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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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burger Thor, von welchem die Siegesgöttin herunterblickt bis zum Denkmale
Friedrichs d. Gr. In Anbetracht der Erweiterung des Reichs und der allzu¬
hoch steigenden Preise der Fenster unter den Linden war aber diesmal die
Einzugsstraße bis zum Halle'schen Thore, den riesigen Bogen der Königgrätzer
Straße entlang,, ausgedehnt worden und auf diese Weise war zwischen Nach¬
frage und Angebot ein so erträgliches Gleichgewicht hergestellt worden, daß
man zuletzt -- d. h. noch vor dem Einzuge -- auch ein Tribünenbillet für
7V2 Silbergroschen erstehen konnte. Ob unter den Haussiers eine Katastrophe
ausgebrochen ist, weiß ich nicht, wenn es aber geschieht, so werden die, welche
das Volk glücklich behütet haben, sich in Prämienanleihen zu ruiniren, einen
neuen Gegenstand ihrer Vorsorge gefunden haben. Wenn indessen die Mehr¬
zahl der Tribünen auf Spekulation gebaut wurde, so kann man doch den
Vorwurf der Eigennützigkeit Berlin bei dieser Gelegenheit nicht machen. Die
Stadt hat 110,000 Thaler zur Herstellung der via tnumpdalis und zur Illu¬
mination bewilligt, welche letztere 13000 Thaler kosten wird. Der Rest aber
reicht kaum zu, um Holz und Gips und Leinwand zu beschaffen, diese drei
Stoffe, aus welchen die Wunder hervorgezaubert sind, welche den Weg der
einziehenden Armee schmückten. Das Beste aber thaten die Künstler, welche
sich mit leidenschaftlicher Hingebung in ihre Arbeiten stürzten. So wurden
in zehn Tagen von verschiedenen Künstlern die fünf riesigen Bilder gemalt,
welche an den Straßen querdurchschm'dem der Linden von einer Baumreihe zur
andern ausgespannt sind, die Statuen auf dem Platz vor dem ehemaligen Potsdamer
Thor, auf dem Platz vor dem Halleschen Thor und hinter dem Schloß sind in nicht
längerer Zeit entstanden und die letzte Statue, Germania mit ihren wiedergefunde¬
nen Töchtern Elsaß und Lothringen, hat am Fußgestell die Reliefs Siemerings von
einem Reichthum und einer Sauberkeit der Ausführung, daß sie auf ein dauernderes
Bildwerk sofort übergetragen werden könnten. Alles aber übertrifft die Ausschmück¬
ung der Akademie, deren Vorderfront in eine historische Gemäldegalerie verwandelt
ist: die Bilder der Heerführer (die Kronprinzen von Preußen und Sachsen,
Moltke und der Großherzog von Mecklenburg sogar in voller, überlebensgroßer
Figur) sind von Künstlern wie Adolf Menzel, Gustav Richter u. A. gemalt.
Auch die Privatleute hatten ihr Bestes gethan, wenngleich diese Decorationen
keinen Anspruch auf künstlerischen Werth machen konnten. Mit preußischer
Pünktlichkeit war seit früh Alles fertig und die Lindenpromenade vom
Brandenburger Thor bis zum Palais des Königs war so sauber, wie eine
blankgefegte Tenne. Den schönsten Anblick aber gewährte der Pariser Platz.
Westlich ist das Thor, östlich war am Eingang der Lindenpromenade ein
rother Baldachin aufgestellt, unter welchem die Communalbehörden den Kaiser
empfingen, die Süd- und Nordseite aber war von den Tribünen eingenommen
und hinter diesen war jedes Fenster, jedes Dach besetzt. Der Kaiser hatte


burger Thor, von welchem die Siegesgöttin herunterblickt bis zum Denkmale
Friedrichs d. Gr. In Anbetracht der Erweiterung des Reichs und der allzu¬
hoch steigenden Preise der Fenster unter den Linden war aber diesmal die
Einzugsstraße bis zum Halle'schen Thore, den riesigen Bogen der Königgrätzer
Straße entlang,, ausgedehnt worden und auf diese Weise war zwischen Nach¬
frage und Angebot ein so erträgliches Gleichgewicht hergestellt worden, daß
man zuletzt — d. h. noch vor dem Einzuge — auch ein Tribünenbillet für
7V2 Silbergroschen erstehen konnte. Ob unter den Haussiers eine Katastrophe
ausgebrochen ist, weiß ich nicht, wenn es aber geschieht, so werden die, welche
das Volk glücklich behütet haben, sich in Prämienanleihen zu ruiniren, einen
neuen Gegenstand ihrer Vorsorge gefunden haben. Wenn indessen die Mehr¬
zahl der Tribünen auf Spekulation gebaut wurde, so kann man doch den
Vorwurf der Eigennützigkeit Berlin bei dieser Gelegenheit nicht machen. Die
Stadt hat 110,000 Thaler zur Herstellung der via tnumpdalis und zur Illu¬
mination bewilligt, welche letztere 13000 Thaler kosten wird. Der Rest aber
reicht kaum zu, um Holz und Gips und Leinwand zu beschaffen, diese drei
Stoffe, aus welchen die Wunder hervorgezaubert sind, welche den Weg der
einziehenden Armee schmückten. Das Beste aber thaten die Künstler, welche
sich mit leidenschaftlicher Hingebung in ihre Arbeiten stürzten. So wurden
in zehn Tagen von verschiedenen Künstlern die fünf riesigen Bilder gemalt,
welche an den Straßen querdurchschm'dem der Linden von einer Baumreihe zur
andern ausgespannt sind, die Statuen auf dem Platz vor dem ehemaligen Potsdamer
Thor, auf dem Platz vor dem Halleschen Thor und hinter dem Schloß sind in nicht
längerer Zeit entstanden und die letzte Statue, Germania mit ihren wiedergefunde¬
nen Töchtern Elsaß und Lothringen, hat am Fußgestell die Reliefs Siemerings von
einem Reichthum und einer Sauberkeit der Ausführung, daß sie auf ein dauernderes
Bildwerk sofort übergetragen werden könnten. Alles aber übertrifft die Ausschmück¬
ung der Akademie, deren Vorderfront in eine historische Gemäldegalerie verwandelt
ist: die Bilder der Heerführer (die Kronprinzen von Preußen und Sachsen,
Moltke und der Großherzog von Mecklenburg sogar in voller, überlebensgroßer
Figur) sind von Künstlern wie Adolf Menzel, Gustav Richter u. A. gemalt.
Auch die Privatleute hatten ihr Bestes gethan, wenngleich diese Decorationen
keinen Anspruch auf künstlerischen Werth machen konnten. Mit preußischer
Pünktlichkeit war seit früh Alles fertig und die Lindenpromenade vom
Brandenburger Thor bis zum Palais des Königs war so sauber, wie eine
blankgefegte Tenne. Den schönsten Anblick aber gewährte der Pariser Platz.
Westlich ist das Thor, östlich war am Eingang der Lindenpromenade ein
rother Baldachin aufgestellt, unter welchem die Communalbehörden den Kaiser
empfingen, die Süd- und Nordseite aber war von den Tribünen eingenommen
und hinter diesen war jedes Fenster, jedes Dach besetzt. Der Kaiser hatte


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[0520] burger Thor, von welchem die Siegesgöttin herunterblickt bis zum Denkmale Friedrichs d. Gr. In Anbetracht der Erweiterung des Reichs und der allzu¬ hoch steigenden Preise der Fenster unter den Linden war aber diesmal die Einzugsstraße bis zum Halle'schen Thore, den riesigen Bogen der Königgrätzer Straße entlang,, ausgedehnt worden und auf diese Weise war zwischen Nach¬ frage und Angebot ein so erträgliches Gleichgewicht hergestellt worden, daß man zuletzt — d. h. noch vor dem Einzuge — auch ein Tribünenbillet für 7V2 Silbergroschen erstehen konnte. Ob unter den Haussiers eine Katastrophe ausgebrochen ist, weiß ich nicht, wenn es aber geschieht, so werden die, welche das Volk glücklich behütet haben, sich in Prämienanleihen zu ruiniren, einen neuen Gegenstand ihrer Vorsorge gefunden haben. Wenn indessen die Mehr¬ zahl der Tribünen auf Spekulation gebaut wurde, so kann man doch den Vorwurf der Eigennützigkeit Berlin bei dieser Gelegenheit nicht machen. Die Stadt hat 110,000 Thaler zur Herstellung der via tnumpdalis und zur Illu¬ mination bewilligt, welche letztere 13000 Thaler kosten wird. Der Rest aber reicht kaum zu, um Holz und Gips und Leinwand zu beschaffen, diese drei Stoffe, aus welchen die Wunder hervorgezaubert sind, welche den Weg der einziehenden Armee schmückten. Das Beste aber thaten die Künstler, welche sich mit leidenschaftlicher Hingebung in ihre Arbeiten stürzten. So wurden in zehn Tagen von verschiedenen Künstlern die fünf riesigen Bilder gemalt, welche an den Straßen querdurchschm'dem der Linden von einer Baumreihe zur andern ausgespannt sind, die Statuen auf dem Platz vor dem ehemaligen Potsdamer Thor, auf dem Platz vor dem Halleschen Thor und hinter dem Schloß sind in nicht längerer Zeit entstanden und die letzte Statue, Germania mit ihren wiedergefunde¬ nen Töchtern Elsaß und Lothringen, hat am Fußgestell die Reliefs Siemerings von einem Reichthum und einer Sauberkeit der Ausführung, daß sie auf ein dauernderes Bildwerk sofort übergetragen werden könnten. Alles aber übertrifft die Ausschmück¬ ung der Akademie, deren Vorderfront in eine historische Gemäldegalerie verwandelt ist: die Bilder der Heerführer (die Kronprinzen von Preußen und Sachsen, Moltke und der Großherzog von Mecklenburg sogar in voller, überlebensgroßer Figur) sind von Künstlern wie Adolf Menzel, Gustav Richter u. A. gemalt. Auch die Privatleute hatten ihr Bestes gethan, wenngleich diese Decorationen keinen Anspruch auf künstlerischen Werth machen konnten. Mit preußischer Pünktlichkeit war seit früh Alles fertig und die Lindenpromenade vom Brandenburger Thor bis zum Palais des Königs war so sauber, wie eine blankgefegte Tenne. Den schönsten Anblick aber gewährte der Pariser Platz. Westlich ist das Thor, östlich war am Eingang der Lindenpromenade ein rother Baldachin aufgestellt, unter welchem die Communalbehörden den Kaiser empfingen, die Süd- und Nordseite aber war von den Tribünen eingenommen und hinter diesen war jedes Fenster, jedes Dach besetzt. Der Kaiser hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/520>, abgerufen am 28.12.2024.