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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Familien bereitet haben, deren Thätigkeit daraus gerichtet war, den gemein¬
schaftlichen Interessen der Menschheit zu dienen."

Ist es nicht köstlich, zu hören, wie der Uankee so schnell den philosophi¬
schen Flitter abstreift, um zu deduciren, daß die Kaperei durchaus kein luera-
tives Geschäft sei? Es ist begreiflich, daß solche ungewöhnliche Aeußerungen
bei den Regierungen des alten Europa nicht überall auf Sympathien stießen.
Die amerikanischen Gesandten erhielten von Rußland auf ihre Eröffnungen
gar keine Antwort. England erwiderte, es kenne überhaupt den "Congreß"
(die Gesandten schrieben "Unser Souverän, der Congreß, hat uns beauf¬
tragt" :c.) gar nicht, die Herrn möchten doch, bevor man sich überhaupt mit
ihnen einlassen könne, Vollmachten der einzelnen Staaten und Territorien
beibringen, -- ein Verlangen, worauf sich die Amerikaner natürlich nicht
einlassen konnten. Ein freundliches Entgegenkommen fanden dieselben nur
bei Frankreich, welches einen neuen Vertrag zur Ergänzung des Bündnisses
vom 6. Februar 1778 abschloß, bei Holland, das damals mit England im
Krieg lebte und deßhalb keinen Anstand nahm, am 2. October 1782 mit
Amerika abzuschließen, und mit Schweden, das am 3. April 1783, also zwi¬
schen dem Waffenstillstand und dem Pariser Frieden, nachfolgte. Dann
kam Preußen. Man kann nicht leugnen, daß Preußen, gleich manchen an¬
dern europäischen Staaten, den Werth der damaligen Handelsverbindungen
mit Amerika weit überschätzte, daß die amerikanischen Gesandten sich natürlich
nicht veranlaßt fanden, diesen Irrthum aufzuklären, und daß der letztere viel
dazu beitrug, die gegenseitige Annäherung zu beschleunigen und zu erleichtern.
Auch ist ein leichter Anflug von Don-Quijoterie nicht wegzudisputiren, wenn
zwei Mächte, welche beide keine Flotte haben, ein Bündniß schließen "zur
Vertheidigung der Freiheit der Meere." Aber auf der andern Seite ist es
doch immer ein erhebendes Schauspiel, wie zwei junge und aufstrebende Staa¬
ten, im Gefühle der großen Zukunft, welche ihnen bevorsteht, und im be¬
wußten Gegensatz zu den Regierungen, welche sich von den Traditionen einer
barbarischen Vergangenheit nicht zu trennen vermögen, mitten in einem ver¬
worrenen Zeitalter keck das leuchtende Banner des Fortschrittes und der Ci¬
vilisation aufpflanzen und nicht daran zweifeln, daß es siegen wird, obgleich
die Entfalter selbst zur Zeit noch nicht Gewalt genug haben, ihm zum Sieg
zu verhelfen.

Den Gang der Unterhandlungen, welche im Haag geführt wurden, auf
der einen Seite durch den preußischen Gesandten von Thulemeier, einen stram¬
men und klugen Beamten westphälischer Abkunft, auf der andern durch den
bereits erwähnten amerikanischen Gesandten John Adams, welcher bestimmt
war, dereinst Washington's Nachfolger als Präsident der Vereinigten Staaten
zu werden, muß man bei Kapp selbst nachlesen. Man wird daraus ersehen


Familien bereitet haben, deren Thätigkeit daraus gerichtet war, den gemein¬
schaftlichen Interessen der Menschheit zu dienen."

Ist es nicht köstlich, zu hören, wie der Uankee so schnell den philosophi¬
schen Flitter abstreift, um zu deduciren, daß die Kaperei durchaus kein luera-
tives Geschäft sei? Es ist begreiflich, daß solche ungewöhnliche Aeußerungen
bei den Regierungen des alten Europa nicht überall auf Sympathien stießen.
Die amerikanischen Gesandten erhielten von Rußland auf ihre Eröffnungen
gar keine Antwort. England erwiderte, es kenne überhaupt den „Congreß"
(die Gesandten schrieben „Unser Souverän, der Congreß, hat uns beauf¬
tragt" :c.) gar nicht, die Herrn möchten doch, bevor man sich überhaupt mit
ihnen einlassen könne, Vollmachten der einzelnen Staaten und Territorien
beibringen, — ein Verlangen, worauf sich die Amerikaner natürlich nicht
einlassen konnten. Ein freundliches Entgegenkommen fanden dieselben nur
bei Frankreich, welches einen neuen Vertrag zur Ergänzung des Bündnisses
vom 6. Februar 1778 abschloß, bei Holland, das damals mit England im
Krieg lebte und deßhalb keinen Anstand nahm, am 2. October 1782 mit
Amerika abzuschließen, und mit Schweden, das am 3. April 1783, also zwi¬
schen dem Waffenstillstand und dem Pariser Frieden, nachfolgte. Dann
kam Preußen. Man kann nicht leugnen, daß Preußen, gleich manchen an¬
dern europäischen Staaten, den Werth der damaligen Handelsverbindungen
mit Amerika weit überschätzte, daß die amerikanischen Gesandten sich natürlich
nicht veranlaßt fanden, diesen Irrthum aufzuklären, und daß der letztere viel
dazu beitrug, die gegenseitige Annäherung zu beschleunigen und zu erleichtern.
Auch ist ein leichter Anflug von Don-Quijoterie nicht wegzudisputiren, wenn
zwei Mächte, welche beide keine Flotte haben, ein Bündniß schließen »zur
Vertheidigung der Freiheit der Meere." Aber auf der andern Seite ist es
doch immer ein erhebendes Schauspiel, wie zwei junge und aufstrebende Staa¬
ten, im Gefühle der großen Zukunft, welche ihnen bevorsteht, und im be¬
wußten Gegensatz zu den Regierungen, welche sich von den Traditionen einer
barbarischen Vergangenheit nicht zu trennen vermögen, mitten in einem ver¬
worrenen Zeitalter keck das leuchtende Banner des Fortschrittes und der Ci¬
vilisation aufpflanzen und nicht daran zweifeln, daß es siegen wird, obgleich
die Entfalter selbst zur Zeit noch nicht Gewalt genug haben, ihm zum Sieg
zu verhelfen.

Den Gang der Unterhandlungen, welche im Haag geführt wurden, auf
der einen Seite durch den preußischen Gesandten von Thulemeier, einen stram¬
men und klugen Beamten westphälischer Abkunft, auf der andern durch den
bereits erwähnten amerikanischen Gesandten John Adams, welcher bestimmt
war, dereinst Washington's Nachfolger als Präsident der Vereinigten Staaten
zu werden, muß man bei Kapp selbst nachlesen. Man wird daraus ersehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/387>, abgerufen am 29.09.2024.