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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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zonen und ihre Bundesgenossen, vielleicht die Karer und Leleger, vor den
Thoren der Stadt Ephesus dargestellt ist. Klügmann, der die Darstellung
als einen Kampf des Bacchus gegen die Jndier erklären möchte, sucht nach¬
zuweisen, daß der Künstler ein Sarkophagrelief des Louvre in den Motiven
benutzt, die Verwandlung der dortigen Amazonen in Jndier aber bei einer
der ersteren vergessen habe. Aber da die beiden Reiterfiguren auf
unserm Sarkophag die einzigen Motive sind, die sich aus dem des Louvre
(als Amazonen) wiederfinden, so dient Klügmann's Hinweis nur dazu,
mich davon zu überzeugen, daß auch die zweite Reiterfigur auf dem
Sarkophag von Cortona eine Amazone sei. obschon sie dem Beschauer den
Rücken zuwendet, man also ihre Büste nicht sieht. -- Statt sich aber immer
so übermäßig den Kopf zu zerbrechen über die mythologische Deutung der
antiken Sculpturen und Reliefs, thäte es wahrlich Noth, daß die Archäologen
einmal auf die Stilgeschichte der Antike eintreten würden, für welche,
trotz eines Berges archäologischer Werke, noch so wenig gethan ist. Oder
wo findet sich eine Arbeit, worin in stilistischer Beziehung das Verhältniß
der etruskischen und griechischen Reliefs zum römischen Sarkophagrelief aus¬
einandergesetzt wäre? Und diese Frage drängt sich Einem gerade hier vor
diesem Relief so lebhaft auf, welches im Gegenstand, sowie in der ganz vor¬
züglichen Behandlung des Nackten, und in natürlichem Adel des Stils so
entschieden auf griechische Kunst hinweist, in ändern Dingen aber, wie in
der dichten Ausfüllung der Relieffläche, sowie in den Darstellungen des Deckels
auf etruskische und römische Kunst und Sitten hindeutet. Der Deckel näm¬
lich, von zwei tragischen Masken flankirt, zeigt links und rechts in Relief
gefesselte Krieger und trauernde Frauen, mit Trophäen dazwischen; in der
Mitte sieht man zwei Victorien ein Medaillon mit der Büste des als Bacchant
geschmückten Verstorbenen halten. -- Was endlich den Einfluß betrifft, den
dieses Relief aus Donatello's Kunst haben mochte, so kann man manches
Motiv dieses Sarkophages bei ihm wiederfinden. So finden sich die Masken
bei ihm, so an den Kanzeln von S. Lorenzo die Kentauren, so die me¬
daillonhaltenden Victorien, allerdings bei ihm als Engel und meist nackt, so
endlich die in Trauer versunkenen, kauernden Frauen. Diese letztern, sowie
die medaillonhaltenden Engel oder Jsullen, findet man andrerseits aber
auch schon bei toskanischen Künstlern Jahrhunderte vor Donatello, so an
der Kanzel des Fra Guglielmo in 8. (Giovanni kuori eiviiÄ in Postoja vom
Jahre 1270, so an dem Grabe des Bischofs Guido Tarlati in Arezzo, wovon
ich im letzten Briefe sprach, so noch an vielen andern Orten. Es bestätigt
sich auch hier, was ich schon im letzten Briefe sagte, daß die Renaissance, an
das Antike in der Tradition anknüpfend, zur Antike selbst zurückkehrte.

Dicht neben dem Sarkophag befindet sich ein feines Marmorciborium


zonen und ihre Bundesgenossen, vielleicht die Karer und Leleger, vor den
Thoren der Stadt Ephesus dargestellt ist. Klügmann, der die Darstellung
als einen Kampf des Bacchus gegen die Jndier erklären möchte, sucht nach¬
zuweisen, daß der Künstler ein Sarkophagrelief des Louvre in den Motiven
benutzt, die Verwandlung der dortigen Amazonen in Jndier aber bei einer
der ersteren vergessen habe. Aber da die beiden Reiterfiguren auf
unserm Sarkophag die einzigen Motive sind, die sich aus dem des Louvre
(als Amazonen) wiederfinden, so dient Klügmann's Hinweis nur dazu,
mich davon zu überzeugen, daß auch die zweite Reiterfigur auf dem
Sarkophag von Cortona eine Amazone sei. obschon sie dem Beschauer den
Rücken zuwendet, man also ihre Büste nicht sieht. — Statt sich aber immer
so übermäßig den Kopf zu zerbrechen über die mythologische Deutung der
antiken Sculpturen und Reliefs, thäte es wahrlich Noth, daß die Archäologen
einmal auf die Stilgeschichte der Antike eintreten würden, für welche,
trotz eines Berges archäologischer Werke, noch so wenig gethan ist. Oder
wo findet sich eine Arbeit, worin in stilistischer Beziehung das Verhältniß
der etruskischen und griechischen Reliefs zum römischen Sarkophagrelief aus¬
einandergesetzt wäre? Und diese Frage drängt sich Einem gerade hier vor
diesem Relief so lebhaft auf, welches im Gegenstand, sowie in der ganz vor¬
züglichen Behandlung des Nackten, und in natürlichem Adel des Stils so
entschieden auf griechische Kunst hinweist, in ändern Dingen aber, wie in
der dichten Ausfüllung der Relieffläche, sowie in den Darstellungen des Deckels
auf etruskische und römische Kunst und Sitten hindeutet. Der Deckel näm¬
lich, von zwei tragischen Masken flankirt, zeigt links und rechts in Relief
gefesselte Krieger und trauernde Frauen, mit Trophäen dazwischen; in der
Mitte sieht man zwei Victorien ein Medaillon mit der Büste des als Bacchant
geschmückten Verstorbenen halten. — Was endlich den Einfluß betrifft, den
dieses Relief aus Donatello's Kunst haben mochte, so kann man manches
Motiv dieses Sarkophages bei ihm wiederfinden. So finden sich die Masken
bei ihm, so an den Kanzeln von S. Lorenzo die Kentauren, so die me¬
daillonhaltenden Victorien, allerdings bei ihm als Engel und meist nackt, so
endlich die in Trauer versunkenen, kauernden Frauen. Diese letztern, sowie
die medaillonhaltenden Engel oder Jsullen, findet man andrerseits aber
auch schon bei toskanischen Künstlern Jahrhunderte vor Donatello, so an
der Kanzel des Fra Guglielmo in 8. (Giovanni kuori eiviiÄ in Postoja vom
Jahre 1270, so an dem Grabe des Bischofs Guido Tarlati in Arezzo, wovon
ich im letzten Briefe sprach, so noch an vielen andern Orten. Es bestätigt
sich auch hier, was ich schon im letzten Briefe sagte, daß die Renaissance, an
das Antike in der Tradition anknüpfend, zur Antike selbst zurückkehrte.

Dicht neben dem Sarkophag befindet sich ein feines Marmorciborium


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/515>, abgerufen am 01.01.2025.