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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Spazierfahrt längs der Küsten blockiren. Soll die Blockade eine wirklich
effective sein, so muß das Blockade-Geschwader in das Küstengewässer des
Feindes selbst kommen und dort wirklich und dauernd den Verkehr sperren.

In Betreff der Kriegscontrebande kann die Entscheidung der Frage, was
darunter zu verstehen sei, nicht wohl länger der Gesetzgebung der verschiedenen
Staaten überlassen bleiben, ohne daß die Verwirrung steigt und drohende
Verwickelungen herbeigeführt werden. Es müßte sonach der Begriff völker¬
rechtlich definirt und Alles, was unter denselben fällt, dem Verbot der Zu¬
fuhr unterworfen werden. Freilich es ist schwer, den Begriff festzustellen,
und man wird ihn für den Anfang vielleicht allzu enge greifen müssen. Allein
das darf uns von dem Versuche nicht abhalten. Die Enge der Definition
kann dadurch ergänzt werden, daß man denjenigen Staaten, welche während
eines Kriegs den Begriff weiter auffassen wollen, die Verpflichtung auferlegt,
bei Zeiten eine öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, welche weitere Artikel
er ebenfalls noch mit zur Kriegscontrebande rechnet, damit Jedermänniglich
gewarnt sei und wisse, woran er halte.

Einen Schritt vorwärts haben bereits die 1856 auf dem Pariser Congreß
versammelten Mächte gethan, indem sie erklärten: 1. die Kaperei ist abge¬
schafft (nicht aber das Aufbringen von Kauffahrern durch die Kriegsmarine);
2. die Blockade ist beschränkt; 3. Feindes Gut unter neutraler
Flagge und 4. neutrales Gut in Feindes Schiffe sind sicher, beides
mit Ausnahme der Kriegscontrebande.

Allein durch diesen Act wird der Gegenstand nicht erschöpft, die Frage
nicht gelöst; und abgesehen von den Mängeln des Inhalts, welcher Privat¬
eigenthum zur See wohl gegen Kaperei, nicht aber auch gegen die Kriegs-
Marine des Feindes schützt, handelt es sich in formeller Beziehung nicht um
einen förmlichen Vertrag, sondern nur um eine gemeinsame Declaration darüber,
was nach Ansicht der europäischen Mächte -- privatrechtlich würde man sagen:
"nach der communis äoetorum oxiiüo" -- dem Recht und der Sitte entspreche.
Außerdem ist Amerika noch nicht beigetreten, welches für den Fall des Aus¬
bruches eines Krieges mit England sich des Rechts, Kaperbriefe auszustellen, nicht
begeben will, weil es sich dadurch schadlos zu halten gedenkt für die Beein¬
trächtigungen, welche der amerikanische Seehandel durch die englische Kriegs¬
marine erleidet. Auch hat am 21. April 1871 in London eine Unterhaus¬
debatte stattgefunden, welche nicht undeutlich das Gelüste verräth, sich von
der Pariser Declaration loszusagen und auch die Kaperei wieder einzuführen.
Und endlich haben sich selbst in Nordamerika während des Krieges gewichtige
Stimmen für völlige Beibehaltung des Systems der Kaperei und der Prisen
erhoben. Am 6. Januar 1871 hat sich die Handelskammer von New-Dort
für dasselbe ausgesprochen, und das sehr einflußreiche New-Yorker "Journal


Spazierfahrt längs der Küsten blockiren. Soll die Blockade eine wirklich
effective sein, so muß das Blockade-Geschwader in das Küstengewässer des
Feindes selbst kommen und dort wirklich und dauernd den Verkehr sperren.

In Betreff der Kriegscontrebande kann die Entscheidung der Frage, was
darunter zu verstehen sei, nicht wohl länger der Gesetzgebung der verschiedenen
Staaten überlassen bleiben, ohne daß die Verwirrung steigt und drohende
Verwickelungen herbeigeführt werden. Es müßte sonach der Begriff völker¬
rechtlich definirt und Alles, was unter denselben fällt, dem Verbot der Zu¬
fuhr unterworfen werden. Freilich es ist schwer, den Begriff festzustellen,
und man wird ihn für den Anfang vielleicht allzu enge greifen müssen. Allein
das darf uns von dem Versuche nicht abhalten. Die Enge der Definition
kann dadurch ergänzt werden, daß man denjenigen Staaten, welche während
eines Kriegs den Begriff weiter auffassen wollen, die Verpflichtung auferlegt,
bei Zeiten eine öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, welche weitere Artikel
er ebenfalls noch mit zur Kriegscontrebande rechnet, damit Jedermänniglich
gewarnt sei und wisse, woran er halte.

Einen Schritt vorwärts haben bereits die 1856 auf dem Pariser Congreß
versammelten Mächte gethan, indem sie erklärten: 1. die Kaperei ist abge¬
schafft (nicht aber das Aufbringen von Kauffahrern durch die Kriegsmarine);
2. die Blockade ist beschränkt; 3. Feindes Gut unter neutraler
Flagge und 4. neutrales Gut in Feindes Schiffe sind sicher, beides
mit Ausnahme der Kriegscontrebande.

Allein durch diesen Act wird der Gegenstand nicht erschöpft, die Frage
nicht gelöst; und abgesehen von den Mängeln des Inhalts, welcher Privat¬
eigenthum zur See wohl gegen Kaperei, nicht aber auch gegen die Kriegs-
Marine des Feindes schützt, handelt es sich in formeller Beziehung nicht um
einen förmlichen Vertrag, sondern nur um eine gemeinsame Declaration darüber,
was nach Ansicht der europäischen Mächte — privatrechtlich würde man sagen:
„nach der communis äoetorum oxiiüo" — dem Recht und der Sitte entspreche.
Außerdem ist Amerika noch nicht beigetreten, welches für den Fall des Aus¬
bruches eines Krieges mit England sich des Rechts, Kaperbriefe auszustellen, nicht
begeben will, weil es sich dadurch schadlos zu halten gedenkt für die Beein¬
trächtigungen, welche der amerikanische Seehandel durch die englische Kriegs¬
marine erleidet. Auch hat am 21. April 1871 in London eine Unterhaus¬
debatte stattgefunden, welche nicht undeutlich das Gelüste verräth, sich von
der Pariser Declaration loszusagen und auch die Kaperei wieder einzuführen.
Und endlich haben sich selbst in Nordamerika während des Krieges gewichtige
Stimmen für völlige Beibehaltung des Systems der Kaperei und der Prisen
erhoben. Am 6. Januar 1871 hat sich die Handelskammer von New-Dort
für dasselbe ausgesprochen, und das sehr einflußreiche New-Yorker „Journal


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[0309] Spazierfahrt längs der Küsten blockiren. Soll die Blockade eine wirklich effective sein, so muß das Blockade-Geschwader in das Küstengewässer des Feindes selbst kommen und dort wirklich und dauernd den Verkehr sperren. In Betreff der Kriegscontrebande kann die Entscheidung der Frage, was darunter zu verstehen sei, nicht wohl länger der Gesetzgebung der verschiedenen Staaten überlassen bleiben, ohne daß die Verwirrung steigt und drohende Verwickelungen herbeigeführt werden. Es müßte sonach der Begriff völker¬ rechtlich definirt und Alles, was unter denselben fällt, dem Verbot der Zu¬ fuhr unterworfen werden. Freilich es ist schwer, den Begriff festzustellen, und man wird ihn für den Anfang vielleicht allzu enge greifen müssen. Allein das darf uns von dem Versuche nicht abhalten. Die Enge der Definition kann dadurch ergänzt werden, daß man denjenigen Staaten, welche während eines Kriegs den Begriff weiter auffassen wollen, die Verpflichtung auferlegt, bei Zeiten eine öffentliche Bekanntmachung zu erlassen, welche weitere Artikel er ebenfalls noch mit zur Kriegscontrebande rechnet, damit Jedermänniglich gewarnt sei und wisse, woran er halte. Einen Schritt vorwärts haben bereits die 1856 auf dem Pariser Congreß versammelten Mächte gethan, indem sie erklärten: 1. die Kaperei ist abge¬ schafft (nicht aber das Aufbringen von Kauffahrern durch die Kriegsmarine); 2. die Blockade ist beschränkt; 3. Feindes Gut unter neutraler Flagge und 4. neutrales Gut in Feindes Schiffe sind sicher, beides mit Ausnahme der Kriegscontrebande. Allein durch diesen Act wird der Gegenstand nicht erschöpft, die Frage nicht gelöst; und abgesehen von den Mängeln des Inhalts, welcher Privat¬ eigenthum zur See wohl gegen Kaperei, nicht aber auch gegen die Kriegs- Marine des Feindes schützt, handelt es sich in formeller Beziehung nicht um einen förmlichen Vertrag, sondern nur um eine gemeinsame Declaration darüber, was nach Ansicht der europäischen Mächte — privatrechtlich würde man sagen: „nach der communis äoetorum oxiiüo" — dem Recht und der Sitte entspreche. Außerdem ist Amerika noch nicht beigetreten, welches für den Fall des Aus¬ bruches eines Krieges mit England sich des Rechts, Kaperbriefe auszustellen, nicht begeben will, weil es sich dadurch schadlos zu halten gedenkt für die Beein¬ trächtigungen, welche der amerikanische Seehandel durch die englische Kriegs¬ marine erleidet. Auch hat am 21. April 1871 in London eine Unterhaus¬ debatte stattgefunden, welche nicht undeutlich das Gelüste verräth, sich von der Pariser Declaration loszusagen und auch die Kaperei wieder einzuführen. Und endlich haben sich selbst in Nordamerika während des Krieges gewichtige Stimmen für völlige Beibehaltung des Systems der Kaperei und der Prisen erhoben. Am 6. Januar 1871 hat sich die Handelskammer von New-Dort für dasselbe ausgesprochen, und das sehr einflußreiche New-Yorker „Journal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/309>, abgerufen am 29.09.2024.