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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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baren Schutze des niederländischen Gouvernements, welches seine Etablissements
an der Küste hat. Um diese aber zu verlegen, oder im Innern Stationen
zu errichten, dazu wären größere Mittel nöthig, und daß man diese nicht gern
zu Gunsten theilweise mißlungener und sehr zweifelhafter Versuche bewilligte,
ist erklärlich. Jedes Jahr kamen bei Berathung des Budgets die Unterhal¬
tungskosten der Colonie zur Sprache; sie waren schon auf ein Minimum re-
ducirt, für den Staat im Ganzen genommen eben nicht sehr erheblich, aber
unangenehm, weil gewissermaßen zwecklos. So blieb die Sache lange, wie sie
war, bis vor einigen Jahren ein Gebietsaustausch mit England stattfand,
wodurch die getrennten Theile der Besitzung zu einem Ganzen abgerundet
wurden. Die Bewohner des eingetauschten Gebiets wollten indessen die hol¬
ländische Oberhoheit nicht anerkennen und die Niederländer sahen sich zweimal
genöthigt, eine Erpedition gegen dieselben, die Commendesen, zu unternehmen,
ohne.daß dadurch das Verhältniß verbessert wurde. Solche Expeditionen sind
die Schattenseiten des Colonialbesitzes. Genau betrachtet sind sie nichts
Anderes als Verheerungszüge, die unserer Humanität und Civilisation Schande
machen. Zwar wird behauptet, daß man wilden Völkerstämmen gegenüber
nicht anders handeln könne, und alle Colonialmächte handeln auch in gleicher
Weise; aber wenn das wirklich der Fall ist, dann entsteht die Frage, ob ein
Besitzthum, das solchermaßen vertheidigt werden muß, nicht besser preisge¬
geben wird. Nach der letzten Expedition wurden die Angelegenheiten der
"Küste", wie man Se. George d'Elmina kurzweg nannte, häufiger zur Sprache
gebracht, sowohl im Publicum als in der Presse. Man sah ein, daß diese
Besetzung eigentlich keinen Zweck, keinen Nutzen habe. Für Holland kam im
Gegentheil ein Schaden heraus, nicht allein an Geld, sondern auch an
Menschenleben, die dem ungesunden Klima zum Opfer fielen. Nur die Neger¬
bevölkerung genoß den Vortheil, daß sie durch die holländische Regierung
gegen ihre Feinde beschützt wurde. Ohne diesen Schutz würden sie an den
endlosen Fehden der inländischen Stämme haben theilnehmen müssen, und
das geringe Maß der Civilisation, das ihnen unter europäischer Herrschaft
wurde, wäre alsbald verschwunden. Die Elminesen sind treue Unterthanen,
die, wie es heißt, sogar den König fragen ließen, wie viel Geld sie ihm
zahlen sollten, wenn sie unter seinem Scepter bleiben dürften. Es lag also
eine moralische Verpflichtung vor, im Namen der Civilisation das bestehende
Gute zu erhalten. Dem stand nun wieder die feindselige Stimmung der
Commendesen entgegen, die nur durch blutige Kämpfe nieder zu halten waren,
so daß sich wohl fragte, ob die Gegenwart der Holländer an der Küste einen
günstigen moralischen Einfluß auf die Neger ausübe, zumal bei den ungün¬
stigen finanziellen Resultaten der Besitzung für die sittliche Entwickelung der¬
selben, die immer wieder größere Geldopfer erfordert hätte, keine Aussicht war.


baren Schutze des niederländischen Gouvernements, welches seine Etablissements
an der Küste hat. Um diese aber zu verlegen, oder im Innern Stationen
zu errichten, dazu wären größere Mittel nöthig, und daß man diese nicht gern
zu Gunsten theilweise mißlungener und sehr zweifelhafter Versuche bewilligte,
ist erklärlich. Jedes Jahr kamen bei Berathung des Budgets die Unterhal¬
tungskosten der Colonie zur Sprache; sie waren schon auf ein Minimum re-
ducirt, für den Staat im Ganzen genommen eben nicht sehr erheblich, aber
unangenehm, weil gewissermaßen zwecklos. So blieb die Sache lange, wie sie
war, bis vor einigen Jahren ein Gebietsaustausch mit England stattfand,
wodurch die getrennten Theile der Besitzung zu einem Ganzen abgerundet
wurden. Die Bewohner des eingetauschten Gebiets wollten indessen die hol¬
ländische Oberhoheit nicht anerkennen und die Niederländer sahen sich zweimal
genöthigt, eine Erpedition gegen dieselben, die Commendesen, zu unternehmen,
ohne.daß dadurch das Verhältniß verbessert wurde. Solche Expeditionen sind
die Schattenseiten des Colonialbesitzes. Genau betrachtet sind sie nichts
Anderes als Verheerungszüge, die unserer Humanität und Civilisation Schande
machen. Zwar wird behauptet, daß man wilden Völkerstämmen gegenüber
nicht anders handeln könne, und alle Colonialmächte handeln auch in gleicher
Weise; aber wenn das wirklich der Fall ist, dann entsteht die Frage, ob ein
Besitzthum, das solchermaßen vertheidigt werden muß, nicht besser preisge¬
geben wird. Nach der letzten Expedition wurden die Angelegenheiten der
„Küste", wie man Se. George d'Elmina kurzweg nannte, häufiger zur Sprache
gebracht, sowohl im Publicum als in der Presse. Man sah ein, daß diese
Besetzung eigentlich keinen Zweck, keinen Nutzen habe. Für Holland kam im
Gegentheil ein Schaden heraus, nicht allein an Geld, sondern auch an
Menschenleben, die dem ungesunden Klima zum Opfer fielen. Nur die Neger¬
bevölkerung genoß den Vortheil, daß sie durch die holländische Regierung
gegen ihre Feinde beschützt wurde. Ohne diesen Schutz würden sie an den
endlosen Fehden der inländischen Stämme haben theilnehmen müssen, und
das geringe Maß der Civilisation, das ihnen unter europäischer Herrschaft
wurde, wäre alsbald verschwunden. Die Elminesen sind treue Unterthanen,
die, wie es heißt, sogar den König fragen ließen, wie viel Geld sie ihm
zahlen sollten, wenn sie unter seinem Scepter bleiben dürften. Es lag also
eine moralische Verpflichtung vor, im Namen der Civilisation das bestehende
Gute zu erhalten. Dem stand nun wieder die feindselige Stimmung der
Commendesen entgegen, die nur durch blutige Kämpfe nieder zu halten waren,
so daß sich wohl fragte, ob die Gegenwart der Holländer an der Küste einen
günstigen moralischen Einfluß auf die Neger ausübe, zumal bei den ungün¬
stigen finanziellen Resultaten der Besitzung für die sittliche Entwickelung der¬
selben, die immer wieder größere Geldopfer erfordert hätte, keine Aussicht war.


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[0506] baren Schutze des niederländischen Gouvernements, welches seine Etablissements an der Küste hat. Um diese aber zu verlegen, oder im Innern Stationen zu errichten, dazu wären größere Mittel nöthig, und daß man diese nicht gern zu Gunsten theilweise mißlungener und sehr zweifelhafter Versuche bewilligte, ist erklärlich. Jedes Jahr kamen bei Berathung des Budgets die Unterhal¬ tungskosten der Colonie zur Sprache; sie waren schon auf ein Minimum re- ducirt, für den Staat im Ganzen genommen eben nicht sehr erheblich, aber unangenehm, weil gewissermaßen zwecklos. So blieb die Sache lange, wie sie war, bis vor einigen Jahren ein Gebietsaustausch mit England stattfand, wodurch die getrennten Theile der Besitzung zu einem Ganzen abgerundet wurden. Die Bewohner des eingetauschten Gebiets wollten indessen die hol¬ ländische Oberhoheit nicht anerkennen und die Niederländer sahen sich zweimal genöthigt, eine Erpedition gegen dieselben, die Commendesen, zu unternehmen, ohne.daß dadurch das Verhältniß verbessert wurde. Solche Expeditionen sind die Schattenseiten des Colonialbesitzes. Genau betrachtet sind sie nichts Anderes als Verheerungszüge, die unserer Humanität und Civilisation Schande machen. Zwar wird behauptet, daß man wilden Völkerstämmen gegenüber nicht anders handeln könne, und alle Colonialmächte handeln auch in gleicher Weise; aber wenn das wirklich der Fall ist, dann entsteht die Frage, ob ein Besitzthum, das solchermaßen vertheidigt werden muß, nicht besser preisge¬ geben wird. Nach der letzten Expedition wurden die Angelegenheiten der „Küste", wie man Se. George d'Elmina kurzweg nannte, häufiger zur Sprache gebracht, sowohl im Publicum als in der Presse. Man sah ein, daß diese Besetzung eigentlich keinen Zweck, keinen Nutzen habe. Für Holland kam im Gegentheil ein Schaden heraus, nicht allein an Geld, sondern auch an Menschenleben, die dem ungesunden Klima zum Opfer fielen. Nur die Neger¬ bevölkerung genoß den Vortheil, daß sie durch die holländische Regierung gegen ihre Feinde beschützt wurde. Ohne diesen Schutz würden sie an den endlosen Fehden der inländischen Stämme haben theilnehmen müssen, und das geringe Maß der Civilisation, das ihnen unter europäischer Herrschaft wurde, wäre alsbald verschwunden. Die Elminesen sind treue Unterthanen, die, wie es heißt, sogar den König fragen ließen, wie viel Geld sie ihm zahlen sollten, wenn sie unter seinem Scepter bleiben dürften. Es lag also eine moralische Verpflichtung vor, im Namen der Civilisation das bestehende Gute zu erhalten. Dem stand nun wieder die feindselige Stimmung der Commendesen entgegen, die nur durch blutige Kämpfe nieder zu halten waren, so daß sich wohl fragte, ob die Gegenwart der Holländer an der Küste einen günstigen moralischen Einfluß auf die Neger ausübe, zumal bei den ungün¬ stigen finanziellen Resultaten der Besitzung für die sittliche Entwickelung der¬ selben, die immer wieder größere Geldopfer erfordert hätte, keine Aussicht war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/506>, abgerufen am 28.12.2024.