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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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ein paar weniger vorsichtigen Kameraden theilte. Wir konnten von unserm
Haltepunkt sehen, daß die Bahn vor und hinter uns mit Zügen ver¬
sperrt war.

Es muß etwa acht Uhr gewesen sein, als wir Befehl erhielten, unsere
Sitze wieder einzunehmen, und der Zug begann sich langsam auf Horsham
hinzubewegen. Horsham Junction war der Ort, der besetzt werden sollte, so
hieß es. Aber gegen zehn Uhr, als wir bei einer kleinen Station nicht weit
von da hielten, kam der Befehl, den Zug zu verlassen, und unsre Brigade
bildete sich in Colonne auf der Chaussee. Vor uns stand etwas Feldartillerie
und weiter hin, wie uns ein Stabsoffizier sagte, eine andere Brigade, die mit
der unsern eine Division bilden sollte. Nach weiterem Aufenthalt begann
die Linie sich zu bewegen, aber nicht vorwärts. Unsre Route lief nach Nord-
westen, und eine Ahnung vom Stande der Dinge ging mir plötzlich auf.
Horsham war bereits von der Avantgarde des Feindes besetzt, und wir sollten
auf Leith Commons zurückgehen und eine Stellung nehmen, die seine Flanke
bedrohte, wenn er entweder nach Guildsord oder Dorking vorrückte. Dieß
wurde bald bestätigt durch das, was der Brigadier dem Obersten sagte und
dann durch die Reihen ging, und eben jetzt trug uns zum ersten Mal ein
leichter Südwind den dumpfen Donner der Artillerie zu.

Nach einer Stunde hörte das Feuern auf. Was hatte das zu bedeuten?
Wir konnten's nicht sagen. Dazwischen setzten wir unsern Marsch fort. Der
Tag war trüb und schwül, die Staubwolken, welche unsre Füße aufwühlten, er¬
stickten uns beinahe. Ich hatte eine Sodawasserflasche voll von dem gestrigen Roth¬
wein gerettet, aber die reichte nur eine kurze Strecke, denn sie mußte mit gar
manchen Munde getheilt werden, und bald war der Durst wieder so schlimm wie
zuvor. Mehrere vom Regiment fielen vor Schwäche um, und wir machten häufig
Halt, um die Maroden nachkommen zu lassen. Zuletzt erreichten wir den
Gipfel von Leith Hill. Es ist ein überraschender Ort, indem es der höchste
Punkt in Südengland ist. Die Aussicht von ihm ist prachtvoll, und höchst
lieblich erschien das Gelände an diesem Sommertage, obwohl das Gras von
der langen Trockenheit braun geworden war. Es war eine große Erquickung,
von der staubigen Straße aus die Wiese zu kommen, und oben auf der Höhe
war eine erfrischende Brise. Wir konnten jetzt zum ersten Male das Ganze
unsrer Division überblicken. Unser Regiment zählte nicht mehr als S00 Mann;
denn es enthielt eine starke Anzahl von Regierungsbeamten, die, wie Danvers,
durch ihre Pflicht in der Stadt zurückgehalten wurden, und andere waren
nicht viel stärker, aber das Milizregiment war sehr stark, und die ganze
Division zählte, wie es hieß, fast fünftausend Mann in Reihe und Glied.
Wir konnten auch andere Truppen in Linie jenseit unsrer Division sehen
und ein paar Feldbatterien der Royal Artillery und außerdem einige schwere


ein paar weniger vorsichtigen Kameraden theilte. Wir konnten von unserm
Haltepunkt sehen, daß die Bahn vor und hinter uns mit Zügen ver¬
sperrt war.

Es muß etwa acht Uhr gewesen sein, als wir Befehl erhielten, unsere
Sitze wieder einzunehmen, und der Zug begann sich langsam auf Horsham
hinzubewegen. Horsham Junction war der Ort, der besetzt werden sollte, so
hieß es. Aber gegen zehn Uhr, als wir bei einer kleinen Station nicht weit
von da hielten, kam der Befehl, den Zug zu verlassen, und unsre Brigade
bildete sich in Colonne auf der Chaussee. Vor uns stand etwas Feldartillerie
und weiter hin, wie uns ein Stabsoffizier sagte, eine andere Brigade, die mit
der unsern eine Division bilden sollte. Nach weiterem Aufenthalt begann
die Linie sich zu bewegen, aber nicht vorwärts. Unsre Route lief nach Nord-
westen, und eine Ahnung vom Stande der Dinge ging mir plötzlich auf.
Horsham war bereits von der Avantgarde des Feindes besetzt, und wir sollten
auf Leith Commons zurückgehen und eine Stellung nehmen, die seine Flanke
bedrohte, wenn er entweder nach Guildsord oder Dorking vorrückte. Dieß
wurde bald bestätigt durch das, was der Brigadier dem Obersten sagte und
dann durch die Reihen ging, und eben jetzt trug uns zum ersten Mal ein
leichter Südwind den dumpfen Donner der Artillerie zu.

Nach einer Stunde hörte das Feuern auf. Was hatte das zu bedeuten?
Wir konnten's nicht sagen. Dazwischen setzten wir unsern Marsch fort. Der
Tag war trüb und schwül, die Staubwolken, welche unsre Füße aufwühlten, er¬
stickten uns beinahe. Ich hatte eine Sodawasserflasche voll von dem gestrigen Roth¬
wein gerettet, aber die reichte nur eine kurze Strecke, denn sie mußte mit gar
manchen Munde getheilt werden, und bald war der Durst wieder so schlimm wie
zuvor. Mehrere vom Regiment fielen vor Schwäche um, und wir machten häufig
Halt, um die Maroden nachkommen zu lassen. Zuletzt erreichten wir den
Gipfel von Leith Hill. Es ist ein überraschender Ort, indem es der höchste
Punkt in Südengland ist. Die Aussicht von ihm ist prachtvoll, und höchst
lieblich erschien das Gelände an diesem Sommertage, obwohl das Gras von
der langen Trockenheit braun geworden war. Es war eine große Erquickung,
von der staubigen Straße aus die Wiese zu kommen, und oben auf der Höhe
war eine erfrischende Brise. Wir konnten jetzt zum ersten Male das Ganze
unsrer Division überblicken. Unser Regiment zählte nicht mehr als S00 Mann;
denn es enthielt eine starke Anzahl von Regierungsbeamten, die, wie Danvers,
durch ihre Pflicht in der Stadt zurückgehalten wurden, und andere waren
nicht viel stärker, aber das Milizregiment war sehr stark, und die ganze
Division zählte, wie es hieß, fast fünftausend Mann in Reihe und Glied.
Wir konnten auch andere Truppen in Linie jenseit unsrer Division sehen
und ein paar Feldbatterien der Royal Artillery und außerdem einige schwere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/400>, abgerufen am 29.09.2024.