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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Colonne sich nach der Linken von unserer Linie, nach der jetzt von den Gar¬
den besetzten Stelle hinzog.

Diese ganze Zeit über hatte das Gewehrfeuer zwar nachgelassen, aber
das Geschützfeuer schien gewaltiger wie je, Granaten heulten über uns hin
und platzten ringsum, und ich gestehe, daß ich mich sehr erleichtert fühlte, als
ich wieder im Schutz der Feldgasse war. Indem ich über die Böschung blickte,
sah ich zum ersten Mal, welche fürchterliche Wirkung unser Feuer gehabt:
das Terrain vor uns war dicht bestreut mit Todten und Schwerverwundeten,
und jenseit der Leichname des gefallenen Feindes waren eben noch -- denn
es begann zu dunkeln -- die Bärenmützen und die rothen Röcke unserer
tapfern Garde über den Abhang zerstreut zu erkennen, wie sie die Linie ihres
siegreichen Vordringens bezeichneten.

Ich konnte kaum eine Minute mit dieser Betrachtung des Schlachtfeldes
verbracht haben, als unser Brigademajor zu Fuß -- vermuthlich war ihm
das Pferd erschossen worden -- die Feldgasse heraufkam und uns zurief: "Zu
den Waffen, Freiwillige! Sie rücken wieder heran," und abermals begann
ein hitziges Musketenfeuer. Wie lange das währte, erinnere ich mich nicht,
aber wir konnten deutlich die dichte Linie der Plcinkler, etwa sechzig Schritt
vor uns, und die berittenen Offiziere unter ihnen erkennen, und wir schienen
sie gut in Schach zu halten; denn sie waren unserm Feuer ganz ausgesetzt,
während wir fast bis zu den Schultern geschützt waren. Da wurde ich plötz¬
lich, ich weiß nicht wie, gewahr, daß etwas schief gegangen sein mußte.
"Man faßt uns in der Flanke," rief jemand, und als ich zur Linken blickte,
sprangen richtig dunkle Gestalten über die Böschung in die Gasse und feuer¬
ten von der Seite in unsere Linie hinein. Die Freiwilligen der Reserve,
welche heruntergekommen waren, um die Stelle der Garden einzunehmen,
mußten gewichen sein. Die feindlichen Vortruppen hatten unsere Linie durch¬
brochen und unsere linke Flanke umgangen.

Wie es zur nächsten Bewegung kam, entsinne ich mich nicht. Vielleicht
ohne Befehl sahen wir uns in kurzer Zeit außerhalb der Feldgasse und in
wankender zerstreuter Linie etwa dreißig Schritt hinter derselben stehend --
an unserem Ende, d. h. auf der andern Flanke war man erheblich weiter zu¬
rückgegangen -- und der Feind war an der Böschung, und zahlreiche Leute
desselben stiegen über dieselbe und formirter sich uns zur Seite. Ueber unsere
Linke hinaus zog sich eine wirre Masse, im Weichen feuernd und von der
vordringenden Linie des Feindes verfolgt, zurück. Unser Oberst und der
Major mußten erschossen sein; denn es war niemand da. Befehle zu geben.
Da rief jemand zu Pferde hinter uns -- ich denke, es war der Brigadier --
"Nun denn, Freiwillige, vorwärts gegen sie mit einem britischen Hurrah,
drauf!" und mit wildem Geschrei stürzten wir uns auf den Feind. Einige


Colonne sich nach der Linken von unserer Linie, nach der jetzt von den Gar¬
den besetzten Stelle hinzog.

Diese ganze Zeit über hatte das Gewehrfeuer zwar nachgelassen, aber
das Geschützfeuer schien gewaltiger wie je, Granaten heulten über uns hin
und platzten ringsum, und ich gestehe, daß ich mich sehr erleichtert fühlte, als
ich wieder im Schutz der Feldgasse war. Indem ich über die Böschung blickte,
sah ich zum ersten Mal, welche fürchterliche Wirkung unser Feuer gehabt:
das Terrain vor uns war dicht bestreut mit Todten und Schwerverwundeten,
und jenseit der Leichname des gefallenen Feindes waren eben noch — denn
es begann zu dunkeln — die Bärenmützen und die rothen Röcke unserer
tapfern Garde über den Abhang zerstreut zu erkennen, wie sie die Linie ihres
siegreichen Vordringens bezeichneten.

Ich konnte kaum eine Minute mit dieser Betrachtung des Schlachtfeldes
verbracht haben, als unser Brigademajor zu Fuß — vermuthlich war ihm
das Pferd erschossen worden — die Feldgasse heraufkam und uns zurief: „Zu
den Waffen, Freiwillige! Sie rücken wieder heran," und abermals begann
ein hitziges Musketenfeuer. Wie lange das währte, erinnere ich mich nicht,
aber wir konnten deutlich die dichte Linie der Plcinkler, etwa sechzig Schritt
vor uns, und die berittenen Offiziere unter ihnen erkennen, und wir schienen
sie gut in Schach zu halten; denn sie waren unserm Feuer ganz ausgesetzt,
während wir fast bis zu den Schultern geschützt waren. Da wurde ich plötz¬
lich, ich weiß nicht wie, gewahr, daß etwas schief gegangen sein mußte.
„Man faßt uns in der Flanke," rief jemand, und als ich zur Linken blickte,
sprangen richtig dunkle Gestalten über die Böschung in die Gasse und feuer¬
ten von der Seite in unsere Linie hinein. Die Freiwilligen der Reserve,
welche heruntergekommen waren, um die Stelle der Garden einzunehmen,
mußten gewichen sein. Die feindlichen Vortruppen hatten unsere Linie durch¬
brochen und unsere linke Flanke umgangen.

Wie es zur nächsten Bewegung kam, entsinne ich mich nicht. Vielleicht
ohne Befehl sahen wir uns in kurzer Zeit außerhalb der Feldgasse und in
wankender zerstreuter Linie etwa dreißig Schritt hinter derselben stehend —
an unserem Ende, d. h. auf der andern Flanke war man erheblich weiter zu¬
rückgegangen — und der Feind war an der Böschung, und zahlreiche Leute
desselben stiegen über dieselbe und formirter sich uns zur Seite. Ueber unsere
Linke hinaus zog sich eine wirre Masse, im Weichen feuernd und von der
vordringenden Linie des Feindes verfolgt, zurück. Unser Oberst und der
Major mußten erschossen sein; denn es war niemand da. Befehle zu geben.
Da rief jemand zu Pferde hinter uns — ich denke, es war der Brigadier —
„Nun denn, Freiwillige, vorwärts gegen sie mit einem britischen Hurrah,
drauf!" und mit wildem Geschrei stürzten wir uns auf den Feind. Einige


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[0428] Colonne sich nach der Linken von unserer Linie, nach der jetzt von den Gar¬ den besetzten Stelle hinzog. Diese ganze Zeit über hatte das Gewehrfeuer zwar nachgelassen, aber das Geschützfeuer schien gewaltiger wie je, Granaten heulten über uns hin und platzten ringsum, und ich gestehe, daß ich mich sehr erleichtert fühlte, als ich wieder im Schutz der Feldgasse war. Indem ich über die Böschung blickte, sah ich zum ersten Mal, welche fürchterliche Wirkung unser Feuer gehabt: das Terrain vor uns war dicht bestreut mit Todten und Schwerverwundeten, und jenseit der Leichname des gefallenen Feindes waren eben noch — denn es begann zu dunkeln — die Bärenmützen und die rothen Röcke unserer tapfern Garde über den Abhang zerstreut zu erkennen, wie sie die Linie ihres siegreichen Vordringens bezeichneten. Ich konnte kaum eine Minute mit dieser Betrachtung des Schlachtfeldes verbracht haben, als unser Brigademajor zu Fuß — vermuthlich war ihm das Pferd erschossen worden — die Feldgasse heraufkam und uns zurief: „Zu den Waffen, Freiwillige! Sie rücken wieder heran," und abermals begann ein hitziges Musketenfeuer. Wie lange das währte, erinnere ich mich nicht, aber wir konnten deutlich die dichte Linie der Plcinkler, etwa sechzig Schritt vor uns, und die berittenen Offiziere unter ihnen erkennen, und wir schienen sie gut in Schach zu halten; denn sie waren unserm Feuer ganz ausgesetzt, während wir fast bis zu den Schultern geschützt waren. Da wurde ich plötz¬ lich, ich weiß nicht wie, gewahr, daß etwas schief gegangen sein mußte. „Man faßt uns in der Flanke," rief jemand, und als ich zur Linken blickte, sprangen richtig dunkle Gestalten über die Böschung in die Gasse und feuer¬ ten von der Seite in unsere Linie hinein. Die Freiwilligen der Reserve, welche heruntergekommen waren, um die Stelle der Garden einzunehmen, mußten gewichen sein. Die feindlichen Vortruppen hatten unsere Linie durch¬ brochen und unsere linke Flanke umgangen. Wie es zur nächsten Bewegung kam, entsinne ich mich nicht. Vielleicht ohne Befehl sahen wir uns in kurzer Zeit außerhalb der Feldgasse und in wankender zerstreuter Linie etwa dreißig Schritt hinter derselben stehend — an unserem Ende, d. h. auf der andern Flanke war man erheblich weiter zu¬ rückgegangen — und der Feind war an der Böschung, und zahlreiche Leute desselben stiegen über dieselbe und formirter sich uns zur Seite. Ueber unsere Linke hinaus zog sich eine wirre Masse, im Weichen feuernd und von der vordringenden Linie des Feindes verfolgt, zurück. Unser Oberst und der Major mußten erschossen sein; denn es war niemand da. Befehle zu geben. Da rief jemand zu Pferde hinter uns — ich denke, es war der Brigadier — „Nun denn, Freiwillige, vorwärts gegen sie mit einem britischen Hurrah, drauf!" und mit wildem Geschrei stürzten wir uns auf den Feind. Einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/428>, abgerufen am 29.12.2024.