Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.Ein Mitglied mehr) daß hingegen die andere Hälfte von den anderen Parteien Daß diese Anordnung nicht ungerecht ist, ergiebt sich daraus, daß die ver¬ Von Interesse ist, zu sehen, daß eine eigentliche Trennung nach Norden Schon die ungewöhnlich zahlreichen engeren Wahlen zeigen, daß in den Ein Mitglied mehr) daß hingegen die andere Hälfte von den anderen Parteien Daß diese Anordnung nicht ungerecht ist, ergiebt sich daraus, daß die ver¬ Von Interesse ist, zu sehen, daß eine eigentliche Trennung nach Norden Schon die ungewöhnlich zahlreichen engeren Wahlen zeigen, daß in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125813"/> <p xml:id="ID_69" prev="#ID_68"> Ein Mitglied mehr) daß hingegen die andere Hälfte von den anderen Parteien<lb/> gemeinschaftlich zusammen gestellt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_70"> Daß diese Anordnung nicht ungerecht ist, ergiebt sich daraus, daß die ver¬<lb/> einigten Liberalen die unbestrittene Mehrheit bilden. Das hat sich bereits<lb/> bei der Ernennung des Präsidiums herausgestellt. Schon bei der Wahl des<lb/> Fürsten Hohenlohe zum ersten Mcepräsidenten stimmten nur 222 Mitglieder<lb/> des Hauses für diesen, und 60 clericale Stimmen fielen auf den bairischen<lb/> Baron Arelim. Das eigentliche Messen der Kräfte trat aber bei der Wahl des<lb/> zweiten Vice-Präsidenten ein. Von 296 abgegebenen Stimmen fielen 150,<lb/> also nur sehr wenig über die erforderliche Majorität, auf den Candidaten der<lb/> vereinigten nationalen und liberalen Elemente, auf Herrn von Weber, den<lb/> Präsidenten der württembergischen Kammer. Ein Theil der reactionären<lb/> Elemente stimmte mit 64 Voden für Reichensperger, ein anderer mit 74 Voden<lb/> für Herrn von Blankenburg.</p><lb/> <p xml:id="ID_71"> Von Interesse ist, zu sehen, daß eine eigentliche Trennung nach Norden<lb/> und Süden nicht stattfindet. Allerdings haben die bairischen Patrioten (meist<lb/> Gesichter mit dem ausgeprägten Ausdruck von Ketzerrichtern) abgesondert von<lb/> den norddeutschen Clericalen Platz genommen, desto intimer aber ist ihr<lb/> innerer Zusammenhang. Nur die nationalen Mitglieder des Reichstages aus<lb/> Süddeutschland sitzen unterschiedlos mit den norddeutschen Männern gleicher<lb/> Gesinnung zusammen und ihr „Grüß Gott" tönt freudig hin und wieder<lb/> Für den warmen Empfang der Süddeutschen in Berlin dankte Herr von Weber<lb/> recht herzlich und Niemand nahm Anstoß an seiner schwäbischen Redeweise, in<lb/> der das „sah" für das schriftdeutsche se und s eine große Rolle spielte. Die<lb/> Gesammt-Physiognomie des Parlaments ist eine unerwartete, sowohl in Be¬<lb/> treff der süddeutschen als der norddeutschen Abgeordneten. Während die<lb/> Mittel- und Kleinstaaten wie 1867 stark national gewählt haben, sind die<lb/> preußischen Wahlen reactionärer ausgefallen, als irgend Jemand gedacht hätte.<lb/> Die Schuld daran liegt wesentlich an dem matten Auftreten unserer natio¬<lb/> nalen und Liberalen, die gegenüber den geschlossenen Operationen der Clericalen,<lb/> so namentlich im Rheinlande durchaus zersplittert vorgingen, wenn sie sich<lb/> überhaupt geregt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_72" next="#ID_73"> Schon die ungewöhnlich zahlreichen engeren Wahlen zeigen, daß in den<lb/> meisten Fällen jede Partei auf eigene Hand operirt hat. Compromisse haben<lb/> nur wenig stattgefunden — das beweisen auch die oft sehr geringen Mehr¬<lb/> heiten, mit denen die definitiv gewählten Candidaten durchgedrungen sind.<lb/> Daß aber von den alten Parteien im Ganzen nicht stark agitirt worden ist,<lb/> ergiebt sich aus der Thatsache, daß in sehr vielen Kreisen die bisherigen Geg¬<lb/> ner entweder ebenso stark einander gegenüber traten als früher, oder daß doch<lb/> wenigstens sehr oft die Wahlbezirke ihre alten Vertreter behalten haben. Eine</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Ein Mitglied mehr) daß hingegen die andere Hälfte von den anderen Parteien
gemeinschaftlich zusammen gestellt wird.
Daß diese Anordnung nicht ungerecht ist, ergiebt sich daraus, daß die ver¬
einigten Liberalen die unbestrittene Mehrheit bilden. Das hat sich bereits
bei der Ernennung des Präsidiums herausgestellt. Schon bei der Wahl des
Fürsten Hohenlohe zum ersten Mcepräsidenten stimmten nur 222 Mitglieder
des Hauses für diesen, und 60 clericale Stimmen fielen auf den bairischen
Baron Arelim. Das eigentliche Messen der Kräfte trat aber bei der Wahl des
zweiten Vice-Präsidenten ein. Von 296 abgegebenen Stimmen fielen 150,
also nur sehr wenig über die erforderliche Majorität, auf den Candidaten der
vereinigten nationalen und liberalen Elemente, auf Herrn von Weber, den
Präsidenten der württembergischen Kammer. Ein Theil der reactionären
Elemente stimmte mit 64 Voden für Reichensperger, ein anderer mit 74 Voden
für Herrn von Blankenburg.
Von Interesse ist, zu sehen, daß eine eigentliche Trennung nach Norden
und Süden nicht stattfindet. Allerdings haben die bairischen Patrioten (meist
Gesichter mit dem ausgeprägten Ausdruck von Ketzerrichtern) abgesondert von
den norddeutschen Clericalen Platz genommen, desto intimer aber ist ihr
innerer Zusammenhang. Nur die nationalen Mitglieder des Reichstages aus
Süddeutschland sitzen unterschiedlos mit den norddeutschen Männern gleicher
Gesinnung zusammen und ihr „Grüß Gott" tönt freudig hin und wieder
Für den warmen Empfang der Süddeutschen in Berlin dankte Herr von Weber
recht herzlich und Niemand nahm Anstoß an seiner schwäbischen Redeweise, in
der das „sah" für das schriftdeutsche se und s eine große Rolle spielte. Die
Gesammt-Physiognomie des Parlaments ist eine unerwartete, sowohl in Be¬
treff der süddeutschen als der norddeutschen Abgeordneten. Während die
Mittel- und Kleinstaaten wie 1867 stark national gewählt haben, sind die
preußischen Wahlen reactionärer ausgefallen, als irgend Jemand gedacht hätte.
Die Schuld daran liegt wesentlich an dem matten Auftreten unserer natio¬
nalen und Liberalen, die gegenüber den geschlossenen Operationen der Clericalen,
so namentlich im Rheinlande durchaus zersplittert vorgingen, wenn sie sich
überhaupt geregt haben.
Schon die ungewöhnlich zahlreichen engeren Wahlen zeigen, daß in den
meisten Fällen jede Partei auf eigene Hand operirt hat. Compromisse haben
nur wenig stattgefunden — das beweisen auch die oft sehr geringen Mehr¬
heiten, mit denen die definitiv gewählten Candidaten durchgedrungen sind.
Daß aber von den alten Parteien im Ganzen nicht stark agitirt worden ist,
ergiebt sich aus der Thatsache, daß in sehr vielen Kreisen die bisherigen Geg¬
ner entweder ebenso stark einander gegenüber traten als früher, oder daß doch
wenigstens sehr oft die Wahlbezirke ihre alten Vertreter behalten haben. Eine
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