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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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In dem Tecklenborg'schen Schriftchen wird für Aufhebung des Prisenrechtes,
des Durchsuchungsrechtes, des Begriffes der Kriegscontrebande und für die Be¬
schränkung der Blokade auf Kriegshafen und Festungen plaidirt. Der dritte unter
den erwähnten Schumacher'schen Aufsätzen begründet die folgenden Forderungen:
"Aufgabe des Prisenrechtes gegen Kauffahrteischiffe und Anerkennung der Un¬
verletzlichkeit des auf See schwimmenden Privateigenthums; Beschränkung des
Blokaderechts auf wirkliche Sperrung der Seeplätze innerhalb der Reviere der
Küstengewässer; Aufhebung des Begriffs "Kriegscontrebande" und Beschrän¬
kung des Visitationsrechtes auf die Befugniß, Kauffahrteischiffe anzuhalten
und zu durchsuchen, welche verdächtig sind, im Dienste des Feindes befind¬
liche Personen an Bord zu haben."

A. Lammers a. a. O. beschränkt sich darauf, die Nothwendigkeit der Be¬
seitigung der Staatskaperei, der Herstellung wirksamer Garantieen dafür, daß
nichteffective Blokaden in der That auch nicht rechtsverbindlich werden und
der gleichmäßigen völkerrechtlichen Legat-Interpretation des Begriffes der
Kriegscontrebande darzuthun.

Es genügt nicht, ein Neformbegehren damit abzuthun, daß man es für
aussichtslos erklärt. Die 300 Bremer Kaufleute, welche im Jahre 1859 den
Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigenthums zur See als Parole aus¬
gaben, hatten geringe Aussichten, diesem Grundsatze die allgemeinste Zustim¬
mung zu verschaffen, und heute wird kaum irgend eine Seemacht der Ein¬
führung dieses Grundsatzes in die Praxis des Seekriegsrechtes mehr wider¬
streben. Aber die in der, übrigens sehr lesenswerthen und von einem aus¬
gezeichneten Sachverständigen in der Technik des Seeverkehrs wie in den
wirthschaftlichen Bedürfnissen des letzteren herrührenden, an zweiter Stelle ge¬
nannten Schrift aufgestellten Forderungen scheinen mir über das Ziel hin¬
auszuschießen, weil sie nicht nur den friedlichen Verkehr während des, Krieges
thunlichst zu begünstigen, sondern auch die Kriegführenden in der Wahl ihrer
Kriegführungsmittel übermäßig einzuschränken trachten. Ja, wenn das-
Völkerrecht auf diesem Wege Kriege verhüten könnte! Aber die Verkürzung
in den Mitteln der Kriegführung verhütet nicht den Ausbruch von Kriegen,
sondern erschwert nur ihre Durchführung, verlangsamt also die Action.

A. Lammers weist überzeugend nach, daß die, auch von Schumacher ge¬
forderte Aufgabe des Begriffes der Kriegscontrebande nur einer Verschärfung
der Kriegführung gleichkommen würde, und daß dem friedlichen Verkehr alle
Genüge geschieht, wenn nur die Bestimmung dieses Begriffes ein für alle
Male fest und nicht in das jeweilige Belieben der Kriegführenden gestellt
wird.

Die von Schumacher geforderte Beschränkung des Durchsuchungsrechtes
würde sich in der Praxis eben doch niemals als eine Beschränkung erweisen;


In dem Tecklenborg'schen Schriftchen wird für Aufhebung des Prisenrechtes,
des Durchsuchungsrechtes, des Begriffes der Kriegscontrebande und für die Be¬
schränkung der Blokade auf Kriegshafen und Festungen plaidirt. Der dritte unter
den erwähnten Schumacher'schen Aufsätzen begründet die folgenden Forderungen:
„Aufgabe des Prisenrechtes gegen Kauffahrteischiffe und Anerkennung der Un¬
verletzlichkeit des auf See schwimmenden Privateigenthums; Beschränkung des
Blokaderechts auf wirkliche Sperrung der Seeplätze innerhalb der Reviere der
Küstengewässer; Aufhebung des Begriffs „Kriegscontrebande" und Beschrän¬
kung des Visitationsrechtes auf die Befugniß, Kauffahrteischiffe anzuhalten
und zu durchsuchen, welche verdächtig sind, im Dienste des Feindes befind¬
liche Personen an Bord zu haben."

A. Lammers a. a. O. beschränkt sich darauf, die Nothwendigkeit der Be¬
seitigung der Staatskaperei, der Herstellung wirksamer Garantieen dafür, daß
nichteffective Blokaden in der That auch nicht rechtsverbindlich werden und
der gleichmäßigen völkerrechtlichen Legat-Interpretation des Begriffes der
Kriegscontrebande darzuthun.

Es genügt nicht, ein Neformbegehren damit abzuthun, daß man es für
aussichtslos erklärt. Die 300 Bremer Kaufleute, welche im Jahre 1859 den
Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigenthums zur See als Parole aus¬
gaben, hatten geringe Aussichten, diesem Grundsatze die allgemeinste Zustim¬
mung zu verschaffen, und heute wird kaum irgend eine Seemacht der Ein¬
führung dieses Grundsatzes in die Praxis des Seekriegsrechtes mehr wider¬
streben. Aber die in der, übrigens sehr lesenswerthen und von einem aus¬
gezeichneten Sachverständigen in der Technik des Seeverkehrs wie in den
wirthschaftlichen Bedürfnissen des letzteren herrührenden, an zweiter Stelle ge¬
nannten Schrift aufgestellten Forderungen scheinen mir über das Ziel hin¬
auszuschießen, weil sie nicht nur den friedlichen Verkehr während des, Krieges
thunlichst zu begünstigen, sondern auch die Kriegführenden in der Wahl ihrer
Kriegführungsmittel übermäßig einzuschränken trachten. Ja, wenn das-
Völkerrecht auf diesem Wege Kriege verhüten könnte! Aber die Verkürzung
in den Mitteln der Kriegführung verhütet nicht den Ausbruch von Kriegen,
sondern erschwert nur ihre Durchführung, verlangsamt also die Action.

A. Lammers weist überzeugend nach, daß die, auch von Schumacher ge¬
forderte Aufgabe des Begriffes der Kriegscontrebande nur einer Verschärfung
der Kriegführung gleichkommen würde, und daß dem friedlichen Verkehr alle
Genüge geschieht, wenn nur die Bestimmung dieses Begriffes ein für alle
Male fest und nicht in das jeweilige Belieben der Kriegführenden gestellt
wird.

Die von Schumacher geforderte Beschränkung des Durchsuchungsrechtes
würde sich in der Praxis eben doch niemals als eine Beschränkung erweisen;


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[0067] In dem Tecklenborg'schen Schriftchen wird für Aufhebung des Prisenrechtes, des Durchsuchungsrechtes, des Begriffes der Kriegscontrebande und für die Be¬ schränkung der Blokade auf Kriegshafen und Festungen plaidirt. Der dritte unter den erwähnten Schumacher'schen Aufsätzen begründet die folgenden Forderungen: „Aufgabe des Prisenrechtes gegen Kauffahrteischiffe und Anerkennung der Un¬ verletzlichkeit des auf See schwimmenden Privateigenthums; Beschränkung des Blokaderechts auf wirkliche Sperrung der Seeplätze innerhalb der Reviere der Küstengewässer; Aufhebung des Begriffs „Kriegscontrebande" und Beschrän¬ kung des Visitationsrechtes auf die Befugniß, Kauffahrteischiffe anzuhalten und zu durchsuchen, welche verdächtig sind, im Dienste des Feindes befind¬ liche Personen an Bord zu haben." A. Lammers a. a. O. beschränkt sich darauf, die Nothwendigkeit der Be¬ seitigung der Staatskaperei, der Herstellung wirksamer Garantieen dafür, daß nichteffective Blokaden in der That auch nicht rechtsverbindlich werden und der gleichmäßigen völkerrechtlichen Legat-Interpretation des Begriffes der Kriegscontrebande darzuthun. Es genügt nicht, ein Neformbegehren damit abzuthun, daß man es für aussichtslos erklärt. Die 300 Bremer Kaufleute, welche im Jahre 1859 den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigenthums zur See als Parole aus¬ gaben, hatten geringe Aussichten, diesem Grundsatze die allgemeinste Zustim¬ mung zu verschaffen, und heute wird kaum irgend eine Seemacht der Ein¬ führung dieses Grundsatzes in die Praxis des Seekriegsrechtes mehr wider¬ streben. Aber die in der, übrigens sehr lesenswerthen und von einem aus¬ gezeichneten Sachverständigen in der Technik des Seeverkehrs wie in den wirthschaftlichen Bedürfnissen des letzteren herrührenden, an zweiter Stelle ge¬ nannten Schrift aufgestellten Forderungen scheinen mir über das Ziel hin¬ auszuschießen, weil sie nicht nur den friedlichen Verkehr während des, Krieges thunlichst zu begünstigen, sondern auch die Kriegführenden in der Wahl ihrer Kriegführungsmittel übermäßig einzuschränken trachten. Ja, wenn das- Völkerrecht auf diesem Wege Kriege verhüten könnte! Aber die Verkürzung in den Mitteln der Kriegführung verhütet nicht den Ausbruch von Kriegen, sondern erschwert nur ihre Durchführung, verlangsamt also die Action. A. Lammers weist überzeugend nach, daß die, auch von Schumacher ge¬ forderte Aufgabe des Begriffes der Kriegscontrebande nur einer Verschärfung der Kriegführung gleichkommen würde, und daß dem friedlichen Verkehr alle Genüge geschieht, wenn nur die Bestimmung dieses Begriffes ein für alle Male fest und nicht in das jeweilige Belieben der Kriegführenden gestellt wird. Die von Schumacher geforderte Beschränkung des Durchsuchungsrechtes würde sich in der Praxis eben doch niemals als eine Beschränkung erweisen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/67>, abgerufen am 28.12.2024.