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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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lich Neid auf unser mächtiges Emporkommen, Furcht vor unsrer bisher nicht
geahnten Machtfülle, Mißverständnis) unserer Absichten und der Wunsch, uns
im Frieden nicht zu stark werden zu lassen. Die Ereignisse, die nach dem
Abschluß des Versailler Präliminarfriedens in und bei Paris stattfanden,
haben wieder eine Schwenkung zu unsern Gunsten veranlaßt, und im Allge¬
meinen haben wir uns jetzt über die Art, wie man in den Londoner Blättern
unsre Beziehungen zu Frankreich und unsre innern Angelegenheiten bespricht,
eben nicht zu beschweren. Unverkennbar sind die Sympathien der Mehrheit
des englischen Volkes, die sich eine Zeit lang dem unterliegenden Frankreich
zuwendeten, gegenwärtig auf unsrer Seite. Doch wird es zur Erhaltung und
Stärkung dieser Geneigtheit noch geraume Zeit der Aufklärung über unsere
Ziele und namentlich über die friedfertige, inagressive Natur der neuen deut¬
schen Weltmacht bedürfen, die nur daran denkt, das Recht der Deutschen auf
selbständige, ungestörte Entwickelung inmitten der Nachbarn zu wahren und
fester zu gründen, nicht daran, über die Grenzen der Nationalität und des
Bedürfnisses nach Sicherheit hinauszuwachsen, eines Bedürfnisses, welches der
Frankfurter Frieden erfüllt hat. Diese Aufklärung ist, obwohl wiederholt
und deutlich gegeben, in der That auch jetzt noch nöthig. Denn es ist That¬
sache, daß die öffentliche Meinung in England eine Zeit lang allen Ernstes
an die Möglichkeit eines deutschen Angriffskrieges gedacht, und daß mancher
wackre und sonst ganz gescheite Brite einen solchen sogar für wahrscheinlich
gehalten hat. Ein Beispiel für das Vorhandensein derartiger wunderlicher
Befürchtungen sahen wir erst noch in diesen Tagen und zwar in Gestalt eines
Aufsatzes im Maiheft von "Blackwoods-Magazine," welches denselben --
vermuthlich als besonders beachtenswert!) -- an die Spitze seiner übrigen
Artikel stellte. Dieser Artikel ist so bezeichnend, daß wir ihn in Uebersetzung
mittheilen, zumal er, abgesehen von den durchaus irrthümlichen Voraus¬
setzungen, die dem Verfasser Deutschland als kriegslustig und annexionssüchtig
erscheinen lassen, und abgerechnet einige Uebertreibungen, welche auf dem Be¬
streben beruhen, dem Publikum Englands die beabsichtigte Militärreorgani¬
sation recht dringend und drastisch zu empfehlen, eine gute Anzahl Wahrheiten
über englische Zustände enthält und in ungemein anziehender Manier ge¬
schrieben ist. Wir senden nur noch voraus, daß der Verfasser seine Gedanken und
Wünsche in die Erzählung eines alten Herrn kleidet, der den Einbruch und
Sieg der deutschen Jnvasionsarmee in England mit erlebt hat und nach einer
Reihe von Jahren, etwa im dritten Decennium des zwanzigsten Jahrhunderts,
wehmüthig seinen Enkeln darüber berichtet. Der Großvater sagt:

Ihr bittet mich, meine Enkel, euch etwas von meinem Antheil an den
großen Ereignissen zu erzählen, die sich vor fünfzig Jahren vollzogen. Es ist


lich Neid auf unser mächtiges Emporkommen, Furcht vor unsrer bisher nicht
geahnten Machtfülle, Mißverständnis) unserer Absichten und der Wunsch, uns
im Frieden nicht zu stark werden zu lassen. Die Ereignisse, die nach dem
Abschluß des Versailler Präliminarfriedens in und bei Paris stattfanden,
haben wieder eine Schwenkung zu unsern Gunsten veranlaßt, und im Allge¬
meinen haben wir uns jetzt über die Art, wie man in den Londoner Blättern
unsre Beziehungen zu Frankreich und unsre innern Angelegenheiten bespricht,
eben nicht zu beschweren. Unverkennbar sind die Sympathien der Mehrheit
des englischen Volkes, die sich eine Zeit lang dem unterliegenden Frankreich
zuwendeten, gegenwärtig auf unsrer Seite. Doch wird es zur Erhaltung und
Stärkung dieser Geneigtheit noch geraume Zeit der Aufklärung über unsere
Ziele und namentlich über die friedfertige, inagressive Natur der neuen deut¬
schen Weltmacht bedürfen, die nur daran denkt, das Recht der Deutschen auf
selbständige, ungestörte Entwickelung inmitten der Nachbarn zu wahren und
fester zu gründen, nicht daran, über die Grenzen der Nationalität und des
Bedürfnisses nach Sicherheit hinauszuwachsen, eines Bedürfnisses, welches der
Frankfurter Frieden erfüllt hat. Diese Aufklärung ist, obwohl wiederholt
und deutlich gegeben, in der That auch jetzt noch nöthig. Denn es ist That¬
sache, daß die öffentliche Meinung in England eine Zeit lang allen Ernstes
an die Möglichkeit eines deutschen Angriffskrieges gedacht, und daß mancher
wackre und sonst ganz gescheite Brite einen solchen sogar für wahrscheinlich
gehalten hat. Ein Beispiel für das Vorhandensein derartiger wunderlicher
Befürchtungen sahen wir erst noch in diesen Tagen und zwar in Gestalt eines
Aufsatzes im Maiheft von „Blackwoods-Magazine," welches denselben —
vermuthlich als besonders beachtenswert!) — an die Spitze seiner übrigen
Artikel stellte. Dieser Artikel ist so bezeichnend, daß wir ihn in Uebersetzung
mittheilen, zumal er, abgesehen von den durchaus irrthümlichen Voraus¬
setzungen, die dem Verfasser Deutschland als kriegslustig und annexionssüchtig
erscheinen lassen, und abgerechnet einige Uebertreibungen, welche auf dem Be¬
streben beruhen, dem Publikum Englands die beabsichtigte Militärreorgani¬
sation recht dringend und drastisch zu empfehlen, eine gute Anzahl Wahrheiten
über englische Zustände enthält und in ungemein anziehender Manier ge¬
schrieben ist. Wir senden nur noch voraus, daß der Verfasser seine Gedanken und
Wünsche in die Erzählung eines alten Herrn kleidet, der den Einbruch und
Sieg der deutschen Jnvasionsarmee in England mit erlebt hat und nach einer
Reihe von Jahren, etwa im dritten Decennium des zwanzigsten Jahrhunderts,
wehmüthig seinen Enkeln darüber berichtet. Der Großvater sagt:

Ihr bittet mich, meine Enkel, euch etwas von meinem Antheil an den
großen Ereignissen zu erzählen, die sich vor fünfzig Jahren vollzogen. Es ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/355>, abgerufen am 28.12.2024.