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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Daß er dieses gar nicht zu verstecken sucht, sondern dem Leser mit aller
Aufrichtigkeit zeigt, -- ist das Beste, was ich von seiner Beweisführung zu
sagen weiß, obschon ich mich wundere, daß er sie in dieser Gestalt aufrecht
zu erhalten sucht; denn sie steht dabei auf thönernen Füßen und, bricht vor
dem ersten Stoße zusammen. Mein Gegenbeweis bedarf nicht vieler künst¬
licher Wendungen. Ich antworte:

1. Wenn der "Durchschnittseurs" überhaupt wirklich der Gerechtigkeit sür
beide Theile, Schuldner und Gläubiger, entspräche, so würde er hier doch
nicht zu dem Resultate führen, daß ein Goldgulden von ^/z Centigramm nach
dem Durchschnittscurse ein bequemes Uebergangsverhältniß darbiete, wie es
bei dem Satze von 1 : 16,43 der Fall wäre, weil, wie bereits oben erwähnt,
der Durchschnitt zwischen 1 : 15,38 und 1 : 15.50 nicht 1 : 15,43, sondern
1 : 15,44 und nach diesem Werthverhältnisse 1 Goldgulden von ^ Centigr.
nicht 20 Sgr., sondern 20 Sgr. 0^8 Pf- ergiebt.

2. Der Durchschnittseurs, oder richtiger gesagt, alle möglichen Durch¬
schnittscurse, -- denn man kann ihrer schaffen, so viel man will, je nach den
Zeitpunkten, von und nach denen man rechnet, -- entsprechen aber in keiner
Weise der Gerechtigkeit, weil: a) der Schuldner dem Darleiher gegenüber
durchaus nicht sür den Werth des ihm geliehenen Silbers haftet, sondern,
lediglich für das Quantum, b) Wenn der Staat durch seine Münzreform
den Schuldner verhindert, seine Silberschuld demnächst in Silber abzutragen,
vielmehr ihn sowohl "wie den Darleiher gesetzlich zwingt, die Ausgleichung
des Schuldverhältnisses in Gold statt in Silber zu bewerkstelligen, der Staat
allerdings in dem Falle den Gläubiger zu entschädigen haben würde,
wenn sich mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit beweisen ließe, daß nach
abermals fortdauerndem Sinken des Silberwerthes seit 1860 eine neue Stei¬
gerung desselben in Aussicht gestanden hatte, als die Münzresorm eintrat,
und ihm die Möglichkeit abschnitt. Nutzen davon zu ziehen, was aber bis jetzt
wenigstens nicht der Fall ist. e) Folglich ist also der Darleiher oder Gläu¬
biger, als Eigenthümer des Silbers, der Einzige, welcher den Nachtheil der
bisherigen Entwerthung desSilbers, so weit derselbe sein Eigenthum betraf,
zu tragen hat, bis dahin nämlich, wo dieselbe durch gesetzliche Uebergangs¬
maßregeln von Seiten des Staates etwa beschleunigt oder verstärkt würde,
und demnach Z) wird der einzige gerechte zwischen Gläubiger und Schuldner
festzusetzende Conversionscurs der Tagescurs sein, wie er am Tage vor
der ersten gesetzlichen Münzreform-Maßregel an den vornehmsten deutschen
Börsen bestand. (Augenblicklich würde er 1 : 15,50 bis 55 sein; wie dieser
Curs aber stehen werde, wann das künftige Münzgesetz erlassen wird, läßt


Grenzboten I. 1871. 104

Daß er dieses gar nicht zu verstecken sucht, sondern dem Leser mit aller
Aufrichtigkeit zeigt, — ist das Beste, was ich von seiner Beweisführung zu
sagen weiß, obschon ich mich wundere, daß er sie in dieser Gestalt aufrecht
zu erhalten sucht; denn sie steht dabei auf thönernen Füßen und, bricht vor
dem ersten Stoße zusammen. Mein Gegenbeweis bedarf nicht vieler künst¬
licher Wendungen. Ich antworte:

1. Wenn der „Durchschnittseurs" überhaupt wirklich der Gerechtigkeit sür
beide Theile, Schuldner und Gläubiger, entspräche, so würde er hier doch
nicht zu dem Resultate führen, daß ein Goldgulden von ^/z Centigramm nach
dem Durchschnittscurse ein bequemes Uebergangsverhältniß darbiete, wie es
bei dem Satze von 1 : 16,43 der Fall wäre, weil, wie bereits oben erwähnt,
der Durchschnitt zwischen 1 : 15,38 und 1 : 15.50 nicht 1 : 15,43, sondern
1 : 15,44 und nach diesem Werthverhältnisse 1 Goldgulden von ^ Centigr.
nicht 20 Sgr., sondern 20 Sgr. 0^8 Pf- ergiebt.

2. Der Durchschnittseurs, oder richtiger gesagt, alle möglichen Durch¬
schnittscurse, — denn man kann ihrer schaffen, so viel man will, je nach den
Zeitpunkten, von und nach denen man rechnet, — entsprechen aber in keiner
Weise der Gerechtigkeit, weil: a) der Schuldner dem Darleiher gegenüber
durchaus nicht sür den Werth des ihm geliehenen Silbers haftet, sondern,
lediglich für das Quantum, b) Wenn der Staat durch seine Münzreform
den Schuldner verhindert, seine Silberschuld demnächst in Silber abzutragen,
vielmehr ihn sowohl "wie den Darleiher gesetzlich zwingt, die Ausgleichung
des Schuldverhältnisses in Gold statt in Silber zu bewerkstelligen, der Staat
allerdings in dem Falle den Gläubiger zu entschädigen haben würde,
wenn sich mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit beweisen ließe, daß nach
abermals fortdauerndem Sinken des Silberwerthes seit 1860 eine neue Stei¬
gerung desselben in Aussicht gestanden hatte, als die Münzresorm eintrat,
und ihm die Möglichkeit abschnitt. Nutzen davon zu ziehen, was aber bis jetzt
wenigstens nicht der Fall ist. e) Folglich ist also der Darleiher oder Gläu¬
biger, als Eigenthümer des Silbers, der Einzige, welcher den Nachtheil der
bisherigen Entwerthung desSilbers, so weit derselbe sein Eigenthum betraf,
zu tragen hat, bis dahin nämlich, wo dieselbe durch gesetzliche Uebergangs¬
maßregeln von Seiten des Staates etwa beschleunigt oder verstärkt würde,
und demnach Z) wird der einzige gerechte zwischen Gläubiger und Schuldner
festzusetzende Conversionscurs der Tagescurs sein, wie er am Tage vor
der ersten gesetzlichen Münzreform-Maßregel an den vornehmsten deutschen
Börsen bestand. (Augenblicklich würde er 1 : 15,50 bis 55 sein; wie dieser
Curs aber stehen werde, wann das künftige Münzgesetz erlassen wird, läßt


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[0305] Daß er dieses gar nicht zu verstecken sucht, sondern dem Leser mit aller Aufrichtigkeit zeigt, — ist das Beste, was ich von seiner Beweisführung zu sagen weiß, obschon ich mich wundere, daß er sie in dieser Gestalt aufrecht zu erhalten sucht; denn sie steht dabei auf thönernen Füßen und, bricht vor dem ersten Stoße zusammen. Mein Gegenbeweis bedarf nicht vieler künst¬ licher Wendungen. Ich antworte: 1. Wenn der „Durchschnittseurs" überhaupt wirklich der Gerechtigkeit sür beide Theile, Schuldner und Gläubiger, entspräche, so würde er hier doch nicht zu dem Resultate führen, daß ein Goldgulden von ^/z Centigramm nach dem Durchschnittscurse ein bequemes Uebergangsverhältniß darbiete, wie es bei dem Satze von 1 : 16,43 der Fall wäre, weil, wie bereits oben erwähnt, der Durchschnitt zwischen 1 : 15,38 und 1 : 15.50 nicht 1 : 15,43, sondern 1 : 15,44 und nach diesem Werthverhältnisse 1 Goldgulden von ^ Centigr. nicht 20 Sgr., sondern 20 Sgr. 0^8 Pf- ergiebt. 2. Der Durchschnittseurs, oder richtiger gesagt, alle möglichen Durch¬ schnittscurse, — denn man kann ihrer schaffen, so viel man will, je nach den Zeitpunkten, von und nach denen man rechnet, — entsprechen aber in keiner Weise der Gerechtigkeit, weil: a) der Schuldner dem Darleiher gegenüber durchaus nicht sür den Werth des ihm geliehenen Silbers haftet, sondern, lediglich für das Quantum, b) Wenn der Staat durch seine Münzreform den Schuldner verhindert, seine Silberschuld demnächst in Silber abzutragen, vielmehr ihn sowohl "wie den Darleiher gesetzlich zwingt, die Ausgleichung des Schuldverhältnisses in Gold statt in Silber zu bewerkstelligen, der Staat allerdings in dem Falle den Gläubiger zu entschädigen haben würde, wenn sich mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit beweisen ließe, daß nach abermals fortdauerndem Sinken des Silberwerthes seit 1860 eine neue Stei¬ gerung desselben in Aussicht gestanden hatte, als die Münzresorm eintrat, und ihm die Möglichkeit abschnitt. Nutzen davon zu ziehen, was aber bis jetzt wenigstens nicht der Fall ist. e) Folglich ist also der Darleiher oder Gläu¬ biger, als Eigenthümer des Silbers, der Einzige, welcher den Nachtheil der bisherigen Entwerthung desSilbers, so weit derselbe sein Eigenthum betraf, zu tragen hat, bis dahin nämlich, wo dieselbe durch gesetzliche Uebergangs¬ maßregeln von Seiten des Staates etwa beschleunigt oder verstärkt würde, und demnach Z) wird der einzige gerechte zwischen Gläubiger und Schuldner festzusetzende Conversionscurs der Tagescurs sein, wie er am Tage vor der ersten gesetzlichen Münzreform-Maßregel an den vornehmsten deutschen Börsen bestand. (Augenblicklich würde er 1 : 15,50 bis 55 sein; wie dieser Curs aber stehen werde, wann das künftige Münzgesetz erlassen wird, läßt Grenzboten I. 1871. 104

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/305>, abgerufen am 28.12.2024.