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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Vorschüsse an eapitallose Fischer, um sie in den Stand zu setzen sich einzeln
oder in genossenschaftlicher Verbindung seefeste Schiffe, Grundnetze und son¬
stiges unentbehrliches Material anzuschaffen. Andere aber, und darunter sehr
einflußreiche Leute, dachten allerdings an Prämien. Sie wollten Deutschland
-- oder Preußen -- alles Ernstes zumuthen, in der Reife seines Alters sich
einer jener staatswirthschaftlichen Jugendthorheiten zu überlassen, von denen
England und Holland längst zurückgekommen sind, während Frankreich sie
mit so manchem anderen schutzzöllnerischen Unfug nur aus greisenhafter
Schwäche und Verblendung noch fortsetzt., Wenn dieser Hintergedanke an der
Zuspitzung des Planes auf Preußen statt auf das deutsche Reich einigen An¬
theil haben sollte, so müssen die preußischen Volksvertreter doppelt auf ihrer
Hut sein.

Dies um so mehr, als die wohlmeinenden, aber in der Sache selbst offen¬
bar nicht sattsam unterrichteten Leiter der kleinen Agitation es so eingerichtet
haben, daß die verschiedenen Freunde der Sache jeder sein individuelles Stecken¬
pferd zu reiten bekommt. Der Abg. Harkort erhält die Fluthhäfen auf den
ostfriesischen Inseln, in welche er alljährlich mindestens einmal mit vollen
Segeln einzufahren Pflegt, sei es im Abgeordnetenhause, sei es im Reichstage,
oder wo sonst. Der Abg. Mosle mag, wenn er will, seinen Gedanken wieder¬
finden in der Erwähnung von Fischer-Genossenschaften im dritten und von Vor¬
schüssen an Fischer im vierten Antrage des Vereinsbeschlusses. Die 50,000
Thaler jährlich sind ein Verbesserungsantrag des Geheimraths Wehrmann zu
der Mosle'schen Credit-Eröffnung in dem runden einmaligen Betrage von einer
halben Million; und der Abg. Freeden endlich, in Hamburg ansässig, doch
für Ostfriesland gewählt, ist der glückliche Vater der Idee, den altostfrie-
sischen Häringsfäng mit der neu hanseatischen Grundnetzfischerei organisch zu
combiniren.

Verführerischer kann eigentlich nichts auftreten, als dieses dichte Bündel
von Verheißungen für einen fo fabelhaft billigen Preis. Was sind
30.000 Thaler jährlich, auf sechs Jahre hinaus zu bewilligen, wenn man da¬
für der Nordsee-Fischerei die Heilmittel aller für sachverständig geltender
Speciälärzte auf einmal appliciren kann?

Kann man es aber wirklich? Jene gute alte Sorte von Bureaukratie,
die noch mit naiver Ehrlichkeit daran glaubt, daß der Staat im Besitz einer
Wünschelruthe für jede Erzader und des specifischen Netzes für Fischfange Petri
ist, falls die Volksvertretung ihr nur nicht alle Mittel vorenthält, -- ihr
macht die Zulänglichkeit der Summe natürlich keine Schmerzen, wenn nur
überhaupt bewilligt wird. Läßt sich nicht alles und nicht viel erreichen, nun
so begnügt man sich in deutscher Bescheidenheit mit wenigem! Je vager und
weitschichtiger das Programm einer solchen Thätigkeit, desto leichter möglich er-


Vorschüsse an eapitallose Fischer, um sie in den Stand zu setzen sich einzeln
oder in genossenschaftlicher Verbindung seefeste Schiffe, Grundnetze und son¬
stiges unentbehrliches Material anzuschaffen. Andere aber, und darunter sehr
einflußreiche Leute, dachten allerdings an Prämien. Sie wollten Deutschland
— oder Preußen — alles Ernstes zumuthen, in der Reife seines Alters sich
einer jener staatswirthschaftlichen Jugendthorheiten zu überlassen, von denen
England und Holland längst zurückgekommen sind, während Frankreich sie
mit so manchem anderen schutzzöllnerischen Unfug nur aus greisenhafter
Schwäche und Verblendung noch fortsetzt., Wenn dieser Hintergedanke an der
Zuspitzung des Planes auf Preußen statt auf das deutsche Reich einigen An¬
theil haben sollte, so müssen die preußischen Volksvertreter doppelt auf ihrer
Hut sein.

Dies um so mehr, als die wohlmeinenden, aber in der Sache selbst offen¬
bar nicht sattsam unterrichteten Leiter der kleinen Agitation es so eingerichtet
haben, daß die verschiedenen Freunde der Sache jeder sein individuelles Stecken¬
pferd zu reiten bekommt. Der Abg. Harkort erhält die Fluthhäfen auf den
ostfriesischen Inseln, in welche er alljährlich mindestens einmal mit vollen
Segeln einzufahren Pflegt, sei es im Abgeordnetenhause, sei es im Reichstage,
oder wo sonst. Der Abg. Mosle mag, wenn er will, seinen Gedanken wieder¬
finden in der Erwähnung von Fischer-Genossenschaften im dritten und von Vor¬
schüssen an Fischer im vierten Antrage des Vereinsbeschlusses. Die 50,000
Thaler jährlich sind ein Verbesserungsantrag des Geheimraths Wehrmann zu
der Mosle'schen Credit-Eröffnung in dem runden einmaligen Betrage von einer
halben Million; und der Abg. Freeden endlich, in Hamburg ansässig, doch
für Ostfriesland gewählt, ist der glückliche Vater der Idee, den altostfrie-
sischen Häringsfäng mit der neu hanseatischen Grundnetzfischerei organisch zu
combiniren.

Verführerischer kann eigentlich nichts auftreten, als dieses dichte Bündel
von Verheißungen für einen fo fabelhaft billigen Preis. Was sind
30.000 Thaler jährlich, auf sechs Jahre hinaus zu bewilligen, wenn man da¬
für der Nordsee-Fischerei die Heilmittel aller für sachverständig geltender
Speciälärzte auf einmal appliciren kann?

Kann man es aber wirklich? Jene gute alte Sorte von Bureaukratie,
die noch mit naiver Ehrlichkeit daran glaubt, daß der Staat im Besitz einer
Wünschelruthe für jede Erzader und des specifischen Netzes für Fischfange Petri
ist, falls die Volksvertretung ihr nur nicht alle Mittel vorenthält, — ihr
macht die Zulänglichkeit der Summe natürlich keine Schmerzen, wenn nur
überhaupt bewilligt wird. Läßt sich nicht alles und nicht viel erreichen, nun
so begnügt man sich in deutscher Bescheidenheit mit wenigem! Je vager und
weitschichtiger das Programm einer solchen Thätigkeit, desto leichter möglich er-


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[0323] Vorschüsse an eapitallose Fischer, um sie in den Stand zu setzen sich einzeln oder in genossenschaftlicher Verbindung seefeste Schiffe, Grundnetze und son¬ stiges unentbehrliches Material anzuschaffen. Andere aber, und darunter sehr einflußreiche Leute, dachten allerdings an Prämien. Sie wollten Deutschland — oder Preußen — alles Ernstes zumuthen, in der Reife seines Alters sich einer jener staatswirthschaftlichen Jugendthorheiten zu überlassen, von denen England und Holland längst zurückgekommen sind, während Frankreich sie mit so manchem anderen schutzzöllnerischen Unfug nur aus greisenhafter Schwäche und Verblendung noch fortsetzt., Wenn dieser Hintergedanke an der Zuspitzung des Planes auf Preußen statt auf das deutsche Reich einigen An¬ theil haben sollte, so müssen die preußischen Volksvertreter doppelt auf ihrer Hut sein. Dies um so mehr, als die wohlmeinenden, aber in der Sache selbst offen¬ bar nicht sattsam unterrichteten Leiter der kleinen Agitation es so eingerichtet haben, daß die verschiedenen Freunde der Sache jeder sein individuelles Stecken¬ pferd zu reiten bekommt. Der Abg. Harkort erhält die Fluthhäfen auf den ostfriesischen Inseln, in welche er alljährlich mindestens einmal mit vollen Segeln einzufahren Pflegt, sei es im Abgeordnetenhause, sei es im Reichstage, oder wo sonst. Der Abg. Mosle mag, wenn er will, seinen Gedanken wieder¬ finden in der Erwähnung von Fischer-Genossenschaften im dritten und von Vor¬ schüssen an Fischer im vierten Antrage des Vereinsbeschlusses. Die 50,000 Thaler jährlich sind ein Verbesserungsantrag des Geheimraths Wehrmann zu der Mosle'schen Credit-Eröffnung in dem runden einmaligen Betrage von einer halben Million; und der Abg. Freeden endlich, in Hamburg ansässig, doch für Ostfriesland gewählt, ist der glückliche Vater der Idee, den altostfrie- sischen Häringsfäng mit der neu hanseatischen Grundnetzfischerei organisch zu combiniren. Verführerischer kann eigentlich nichts auftreten, als dieses dichte Bündel von Verheißungen für einen fo fabelhaft billigen Preis. Was sind 30.000 Thaler jährlich, auf sechs Jahre hinaus zu bewilligen, wenn man da¬ für der Nordsee-Fischerei die Heilmittel aller für sachverständig geltender Speciälärzte auf einmal appliciren kann? Kann man es aber wirklich? Jene gute alte Sorte von Bureaukratie, die noch mit naiver Ehrlichkeit daran glaubt, daß der Staat im Besitz einer Wünschelruthe für jede Erzader und des specifischen Netzes für Fischfange Petri ist, falls die Volksvertretung ihr nur nicht alle Mittel vorenthält, — ihr macht die Zulänglichkeit der Summe natürlich keine Schmerzen, wenn nur überhaupt bewilligt wird. Läßt sich nicht alles und nicht viel erreichen, nun so begnügt man sich in deutscher Bescheidenheit mit wenigem! Je vager und weitschichtiger das Programm einer solchen Thätigkeit, desto leichter möglich er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/323>, abgerufen am 29.09.2024.