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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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schwerem Schritt in unser Lager auf den Berg zurück, nachdem wir die Kessel
mit dem trüben Wasser eines Baches gefüllt, der zwischen Berg und Stadt
hinfließt; denn oben war keins zu haben. Es war hin und zurück jedesmal
ein paar Meilen, und erschöpft, wie wir vom Marschiren und Mangel an
Ruhe waren, konnten wir vor Müdigkeit kaum essen. Gekocht wurde, wie ihr
euch denken könnt, nur aus dem Gröbsten, Alles, was wir thun konnten,
war, daß wir Stücke von dem Fleische abschnitten und in den Bratpfannen
kochten. Als Gabeln dienten unsre Finger. Der Thee jedoch war sehr er¬
quickend und in unserm Durst tranken wir ihn gallonenweise.

Kurz vor Dunkelwerden kam der Brigademajor an und zeigte mit seinem
Adjutanten unserm Obersten, wie vor unsrer Linie ein Piquet aufzustellen sei,
eine kleine Strecke unterhalb des Abhangs. Es war vermuthlich nicht nöthig,
eine solche Feldwache aufzustellen, weil die Stadt vor unsrer Front noch mit
Truppen besetzt war ; aber ohne Zweifel war die Uebung nützlich. Wir hatten
auch eine Quartierwache und eine Reihe von Schildwachen vor und hinter
unsrer Linie, die mit denen der Regimenter auf unsern Flanken communicirten.
Brennholz war reichlich vorhanden, denn der Hügel war mit schönem Wald
bestanden. Aber es erforderte Zeit, es zu sammeln, denn wir hatten nur
unsre Taschenmesser zum Abschneiden der Zweige.

So legten wir uns zum Schlafen nieder. Meine Compagnie hatte nicht
den Dienst, und wir hatten die Nacht ungestört für uns, aber so müde ich
war, die Aufregung und die Neuheit der Lage ließ mich schwer einschlafen.
Und obwohl die Nacht still und warm war und wir von den Gehölzen ge¬
schützt waren, fand ich sie doch frostig, da ich nur meinen dünnen Regenrock
zur Decke hatte, und da überdies; meine Kleider, den Tag über von Schweiß
durchnäßt, nie trocken geworden waren. Bor Tage schon erwachte ich aus
meinem kurzen Schlummer, zitternd vor Frost, und war froh, mich mit Andern
an einem Feuer wärmen zu können. Ich bemerkte dann, daß die gegenüber¬
liegenden Hügel in Süden mit Feuern bedeckt waren, und wir dachten anfangs,
daß sie dem Feinde angehören müßten. Aber man sagte uns, daß der Boden
da oben noch im Besitz einer starken Abtheilung Regulärer sei, und daß man
keine Furcht vor einer Ueberrumpelung zu haben brauche.

Beim ersten Zeichen des Tagesanbruchs bliesen die Hörner des Regiments
die Reveille und wir erhielten Befehl, uns zum Verlesen zu stellen. Etwa
zwanzig Mann fehlten, die Tags zuvor erkrankt und, wie ich glaube, in der
Nacht mit der Bahn nach London geschickt worden waren. Nachdem wir
eben eine halbe Stunde in Colonne gestanden, kam der Brigademajor mit dem
Befehl herunter, die Waffen zusammenzustellen und es uns bequem zu machen,
und etwa eine halbe Stunde darauf hieß man uns so rasch als möglich
frühstücken und uns zugleich das Essen für einen Tag bereiten. Diese Ope-


schwerem Schritt in unser Lager auf den Berg zurück, nachdem wir die Kessel
mit dem trüben Wasser eines Baches gefüllt, der zwischen Berg und Stadt
hinfließt; denn oben war keins zu haben. Es war hin und zurück jedesmal
ein paar Meilen, und erschöpft, wie wir vom Marschiren und Mangel an
Ruhe waren, konnten wir vor Müdigkeit kaum essen. Gekocht wurde, wie ihr
euch denken könnt, nur aus dem Gröbsten, Alles, was wir thun konnten,
war, daß wir Stücke von dem Fleische abschnitten und in den Bratpfannen
kochten. Als Gabeln dienten unsre Finger. Der Thee jedoch war sehr er¬
quickend und in unserm Durst tranken wir ihn gallonenweise.

Kurz vor Dunkelwerden kam der Brigademajor an und zeigte mit seinem
Adjutanten unserm Obersten, wie vor unsrer Linie ein Piquet aufzustellen sei,
eine kleine Strecke unterhalb des Abhangs. Es war vermuthlich nicht nöthig,
eine solche Feldwache aufzustellen, weil die Stadt vor unsrer Front noch mit
Truppen besetzt war ; aber ohne Zweifel war die Uebung nützlich. Wir hatten
auch eine Quartierwache und eine Reihe von Schildwachen vor und hinter
unsrer Linie, die mit denen der Regimenter auf unsern Flanken communicirten.
Brennholz war reichlich vorhanden, denn der Hügel war mit schönem Wald
bestanden. Aber es erforderte Zeit, es zu sammeln, denn wir hatten nur
unsre Taschenmesser zum Abschneiden der Zweige.

So legten wir uns zum Schlafen nieder. Meine Compagnie hatte nicht
den Dienst, und wir hatten die Nacht ungestört für uns, aber so müde ich
war, die Aufregung und die Neuheit der Lage ließ mich schwer einschlafen.
Und obwohl die Nacht still und warm war und wir von den Gehölzen ge¬
schützt waren, fand ich sie doch frostig, da ich nur meinen dünnen Regenrock
zur Decke hatte, und da überdies; meine Kleider, den Tag über von Schweiß
durchnäßt, nie trocken geworden waren. Bor Tage schon erwachte ich aus
meinem kurzen Schlummer, zitternd vor Frost, und war froh, mich mit Andern
an einem Feuer wärmen zu können. Ich bemerkte dann, daß die gegenüber¬
liegenden Hügel in Süden mit Feuern bedeckt waren, und wir dachten anfangs,
daß sie dem Feinde angehören müßten. Aber man sagte uns, daß der Boden
da oben noch im Besitz einer starken Abtheilung Regulärer sei, und daß man
keine Furcht vor einer Ueberrumpelung zu haben brauche.

Beim ersten Zeichen des Tagesanbruchs bliesen die Hörner des Regiments
die Reveille und wir erhielten Befehl, uns zum Verlesen zu stellen. Etwa
zwanzig Mann fehlten, die Tags zuvor erkrankt und, wie ich glaube, in der
Nacht mit der Bahn nach London geschickt worden waren. Nachdem wir
eben eine halbe Stunde in Colonne gestanden, kam der Brigademajor mit dem
Befehl herunter, die Waffen zusammenzustellen und es uns bequem zu machen,
und etwa eine halbe Stunde darauf hieß man uns so rasch als möglich
frühstücken und uns zugleich das Essen für einen Tag bereiten. Diese Ope-


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[0404] schwerem Schritt in unser Lager auf den Berg zurück, nachdem wir die Kessel mit dem trüben Wasser eines Baches gefüllt, der zwischen Berg und Stadt hinfließt; denn oben war keins zu haben. Es war hin und zurück jedesmal ein paar Meilen, und erschöpft, wie wir vom Marschiren und Mangel an Ruhe waren, konnten wir vor Müdigkeit kaum essen. Gekocht wurde, wie ihr euch denken könnt, nur aus dem Gröbsten, Alles, was wir thun konnten, war, daß wir Stücke von dem Fleische abschnitten und in den Bratpfannen kochten. Als Gabeln dienten unsre Finger. Der Thee jedoch war sehr er¬ quickend und in unserm Durst tranken wir ihn gallonenweise. Kurz vor Dunkelwerden kam der Brigademajor an und zeigte mit seinem Adjutanten unserm Obersten, wie vor unsrer Linie ein Piquet aufzustellen sei, eine kleine Strecke unterhalb des Abhangs. Es war vermuthlich nicht nöthig, eine solche Feldwache aufzustellen, weil die Stadt vor unsrer Front noch mit Truppen besetzt war ; aber ohne Zweifel war die Uebung nützlich. Wir hatten auch eine Quartierwache und eine Reihe von Schildwachen vor und hinter unsrer Linie, die mit denen der Regimenter auf unsern Flanken communicirten. Brennholz war reichlich vorhanden, denn der Hügel war mit schönem Wald bestanden. Aber es erforderte Zeit, es zu sammeln, denn wir hatten nur unsre Taschenmesser zum Abschneiden der Zweige. So legten wir uns zum Schlafen nieder. Meine Compagnie hatte nicht den Dienst, und wir hatten die Nacht ungestört für uns, aber so müde ich war, die Aufregung und die Neuheit der Lage ließ mich schwer einschlafen. Und obwohl die Nacht still und warm war und wir von den Gehölzen ge¬ schützt waren, fand ich sie doch frostig, da ich nur meinen dünnen Regenrock zur Decke hatte, und da überdies; meine Kleider, den Tag über von Schweiß durchnäßt, nie trocken geworden waren. Bor Tage schon erwachte ich aus meinem kurzen Schlummer, zitternd vor Frost, und war froh, mich mit Andern an einem Feuer wärmen zu können. Ich bemerkte dann, daß die gegenüber¬ liegenden Hügel in Süden mit Feuern bedeckt waren, und wir dachten anfangs, daß sie dem Feinde angehören müßten. Aber man sagte uns, daß der Boden da oben noch im Besitz einer starken Abtheilung Regulärer sei, und daß man keine Furcht vor einer Ueberrumpelung zu haben brauche. Beim ersten Zeichen des Tagesanbruchs bliesen die Hörner des Regiments die Reveille und wir erhielten Befehl, uns zum Verlesen zu stellen. Etwa zwanzig Mann fehlten, die Tags zuvor erkrankt und, wie ich glaube, in der Nacht mit der Bahn nach London geschickt worden waren. Nachdem wir eben eine halbe Stunde in Colonne gestanden, kam der Brigademajor mit dem Befehl herunter, die Waffen zusammenzustellen und es uns bequem zu machen, und etwa eine halbe Stunde darauf hieß man uns so rasch als möglich frühstücken und uns zugleich das Essen für einen Tag bereiten. Diese Ope-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/404>, abgerufen am 29.09.2024.