Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.ihnen übrig geblieben, befanden sich, glaube ich, jetzt allesammt hinter uns, Um die Verwirrung noch zu steigern, war man im Begriff, meh¬ Es muß gegen ein Uhr Nachmittags gewesen sein, als wir Kingston ihnen übrig geblieben, befanden sich, glaube ich, jetzt allesammt hinter uns, Um die Verwirrung noch zu steigern, war man im Begriff, meh¬ Es muß gegen ein Uhr Nachmittags gewesen sein, als wir Kingston <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126242"/> <p xml:id="ID_1432" prev="#ID_1431"> ihnen übrig geblieben, befanden sich, glaube ich, jetzt allesammt hinter uns,<lb/> um den vordringenden Feind in Schach zu halten. Ein paar Offiziere unter<lb/> solch einer wirren Masse konnten nichts ausrichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1433"> Um die Verwirrung noch zu steigern, war man im Begriff, meh¬<lb/> rere Häuser von den Verwundeten zu räumen, die man in vergangener Nacht<lb/> hierher gebracht hatte. Damit sie nicht dem Feinde in die Hände fielen,<lb/> wurden sie theils in Karren, theils durch Leute, die sie trugen, nach der Ei¬<lb/> senbahn geschafft. Das Stöhnen dieser armen Burschen, als sie durch die<lb/> holprigen Straßen geschleppt wurden, drang uns tief ins Herz, so selbstsüch¬<lb/> tig uns Strapatzen und Leiden auch gemacht hatten. Zuletzt wendeten wir<lb/> uns unter der Führung eines Stabsoffiziers, welcher dastand, um uns den<lb/> Weg zu zeigen, von der Hauptstraße nach London ab und schlugen den Weg<lb/> nach Kingston ein. Hier war weniger Gedränge, und wir fanden die Mög¬<lb/> lichkeit, ziemlich ohne Unterbrechung weiter zu kommen. Die Luft war von<lb/> dem Gewitter abgekühlt, und es gab keinen Staub. Wir passirten ein Dorf,<lb/> wo unser neuer General alle Wirthshäuser mit Beschlag belegte und Besitz<lb/> von den geistigen Getränken genommen hatte. Jedes Regiment, wenn es<lb/> herankam, erhielt Befehl, Halt zu machen, und jeder Mann kriegte einen<lb/> Trunk Bier, welches compagnienweise ausgeschenkt wurde. Ob der Eigenthü¬<lb/> mer Geld dafür bekam, weiß ich nicht, aber es schmeckte wie Nektar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434" next="#ID_1435"> Es muß gegen ein Uhr Nachmittags gewesen sein, als wir Kingston<lb/> vor uns sahen. Wir waren sechszehn Stunden auf den Beinen gewesen und<lb/> hatten ungefähr zwölf Meilen zurückgelegt. Ein wenig südwärts von dem<lb/> Bahnhof von Surbiton erhebt sich ein Hügel, der damals meist mit Land¬<lb/> häusern bedeckt, aber im Westen offen war, wo sich aus dem Gipfel eine<lb/> Gruppe von Bäumen befand. Wir waren von der Straße hierher abgebogen,<lb/> und hier ließ uns der General Halt machen und vertheilte die Division längs<lb/> dieser Linie so, daß sie die Front nach Südwesten kehrte, die Rechte bis zur<lb/> Themse hinabreichte, und die Linke sich über den Südabhang der Höhe nach<lb/> der Epsomer Straße hinzog, auf der wir gekommen. Mein Regiment befand<lb/> sich beinahe im Centrum, indem es die Bodenerhebung vor dem General be¬<lb/> setzt hielt, welcher auf dem Gipfel abstieg und sein Pferd an einen Baum<lb/> band. Es ist keine große Anhöhe, gewährt aber eine ausgedehnte Aussicht<lb/> über das flache Land ringsum, und als wir uns ermüdet auf den Boden<lb/> gelegt, konnten wir die Themse wie ein Silberfeld im hellen Sonnenschein<lb/> glänzen sehen, den Palast von Hampton Court, die Brücke zu Kingston und<lb/> den alten Kirchthurm, der sich über den Dunst der Stadt erhob, mit den<lb/> Gehölzen von Richmond Park dahinter. Den meisten von uns konnte die<lb/> Scene nur Erinnerungen an glückliche Friedenstage zurückrufen, Tage, die<lb/> jetzt dahin, ein Friede, der jetzt vernichtet war durch die Verblendung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
ihnen übrig geblieben, befanden sich, glaube ich, jetzt allesammt hinter uns,
um den vordringenden Feind in Schach zu halten. Ein paar Offiziere unter
solch einer wirren Masse konnten nichts ausrichten.
Um die Verwirrung noch zu steigern, war man im Begriff, meh¬
rere Häuser von den Verwundeten zu räumen, die man in vergangener Nacht
hierher gebracht hatte. Damit sie nicht dem Feinde in die Hände fielen,
wurden sie theils in Karren, theils durch Leute, die sie trugen, nach der Ei¬
senbahn geschafft. Das Stöhnen dieser armen Burschen, als sie durch die
holprigen Straßen geschleppt wurden, drang uns tief ins Herz, so selbstsüch¬
tig uns Strapatzen und Leiden auch gemacht hatten. Zuletzt wendeten wir
uns unter der Führung eines Stabsoffiziers, welcher dastand, um uns den
Weg zu zeigen, von der Hauptstraße nach London ab und schlugen den Weg
nach Kingston ein. Hier war weniger Gedränge, und wir fanden die Mög¬
lichkeit, ziemlich ohne Unterbrechung weiter zu kommen. Die Luft war von
dem Gewitter abgekühlt, und es gab keinen Staub. Wir passirten ein Dorf,
wo unser neuer General alle Wirthshäuser mit Beschlag belegte und Besitz
von den geistigen Getränken genommen hatte. Jedes Regiment, wenn es
herankam, erhielt Befehl, Halt zu machen, und jeder Mann kriegte einen
Trunk Bier, welches compagnienweise ausgeschenkt wurde. Ob der Eigenthü¬
mer Geld dafür bekam, weiß ich nicht, aber es schmeckte wie Nektar.
Es muß gegen ein Uhr Nachmittags gewesen sein, als wir Kingston
vor uns sahen. Wir waren sechszehn Stunden auf den Beinen gewesen und
hatten ungefähr zwölf Meilen zurückgelegt. Ein wenig südwärts von dem
Bahnhof von Surbiton erhebt sich ein Hügel, der damals meist mit Land¬
häusern bedeckt, aber im Westen offen war, wo sich aus dem Gipfel eine
Gruppe von Bäumen befand. Wir waren von der Straße hierher abgebogen,
und hier ließ uns der General Halt machen und vertheilte die Division längs
dieser Linie so, daß sie die Front nach Südwesten kehrte, die Rechte bis zur
Themse hinabreichte, und die Linke sich über den Südabhang der Höhe nach
der Epsomer Straße hinzog, auf der wir gekommen. Mein Regiment befand
sich beinahe im Centrum, indem es die Bodenerhebung vor dem General be¬
setzt hielt, welcher auf dem Gipfel abstieg und sein Pferd an einen Baum
band. Es ist keine große Anhöhe, gewährt aber eine ausgedehnte Aussicht
über das flache Land ringsum, und als wir uns ermüdet auf den Boden
gelegt, konnten wir die Themse wie ein Silberfeld im hellen Sonnenschein
glänzen sehen, den Palast von Hampton Court, die Brücke zu Kingston und
den alten Kirchthurm, der sich über den Dunst der Stadt erhob, mit den
Gehölzen von Richmond Park dahinter. Den meisten von uns konnte die
Scene nur Erinnerungen an glückliche Friedenstage zurückrufen, Tage, die
jetzt dahin, ein Friede, der jetzt vernichtet war durch die Verblendung der
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