse eingegriffen,
denn mittelbar oder unmittelbar von ihm muß jenes Extrablatt der Nord¬
deutschen Allgemeinen Zeitung ausgegangen sein, welches am Abend des 13.
ausgegeben wurde und welches, den Spieß umkehrend, ihnen die Alternative
stellte: Demüthigung oder Krieg! Die Mittheilung der Norddeutschen Zei¬
tung bestand nur aus neun Zeilen, weitläufig und recht deutlich über die
Breite des Blattes hinweggedruckt und aus zwei Sätzen, deren erster Bene-
detti's unverschämte Forderung mittheilte, und deren zweiter sagte:

„Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen
Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten
vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät dem Botschafter nichts weiter
mitzutheilen habe."

Ich habe das Extrablatt, wie ich es damals nach Haus trug, vor mir
liegen und es ruft mir jenen Abend so lebhaft zurück, daß ich für eine Stunde
Adolph Menzel sein möchte, um die merkwürdige Scene malen zu können.
Es war Abends gegen 9 Uhr, ein schwüler Abend nach einem heißen Tage,
deren der Juli 1870 so viele brachte. Die Linden waren voll von Menschen,
die dichteste Ansammlung aber war, wie gewöhnlich, bei Kranzler, wo so
etwas wie eine Abendbörse stattfindet. Es waren in den letzten Tagen be-


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[0163] Aufhebung eines von ihr einseitig abgeschlossenen Vertrags, der die ständischen Interessen außer Acht ließ, mit dem anderen Contrahenten zu vereinbaren, wird jedes Bedenken gegen die Ratification der Convention bei Seite gesetzt, und die Regierung erhält Indemnität, durch welche ihr Verfahren ratihabirt in. und alle Differenzen beigelegt werden. Berliner Iriefe. Seit acht Tagen treiben die Zeitungen fast ausschließlich Geschichte, denn ein Jahr ist seit den Anfängen des großen Krieges verflossen und schon jetzt bietet fast jedes Datum die Erinnerung an ein denkwürdiges Ereigniß: die ersten Anregungen der Hohenzollern'schen Frage in Paris, die verhängniß- vollen Sitzungen des französischen Parlaments, Benedetti in Ems, die Rück¬ kehr des Königs in seine Hauptstadt. Erst am 13. hatte Graf Bismarck in den Lauf der Ereignisse eingegriffen, denn mittelbar oder unmittelbar von ihm muß jenes Extrablatt der Nord¬ deutschen Allgemeinen Zeitung ausgegangen sein, welches am Abend des 13. ausgegeben wurde und welches, den Spieß umkehrend, ihnen die Alternative stellte: Demüthigung oder Krieg! Die Mittheilung der Norddeutschen Zei¬ tung bestand nur aus neun Zeilen, weitläufig und recht deutlich über die Breite des Blattes hinweggedruckt und aus zwei Sätzen, deren erster Bene- detti's unverschämte Forderung mittheilte, und deren zweiter sagte: „Se. Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Se. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe." Ich habe das Extrablatt, wie ich es damals nach Haus trug, vor mir liegen und es ruft mir jenen Abend so lebhaft zurück, daß ich für eine Stunde Adolph Menzel sein möchte, um die merkwürdige Scene malen zu können. Es war Abends gegen 9 Uhr, ein schwüler Abend nach einem heißen Tage, deren der Juli 1870 so viele brachte. Die Linden waren voll von Menschen, die dichteste Ansammlung aber war, wie gewöhnlich, bei Kranzler, wo so etwas wie eine Abendbörse stattfindet. Es waren in den letzten Tagen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/163>, abgerufen am 24.07.2024.