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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Handelsartikel ist, wie Holz. Baumwollen- und Seidenstoffe, und das Unge¬
heuerliche der Vernichtung des Tabakshandels an der minder gewohnten Vor¬
stellung der Vernichtung des Handels mit solchen anderen Artikeln messen.

Ich brauche die Bedenken sittlicher und politischer Natur, welche gegen
das Tabaksmonopol sprechen, nicht umständlich auszuführen. Erst seit der
Beseitigung aller Monopole und aller Staatsplusmacherei erfreuen wir uns
in allen Theilen des Vaterlandes eines unbestechlichen Beamtenstandes. Erst
seit der Ermäßigung unseres Zolltarifes und seit der Vereinfachung unserer
Zollgrenzen verschwinden je mehr und mehr jene gefährlichen Elemente der
Bevölkerung, welche aus der Gesetzesverletzung ein Gewerbe machen. Es ist
kein Zufall, daß Bestechlichkeit und Gewissenlosigkeit der Beamten noch heute
da am häusigsten sind, wo das Monopolwesen blüht und der Zolltarif die
höchsten Sätze aufweiset. Das Uebel wuchert schnell und auch unsere sittlich
gesündere Natur würde ihm nicht widerstehen; aber es wieder zu beseitigen
kostet Jahrzehnte unsäglicher Arbeit. Sagt man sich nicht, daß unter
der Bestechlichkeit und Pflichtvergessenheit der Beamten, daß unter der
Willkür der Vernichtung zahlreicher wirthschaftlicher Existenzen die
Würde und das Ansehen des Staates mehr leidet, als er durch die
auf dem Wege des Monopoles gewonnenen Millionen an Macht gewin¬
nen kann? Wer, der eines gesunden politischen Urtheils noch fähig ist,
könnte seine Augen der Gefahr verschließen, welche die unvermeidliche Frucht
jener Staatseinrichtungen ist, welche die wirthschaftliche Existenz von
Tausenden von Geschäftsleuten von den Launen und Neigungen eines
Häufleins von Beamten abhängig machen?

Es ist hier nicht meine Aufgabe, die Frage zu beantworten, ob denn
die finanzielle Lage des Reiches eine Einnahme-Vermehrung gerade durch Auf¬
schläge erheischt, oder inwieweit die würtenbergische Regierung Recht hat,
wenn sie die Bedeckung eines beträchtlichen Theiles des Normalerfvrdernisses
des Reiches durch Matricularbeiträge schon jetzt für unstatthaft erklärt. Für
auf die Dauer unhaltbar möchte ich diese Art der Ausgabenbedeckung aller¬
dings auch ansehen. Aber, wenn die Aufschläge es sind, wozu man aus¬
schließlich seine Zuflucht nehmen kann und also nehmen muß -- der Tabak
ist in Deutschland nicht jener Finanzartikel, von dem man ohne ganz uner¬
hörte revolutionäre Eingriffe in unser gesäumtes Wirthschaftsleben, ohne
Opfer, die in jedem Falle den Erfolg einer solchen Besteuerung überwiegen,
einen großen Theil des zur Bedeckung der Reichsausgaben Erforderlichen er¬
warten darf.

Die Presse hat vor der Volksvertretung den Vortheil voraus, daß keine
constitutionelle Regel ihr gebietet, sich einem unzulässigen Steuervorschlag
gegenüber lediglich negirend zu verhalten und nun einen besseren Vorschlag


Handelsartikel ist, wie Holz. Baumwollen- und Seidenstoffe, und das Unge¬
heuerliche der Vernichtung des Tabakshandels an der minder gewohnten Vor¬
stellung der Vernichtung des Handels mit solchen anderen Artikeln messen.

Ich brauche die Bedenken sittlicher und politischer Natur, welche gegen
das Tabaksmonopol sprechen, nicht umständlich auszuführen. Erst seit der
Beseitigung aller Monopole und aller Staatsplusmacherei erfreuen wir uns
in allen Theilen des Vaterlandes eines unbestechlichen Beamtenstandes. Erst
seit der Ermäßigung unseres Zolltarifes und seit der Vereinfachung unserer
Zollgrenzen verschwinden je mehr und mehr jene gefährlichen Elemente der
Bevölkerung, welche aus der Gesetzesverletzung ein Gewerbe machen. Es ist
kein Zufall, daß Bestechlichkeit und Gewissenlosigkeit der Beamten noch heute
da am häusigsten sind, wo das Monopolwesen blüht und der Zolltarif die
höchsten Sätze aufweiset. Das Uebel wuchert schnell und auch unsere sittlich
gesündere Natur würde ihm nicht widerstehen; aber es wieder zu beseitigen
kostet Jahrzehnte unsäglicher Arbeit. Sagt man sich nicht, daß unter
der Bestechlichkeit und Pflichtvergessenheit der Beamten, daß unter der
Willkür der Vernichtung zahlreicher wirthschaftlicher Existenzen die
Würde und das Ansehen des Staates mehr leidet, als er durch die
auf dem Wege des Monopoles gewonnenen Millionen an Macht gewin¬
nen kann? Wer, der eines gesunden politischen Urtheils noch fähig ist,
könnte seine Augen der Gefahr verschließen, welche die unvermeidliche Frucht
jener Staatseinrichtungen ist, welche die wirthschaftliche Existenz von
Tausenden von Geschäftsleuten von den Launen und Neigungen eines
Häufleins von Beamten abhängig machen?

Es ist hier nicht meine Aufgabe, die Frage zu beantworten, ob denn
die finanzielle Lage des Reiches eine Einnahme-Vermehrung gerade durch Auf¬
schläge erheischt, oder inwieweit die würtenbergische Regierung Recht hat,
wenn sie die Bedeckung eines beträchtlichen Theiles des Normalerfvrdernisses
des Reiches durch Matricularbeiträge schon jetzt für unstatthaft erklärt. Für
auf die Dauer unhaltbar möchte ich diese Art der Ausgabenbedeckung aller¬
dings auch ansehen. Aber, wenn die Aufschläge es sind, wozu man aus¬
schließlich seine Zuflucht nehmen kann und also nehmen muß — der Tabak
ist in Deutschland nicht jener Finanzartikel, von dem man ohne ganz uner¬
hörte revolutionäre Eingriffe in unser gesäumtes Wirthschaftsleben, ohne
Opfer, die in jedem Falle den Erfolg einer solchen Besteuerung überwiegen,
einen großen Theil des zur Bedeckung der Reichsausgaben Erforderlichen er¬
warten darf.

Die Presse hat vor der Volksvertretung den Vortheil voraus, daß keine
constitutionelle Regel ihr gebietet, sich einem unzulässigen Steuervorschlag
gegenüber lediglich negirend zu verhalten und nun einen besseren Vorschlag


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[0340] Handelsartikel ist, wie Holz. Baumwollen- und Seidenstoffe, und das Unge¬ heuerliche der Vernichtung des Tabakshandels an der minder gewohnten Vor¬ stellung der Vernichtung des Handels mit solchen anderen Artikeln messen. Ich brauche die Bedenken sittlicher und politischer Natur, welche gegen das Tabaksmonopol sprechen, nicht umständlich auszuführen. Erst seit der Beseitigung aller Monopole und aller Staatsplusmacherei erfreuen wir uns in allen Theilen des Vaterlandes eines unbestechlichen Beamtenstandes. Erst seit der Ermäßigung unseres Zolltarifes und seit der Vereinfachung unserer Zollgrenzen verschwinden je mehr und mehr jene gefährlichen Elemente der Bevölkerung, welche aus der Gesetzesverletzung ein Gewerbe machen. Es ist kein Zufall, daß Bestechlichkeit und Gewissenlosigkeit der Beamten noch heute da am häusigsten sind, wo das Monopolwesen blüht und der Zolltarif die höchsten Sätze aufweiset. Das Uebel wuchert schnell und auch unsere sittlich gesündere Natur würde ihm nicht widerstehen; aber es wieder zu beseitigen kostet Jahrzehnte unsäglicher Arbeit. Sagt man sich nicht, daß unter der Bestechlichkeit und Pflichtvergessenheit der Beamten, daß unter der Willkür der Vernichtung zahlreicher wirthschaftlicher Existenzen die Würde und das Ansehen des Staates mehr leidet, als er durch die auf dem Wege des Monopoles gewonnenen Millionen an Macht gewin¬ nen kann? Wer, der eines gesunden politischen Urtheils noch fähig ist, könnte seine Augen der Gefahr verschließen, welche die unvermeidliche Frucht jener Staatseinrichtungen ist, welche die wirthschaftliche Existenz von Tausenden von Geschäftsleuten von den Launen und Neigungen eines Häufleins von Beamten abhängig machen? Es ist hier nicht meine Aufgabe, die Frage zu beantworten, ob denn die finanzielle Lage des Reiches eine Einnahme-Vermehrung gerade durch Auf¬ schläge erheischt, oder inwieweit die würtenbergische Regierung Recht hat, wenn sie die Bedeckung eines beträchtlichen Theiles des Normalerfvrdernisses des Reiches durch Matricularbeiträge schon jetzt für unstatthaft erklärt. Für auf die Dauer unhaltbar möchte ich diese Art der Ausgabenbedeckung aller¬ dings auch ansehen. Aber, wenn die Aufschläge es sind, wozu man aus¬ schließlich seine Zuflucht nehmen kann und also nehmen muß — der Tabak ist in Deutschland nicht jener Finanzartikel, von dem man ohne ganz uner¬ hörte revolutionäre Eingriffe in unser gesäumtes Wirthschaftsleben, ohne Opfer, die in jedem Falle den Erfolg einer solchen Besteuerung überwiegen, einen großen Theil des zur Bedeckung der Reichsausgaben Erforderlichen er¬ warten darf. Die Presse hat vor der Volksvertretung den Vortheil voraus, daß keine constitutionelle Regel ihr gebietet, sich einem unzulässigen Steuervorschlag gegenüber lediglich negirend zu verhalten und nun einen besseren Vorschlag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/340>, abgerufen am 28.12.2024.