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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Graf Hohenwart will der stolze Gründer werden eines slavischen Oest¬
reichs. Ein Reich der Czechen, Polen und Slovenen ist sein Ideal, und
die Krone davon der Absolutismus. Der unwissende Klerus und Adel und
die Heloten der hörigen Menge sind, insoferne es sie betrifft, eines Besseren
auch nicht werth; die Deutschen aber, die sich nicht beugen wollen, müssen
gehorchen. Bildung und Wissenschaft, Recht und Freiheit sind Dinge, mit
denen ein solcher Staatsmann nicht zu regieren weiß, er kennt nur die Künste,
die man in Jesuitenschulen lernt, und den Schliff, der in sogenannten höhe¬
ren Kreisen genehm ist. Der Deutsche wird also unter der Verwaltung des
edlen Grafen nur die misers, eontribuens plsds sein; die Knechtung der Presse
und ein schwarzes Cabinet besorgen das Weitere. Der Hof ist schon jetzt
ungeduldig über die lange Zögerung, er möchte die neue Verfassung für Cis-
leithanien wie "mit einem Zauberschlage" fix und fertig sehen, wogegen Gras
Hohenwart mit feiner Ironie bemerkt, es sei ihm der verfassungsmäßige Weg
vorgezeichnet. Vorerst also die Wahlreform für die, Landtage, die Auflösung
des gegenwärtigen und Wahl eines neuen Reichsraths, schließlich die Ein¬
führung der treuen Czechen in die Reichsvertretung, wobei ihren nationalen
Blättern gestattet ist, sie nur als eine außerordentliche dive anzusehen.
Stecken sie einmal glücklich in der Falle, so gibt es nur noch ein Entweder-
Oder. Entweder man debattirt schlechtweg mit entsprechender Stimmenmehr¬
heit die Abschaffung der jetzigen Verfassung, oder die Regierung wird zu die¬
sem Schritte -- selbstverständlich wider Willen -- durch die Macht der Er¬
eignisse gezwungen. Ganz derselbe Vorgang wie im Jahre 1851, nur mit
etwas mehr Förmlichkeiten.

So wäre denn klüglich alles in's Reine gebracht, freilich vorerst nur in
der Mappe unseres eminenten Polizeichefs, der die Blasen seines Schaum¬
weins einer auserlesenen Gesellschaft credenzt; wird dann zum allgemeinen
Tanz geblasen, so dürften doch noch die bösen Deutschen dazwischen fahren
und zur Ernüchterung helfen. Sie werden sich erinnern, daß ihre acht Mil¬
lionen auch eine Nation vorstellen, und zwar nicht die am mindesten berech¬
tigte in Oestreich, und werden trotz aller Wahlreformen sich statt einiger ihrer
bisherigen Vertreter verläßlichere suchen. Die Zeit der Ernte wird kommen,
wo man die Früchte des jetzt gesäeten Sturmes einheimst und der dunkeln
Schar, die nur the Verfassung vernichten will, ein Solferino oder Sadowo
bereiten wird. Dagegen schützen nicht jesuitische Brüderschaften und feierliche
Processionen, Botschaften an den Papst und Encykliken; am Ende fallen
auch dem Einfältigsten die Schuppen vom Auge. Dessen darf sich Graf Hohen¬
wart und jene, die hinter ihm stehen, versichert halten, daß es immer Heller


Graf Hohenwart will der stolze Gründer werden eines slavischen Oest¬
reichs. Ein Reich der Czechen, Polen und Slovenen ist sein Ideal, und
die Krone davon der Absolutismus. Der unwissende Klerus und Adel und
die Heloten der hörigen Menge sind, insoferne es sie betrifft, eines Besseren
auch nicht werth; die Deutschen aber, die sich nicht beugen wollen, müssen
gehorchen. Bildung und Wissenschaft, Recht und Freiheit sind Dinge, mit
denen ein solcher Staatsmann nicht zu regieren weiß, er kennt nur die Künste,
die man in Jesuitenschulen lernt, und den Schliff, der in sogenannten höhe¬
ren Kreisen genehm ist. Der Deutsche wird also unter der Verwaltung des
edlen Grafen nur die misers, eontribuens plsds sein; die Knechtung der Presse
und ein schwarzes Cabinet besorgen das Weitere. Der Hof ist schon jetzt
ungeduldig über die lange Zögerung, er möchte die neue Verfassung für Cis-
leithanien wie „mit einem Zauberschlage" fix und fertig sehen, wogegen Gras
Hohenwart mit feiner Ironie bemerkt, es sei ihm der verfassungsmäßige Weg
vorgezeichnet. Vorerst also die Wahlreform für die, Landtage, die Auflösung
des gegenwärtigen und Wahl eines neuen Reichsraths, schließlich die Ein¬
führung der treuen Czechen in die Reichsvertretung, wobei ihren nationalen
Blättern gestattet ist, sie nur als eine außerordentliche dive anzusehen.
Stecken sie einmal glücklich in der Falle, so gibt es nur noch ein Entweder-
Oder. Entweder man debattirt schlechtweg mit entsprechender Stimmenmehr¬
heit die Abschaffung der jetzigen Verfassung, oder die Regierung wird zu die¬
sem Schritte — selbstverständlich wider Willen — durch die Macht der Er¬
eignisse gezwungen. Ganz derselbe Vorgang wie im Jahre 1851, nur mit
etwas mehr Förmlichkeiten.

So wäre denn klüglich alles in's Reine gebracht, freilich vorerst nur in
der Mappe unseres eminenten Polizeichefs, der die Blasen seines Schaum¬
weins einer auserlesenen Gesellschaft credenzt; wird dann zum allgemeinen
Tanz geblasen, so dürften doch noch die bösen Deutschen dazwischen fahren
und zur Ernüchterung helfen. Sie werden sich erinnern, daß ihre acht Mil¬
lionen auch eine Nation vorstellen, und zwar nicht die am mindesten berech¬
tigte in Oestreich, und werden trotz aller Wahlreformen sich statt einiger ihrer
bisherigen Vertreter verläßlichere suchen. Die Zeit der Ernte wird kommen,
wo man die Früchte des jetzt gesäeten Sturmes einheimst und der dunkeln
Schar, die nur the Verfassung vernichten will, ein Solferino oder Sadowo
bereiten wird. Dagegen schützen nicht jesuitische Brüderschaften und feierliche
Processionen, Botschaften an den Papst und Encykliken; am Ende fallen
auch dem Einfältigsten die Schuppen vom Auge. Dessen darf sich Graf Hohen¬
wart und jene, die hinter ihm stehen, versichert halten, daß es immer Heller


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[0493] Graf Hohenwart will der stolze Gründer werden eines slavischen Oest¬ reichs. Ein Reich der Czechen, Polen und Slovenen ist sein Ideal, und die Krone davon der Absolutismus. Der unwissende Klerus und Adel und die Heloten der hörigen Menge sind, insoferne es sie betrifft, eines Besseren auch nicht werth; die Deutschen aber, die sich nicht beugen wollen, müssen gehorchen. Bildung und Wissenschaft, Recht und Freiheit sind Dinge, mit denen ein solcher Staatsmann nicht zu regieren weiß, er kennt nur die Künste, die man in Jesuitenschulen lernt, und den Schliff, der in sogenannten höhe¬ ren Kreisen genehm ist. Der Deutsche wird also unter der Verwaltung des edlen Grafen nur die misers, eontribuens plsds sein; die Knechtung der Presse und ein schwarzes Cabinet besorgen das Weitere. Der Hof ist schon jetzt ungeduldig über die lange Zögerung, er möchte die neue Verfassung für Cis- leithanien wie „mit einem Zauberschlage" fix und fertig sehen, wogegen Gras Hohenwart mit feiner Ironie bemerkt, es sei ihm der verfassungsmäßige Weg vorgezeichnet. Vorerst also die Wahlreform für die, Landtage, die Auflösung des gegenwärtigen und Wahl eines neuen Reichsraths, schließlich die Ein¬ führung der treuen Czechen in die Reichsvertretung, wobei ihren nationalen Blättern gestattet ist, sie nur als eine außerordentliche dive anzusehen. Stecken sie einmal glücklich in der Falle, so gibt es nur noch ein Entweder- Oder. Entweder man debattirt schlechtweg mit entsprechender Stimmenmehr¬ heit die Abschaffung der jetzigen Verfassung, oder die Regierung wird zu die¬ sem Schritte — selbstverständlich wider Willen — durch die Macht der Er¬ eignisse gezwungen. Ganz derselbe Vorgang wie im Jahre 1851, nur mit etwas mehr Förmlichkeiten. So wäre denn klüglich alles in's Reine gebracht, freilich vorerst nur in der Mappe unseres eminenten Polizeichefs, der die Blasen seines Schaum¬ weins einer auserlesenen Gesellschaft credenzt; wird dann zum allgemeinen Tanz geblasen, so dürften doch noch die bösen Deutschen dazwischen fahren und zur Ernüchterung helfen. Sie werden sich erinnern, daß ihre acht Mil¬ lionen auch eine Nation vorstellen, und zwar nicht die am mindesten berech¬ tigte in Oestreich, und werden trotz aller Wahlreformen sich statt einiger ihrer bisherigen Vertreter verläßlichere suchen. Die Zeit der Ernte wird kommen, wo man die Früchte des jetzt gesäeten Sturmes einheimst und der dunkeln Schar, die nur the Verfassung vernichten will, ein Solferino oder Sadowo bereiten wird. Dagegen schützen nicht jesuitische Brüderschaften und feierliche Processionen, Botschaften an den Papst und Encykliken; am Ende fallen auch dem Einfältigsten die Schuppen vom Auge. Dessen darf sich Graf Hohen¬ wart und jene, die hinter ihm stehen, versichert halten, daß es immer Heller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/493>, abgerufen am 28.12.2024.