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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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auf den Kriegsschauplatz entsendeten Correspondenten telegraphisch oder in
ausführlichen Berichten eingingen. Von Seiten der oberen Staats- und Mi¬
litärbehörden, sowie von hervorragenden militärischen Persönlichkeiten treten
noch die officiellen Berichte, die specielleren Schilderungen der Borgänge hin¬
zu, die an Glaubwürdigkeit und Gediegenheit selten etwas zu wünschen übrig
lassen. So entstand denn in den Redactionen ein reger und edler Wetteifer,
über die bedeutenderen Vorgänge das Beste so bald als möglich zu geben.
So konnte der diesen aufmerksam Folgende sich aus dem Einzelnen und Zer¬
streuter ein Gesammtbild schaffen, an das er das Nachfolgende reihte. Unter
dem Gebotenen ist so viel Gediegenes, daß auch der spätere Geschichtsschreiber
vieles daraus entnehmen kann. Von competenter Seite ist daher sehr richtig
und treffend gesagt: "Die Aufgabe der Militärliteratur ist daher um so
mehr, das in den Zeitungen Zerstreute zu sammeln, chronologisch und im
Zusammenhang zu ordnen. Lücken auszufüllen und so ein Ganzes nach ein
und demselben Maßstab herzustellen, welches nicht blos für den richtigen
Zeitmoment berechnet ist, sondern bleibenden Werth behalten soll."*)

Wir gehen nun zu den selbständigen Erzeugnissen der jüngsten
Kriegsliteratur über. Wir stoßen schon jetzt auf eine wahre Fluth in
diesem' Gebiete. Wir finden bereits im ersten Monate dieses Jahres die
enorme Zahl von 670 Schriften, worunter 170, welche die Schilderung der
kriegerischen Ereignisse vertreten. Darunter ist, wie allenthalben bei solchem
Anlaß, viel leichte Waare, die beim Treiben auf diesem Strome das Meer
der Unsterblichkeit nicht erreicht, sondern nach längerem oder kürzerem Laufe
da und dorthin abgetrieben und abgespült wird, um der Vergänglichkeit alles
Irdischen zu verfallen, oder so rasch wieder zu verschwinden, als sie auf¬
getaucht. Gerade hier drängt sich auch diejenige Speculation dreist und rück¬
sichtslos hervor, der es mehr um ein materielles als um ein geistiges Ver¬
dienst zu thun ist. Um die Kost in etwas schmackhaft zu machen, hat man
die Illustration als Sauce mit hinzugegeben und so findet man vorzugs¬
weise eine illustrirte Literatur vertreten, deren Gehalt, trotz aller pompösen
Anpreisungen, sowohl in Text als im Bild und trotz aller "Billigkeit" noch
viel zu wünschen übrig läßt, mitunter der Beachtung kaum werth ist."

In diesem Genre treten die "Jllustrirten Kriegschroniken in
den Vordergrund. Wir erwähnen hier zunächst die. welche aus den beiden
Verlagshandlungen in Leipzig und Stuttgart hervorgehen, die schon seit Jahren
die besten "Jllustrirten Zeitungen" bieten. Nächst dem Texte wird dabei auch
auf eine gediegene künstlerische Ausstattung, mit wenigen Ausnahmen, Rücksicht
genommen. Ein weiteres anerkennenswerthes Product ist die "Jllustrirte
Geschichte des Krieges vom Jahre 1870," Stuttgart, Herrmann
Schönlein, das in Heften erscheint. Lassen auch die illustrirten Beigaben in
artistischer Beziehung hie und da noch Einiges zu wünschen übrig, so ist der
Text um so anerkennungswerther. Man hat besondere Rücksicht darauf ge¬
nommen, die Ereignisse möglichst treu, verständlich und anziehend zu schildern.
Bei der sonst befriedigenden Ausstattung ist auch auf die Billigkeit besondere
Rücksicht genommen. Raum und Zeit gestatten nicht, länger bei diesem Genre
zu verweilen, weshalb wir zur eigentlichen Literatur und zwar zunächst in
militärischer Beziehung übergehen.

Wie dem größeren Theil der Leser bekannt sein wird, trat seit einer
längeren Reihe von Jahren der bekannte Militärschriftsteller Wilhelm Nüstow
mit seinen Schilderungen der neueren Kriege zunächst hervor. Kaum hatte
ein Kampf begonnen, so war auch seine rüstige Feder gleich zur Hand, diese


"sPreuß. Militär-Literatur-Zeitung. Januarheft 1871. S. 3.

auf den Kriegsschauplatz entsendeten Correspondenten telegraphisch oder in
ausführlichen Berichten eingingen. Von Seiten der oberen Staats- und Mi¬
litärbehörden, sowie von hervorragenden militärischen Persönlichkeiten treten
noch die officiellen Berichte, die specielleren Schilderungen der Borgänge hin¬
zu, die an Glaubwürdigkeit und Gediegenheit selten etwas zu wünschen übrig
lassen. So entstand denn in den Redactionen ein reger und edler Wetteifer,
über die bedeutenderen Vorgänge das Beste so bald als möglich zu geben.
So konnte der diesen aufmerksam Folgende sich aus dem Einzelnen und Zer¬
streuter ein Gesammtbild schaffen, an das er das Nachfolgende reihte. Unter
dem Gebotenen ist so viel Gediegenes, daß auch der spätere Geschichtsschreiber
vieles daraus entnehmen kann. Von competenter Seite ist daher sehr richtig
und treffend gesagt: „Die Aufgabe der Militärliteratur ist daher um so
mehr, das in den Zeitungen Zerstreute zu sammeln, chronologisch und im
Zusammenhang zu ordnen. Lücken auszufüllen und so ein Ganzes nach ein
und demselben Maßstab herzustellen, welches nicht blos für den richtigen
Zeitmoment berechnet ist, sondern bleibenden Werth behalten soll."*)

Wir gehen nun zu den selbständigen Erzeugnissen der jüngsten
Kriegsliteratur über. Wir stoßen schon jetzt auf eine wahre Fluth in
diesem' Gebiete. Wir finden bereits im ersten Monate dieses Jahres die
enorme Zahl von 670 Schriften, worunter 170, welche die Schilderung der
kriegerischen Ereignisse vertreten. Darunter ist, wie allenthalben bei solchem
Anlaß, viel leichte Waare, die beim Treiben auf diesem Strome das Meer
der Unsterblichkeit nicht erreicht, sondern nach längerem oder kürzerem Laufe
da und dorthin abgetrieben und abgespült wird, um der Vergänglichkeit alles
Irdischen zu verfallen, oder so rasch wieder zu verschwinden, als sie auf¬
getaucht. Gerade hier drängt sich auch diejenige Speculation dreist und rück¬
sichtslos hervor, der es mehr um ein materielles als um ein geistiges Ver¬
dienst zu thun ist. Um die Kost in etwas schmackhaft zu machen, hat man
die Illustration als Sauce mit hinzugegeben und so findet man vorzugs¬
weise eine illustrirte Literatur vertreten, deren Gehalt, trotz aller pompösen
Anpreisungen, sowohl in Text als im Bild und trotz aller „Billigkeit" noch
viel zu wünschen übrig läßt, mitunter der Beachtung kaum werth ist."

In diesem Genre treten die „Jllustrirten Kriegschroniken in
den Vordergrund. Wir erwähnen hier zunächst die. welche aus den beiden
Verlagshandlungen in Leipzig und Stuttgart hervorgehen, die schon seit Jahren
die besten „Jllustrirten Zeitungen" bieten. Nächst dem Texte wird dabei auch
auf eine gediegene künstlerische Ausstattung, mit wenigen Ausnahmen, Rücksicht
genommen. Ein weiteres anerkennenswerthes Product ist die „Jllustrirte
Geschichte des Krieges vom Jahre 1870," Stuttgart, Herrmann
Schönlein, das in Heften erscheint. Lassen auch die illustrirten Beigaben in
artistischer Beziehung hie und da noch Einiges zu wünschen übrig, so ist der
Text um so anerkennungswerther. Man hat besondere Rücksicht darauf ge¬
nommen, die Ereignisse möglichst treu, verständlich und anziehend zu schildern.
Bei der sonst befriedigenden Ausstattung ist auch auf die Billigkeit besondere
Rücksicht genommen. Raum und Zeit gestatten nicht, länger bei diesem Genre
zu verweilen, weshalb wir zur eigentlichen Literatur und zwar zunächst in
militärischer Beziehung übergehen.

Wie dem größeren Theil der Leser bekannt sein wird, trat seit einer
längeren Reihe von Jahren der bekannte Militärschriftsteller Wilhelm Nüstow
mit seinen Schilderungen der neueren Kriege zunächst hervor. Kaum hatte
ein Kampf begonnen, so war auch seine rüstige Feder gleich zur Hand, diese


»sPreuß. Militär-Literatur-Zeitung. Januarheft 1871. S. 3.
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[0443] auf den Kriegsschauplatz entsendeten Correspondenten telegraphisch oder in ausführlichen Berichten eingingen. Von Seiten der oberen Staats- und Mi¬ litärbehörden, sowie von hervorragenden militärischen Persönlichkeiten treten noch die officiellen Berichte, die specielleren Schilderungen der Borgänge hin¬ zu, die an Glaubwürdigkeit und Gediegenheit selten etwas zu wünschen übrig lassen. So entstand denn in den Redactionen ein reger und edler Wetteifer, über die bedeutenderen Vorgänge das Beste so bald als möglich zu geben. So konnte der diesen aufmerksam Folgende sich aus dem Einzelnen und Zer¬ streuter ein Gesammtbild schaffen, an das er das Nachfolgende reihte. Unter dem Gebotenen ist so viel Gediegenes, daß auch der spätere Geschichtsschreiber vieles daraus entnehmen kann. Von competenter Seite ist daher sehr richtig und treffend gesagt: „Die Aufgabe der Militärliteratur ist daher um so mehr, das in den Zeitungen Zerstreute zu sammeln, chronologisch und im Zusammenhang zu ordnen. Lücken auszufüllen und so ein Ganzes nach ein und demselben Maßstab herzustellen, welches nicht blos für den richtigen Zeitmoment berechnet ist, sondern bleibenden Werth behalten soll."*) Wir gehen nun zu den selbständigen Erzeugnissen der jüngsten Kriegsliteratur über. Wir stoßen schon jetzt auf eine wahre Fluth in diesem' Gebiete. Wir finden bereits im ersten Monate dieses Jahres die enorme Zahl von 670 Schriften, worunter 170, welche die Schilderung der kriegerischen Ereignisse vertreten. Darunter ist, wie allenthalben bei solchem Anlaß, viel leichte Waare, die beim Treiben auf diesem Strome das Meer der Unsterblichkeit nicht erreicht, sondern nach längerem oder kürzerem Laufe da und dorthin abgetrieben und abgespült wird, um der Vergänglichkeit alles Irdischen zu verfallen, oder so rasch wieder zu verschwinden, als sie auf¬ getaucht. Gerade hier drängt sich auch diejenige Speculation dreist und rück¬ sichtslos hervor, der es mehr um ein materielles als um ein geistiges Ver¬ dienst zu thun ist. Um die Kost in etwas schmackhaft zu machen, hat man die Illustration als Sauce mit hinzugegeben und so findet man vorzugs¬ weise eine illustrirte Literatur vertreten, deren Gehalt, trotz aller pompösen Anpreisungen, sowohl in Text als im Bild und trotz aller „Billigkeit" noch viel zu wünschen übrig läßt, mitunter der Beachtung kaum werth ist." In diesem Genre treten die „Jllustrirten Kriegschroniken in den Vordergrund. Wir erwähnen hier zunächst die. welche aus den beiden Verlagshandlungen in Leipzig und Stuttgart hervorgehen, die schon seit Jahren die besten „Jllustrirten Zeitungen" bieten. Nächst dem Texte wird dabei auch auf eine gediegene künstlerische Ausstattung, mit wenigen Ausnahmen, Rücksicht genommen. Ein weiteres anerkennenswerthes Product ist die „Jllustrirte Geschichte des Krieges vom Jahre 1870," Stuttgart, Herrmann Schönlein, das in Heften erscheint. Lassen auch die illustrirten Beigaben in artistischer Beziehung hie und da noch Einiges zu wünschen übrig, so ist der Text um so anerkennungswerther. Man hat besondere Rücksicht darauf ge¬ nommen, die Ereignisse möglichst treu, verständlich und anziehend zu schildern. Bei der sonst befriedigenden Ausstattung ist auch auf die Billigkeit besondere Rücksicht genommen. Raum und Zeit gestatten nicht, länger bei diesem Genre zu verweilen, weshalb wir zur eigentlichen Literatur und zwar zunächst in militärischer Beziehung übergehen. Wie dem größeren Theil der Leser bekannt sein wird, trat seit einer längeren Reihe von Jahren der bekannte Militärschriftsteller Wilhelm Nüstow mit seinen Schilderungen der neueren Kriege zunächst hervor. Kaum hatte ein Kampf begonnen, so war auch seine rüstige Feder gleich zur Hand, diese »sPreuß. Militär-Literatur-Zeitung. Januarheft 1871. S. 3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/443>, abgerufen am 28.12.2024.