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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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und sendete ihr den Scheidebrief voraus. Daß Mucia's Betragen ganz be¬
sonderes Aufsehen in Rom erregt hatte, erkennt man aus einem Briefe Ci¬
cero's an seinen Freund Atticus, worin es ganz kurz heißt: "Die Scheidung
von Mucia wird allgemein gebilligt."

Der jüngere Sohn des Pompejus, der den Vornamen Sextus führte,
war damals (62 v. Chr.) 13 Jahre alt und verlor die mütterliche Pflege
und Aufsicht gerade zu einer Zeit, die für seine Entwickelung am entscheidend¬
sten sein mußte. So blieb er denn drei Jahre lang in den Händen der Scla¬
ven und Freigelassenen, die im väterlichen Hause, wie das Beispiel des Juden
Demetrius lehrt, in unverschämter Weise dominirten. Die Welt staunte, als
sein Vater endlich die einzige Tochter des Mannes heirathete, der seine letzte
Ehe in so skandalöser Weise gestört hatte. Und wieder waren es politische
Beweggründe, die ihm die um die Hälfte seiner Jahre jüngere Julia, die Ver¬
lobte des Servilius Cäpio, zuführte; die Heirath sollte zum Kiele des neuen
Triumvirats dienen! Dock) bereuten diesmal beide Theile die Convenienzheirath
nicht. Des Pompejus zärtliche Neigung wurde bald von der jungen Frau
mit so aufrichtiger Liebe erwiedert, daß die kurze Verbindung -- Julia starb
bereits nach fünf Jahren in Folge einer Entbindung -- noch in späten
Jahren als eine Musterehe gepriesen ward. Welchen Einfluß Julia auf ihren
nur sechs Jahre jüngeren Stiefsohn Sertus ausgeübt hat, wissen wir nicht.
Er wird schon dadurch abgeschwächt worden sein, daß Pompejus mit Julia
die meiste Zeit auf seinen herrlichen Landgütern zubrachte.

Der eigentliche Lehrer der beiden Söhne des Pompejus scheint Cenäus gewesen
zu sein, ein Freigelassener, der seine Anhänglichkeit an das Haus noch nach seines
Herren Tod gegen den Geschichtsschreiber Sallust als Schriftsteller bewährte,
und bis an sein Ende Vorsteher einer Schulanstalt war. Ob ein andrer,
griechischer Gelehrter, der spätere Freund Cicero's Curtius Nicias, sich um die
wissenschaftliche Bildung des Sertus Pompejus verdient gemacht hat, bleibt
ungewiß. Die Scandalchronik Roms meldet nur. daß ihm Pompejus, der
Vater, fein Haus verbot, weil er sich für den Prätor Menenius zum Ueber¬
mittler eines Liebesbriefes an die keusche Tochter Cäsars hergegeben hatte.

Im zweiten Jahre nach dem Verlust der geliebten Julia bekränzte der
nun vierundfunfzigjährige Pompejus sein Haus für die fünfte Gattin. Dies¬
mal war es die junge Wittwe des im Jahre zuvor kurz vor feinem Vater,
dem Triumvir, gegen die Parther gefallenen Crassus. Cornelia, aus dem
glorreichen Hause der Scipionen, zeichnete sich nicht nur durch Schönheit, son¬
dern auch durch eine vielseitige Bildung aus. Pompejus war damals allei¬
niger Consul und stand auf dem Gipfel seiner Macht. Aber schon seit Ju¬
lia's Tod war die Verbindung mit dem ihm an staatsmännischer Befähigung
weit überlegenen Schwiegervater gelockert worden und als es nach zwei Jah-


und sendete ihr den Scheidebrief voraus. Daß Mucia's Betragen ganz be¬
sonderes Aufsehen in Rom erregt hatte, erkennt man aus einem Briefe Ci¬
cero's an seinen Freund Atticus, worin es ganz kurz heißt: „Die Scheidung
von Mucia wird allgemein gebilligt."

Der jüngere Sohn des Pompejus, der den Vornamen Sextus führte,
war damals (62 v. Chr.) 13 Jahre alt und verlor die mütterliche Pflege
und Aufsicht gerade zu einer Zeit, die für seine Entwickelung am entscheidend¬
sten sein mußte. So blieb er denn drei Jahre lang in den Händen der Scla¬
ven und Freigelassenen, die im väterlichen Hause, wie das Beispiel des Juden
Demetrius lehrt, in unverschämter Weise dominirten. Die Welt staunte, als
sein Vater endlich die einzige Tochter des Mannes heirathete, der seine letzte
Ehe in so skandalöser Weise gestört hatte. Und wieder waren es politische
Beweggründe, die ihm die um die Hälfte seiner Jahre jüngere Julia, die Ver¬
lobte des Servilius Cäpio, zuführte; die Heirath sollte zum Kiele des neuen
Triumvirats dienen! Dock) bereuten diesmal beide Theile die Convenienzheirath
nicht. Des Pompejus zärtliche Neigung wurde bald von der jungen Frau
mit so aufrichtiger Liebe erwiedert, daß die kurze Verbindung — Julia starb
bereits nach fünf Jahren in Folge einer Entbindung — noch in späten
Jahren als eine Musterehe gepriesen ward. Welchen Einfluß Julia auf ihren
nur sechs Jahre jüngeren Stiefsohn Sertus ausgeübt hat, wissen wir nicht.
Er wird schon dadurch abgeschwächt worden sein, daß Pompejus mit Julia
die meiste Zeit auf seinen herrlichen Landgütern zubrachte.

Der eigentliche Lehrer der beiden Söhne des Pompejus scheint Cenäus gewesen
zu sein, ein Freigelassener, der seine Anhänglichkeit an das Haus noch nach seines
Herren Tod gegen den Geschichtsschreiber Sallust als Schriftsteller bewährte,
und bis an sein Ende Vorsteher einer Schulanstalt war. Ob ein andrer,
griechischer Gelehrter, der spätere Freund Cicero's Curtius Nicias, sich um die
wissenschaftliche Bildung des Sertus Pompejus verdient gemacht hat, bleibt
ungewiß. Die Scandalchronik Roms meldet nur. daß ihm Pompejus, der
Vater, fein Haus verbot, weil er sich für den Prätor Menenius zum Ueber¬
mittler eines Liebesbriefes an die keusche Tochter Cäsars hergegeben hatte.

Im zweiten Jahre nach dem Verlust der geliebten Julia bekränzte der
nun vierundfunfzigjährige Pompejus sein Haus für die fünfte Gattin. Dies¬
mal war es die junge Wittwe des im Jahre zuvor kurz vor feinem Vater,
dem Triumvir, gegen die Parther gefallenen Crassus. Cornelia, aus dem
glorreichen Hause der Scipionen, zeichnete sich nicht nur durch Schönheit, son¬
dern auch durch eine vielseitige Bildung aus. Pompejus war damals allei¬
niger Consul und stand auf dem Gipfel seiner Macht. Aber schon seit Ju¬
lia's Tod war die Verbindung mit dem ihm an staatsmännischer Befähigung
weit überlegenen Schwiegervater gelockert worden und als es nach zwei Jah-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/10>, abgerufen am 24.07.2024.