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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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4. Wir dürfen uns nicht dadurch irre machen lassen, daß der künftige
deutsche Goldthaler von 1 Gramm feinen Goldes an Werth augenblicklich
nach unsrer Silbermünze 28 Sgr. beträgt, weil die Silberwährung ja ganz ver¬
schwinden wird, so daß wir dann nur nach Goldthalern zu 1 Gramm fein
rechnen und für diese besondere Scheidemünzen in Silber von 100, 50, 23
u, s. w. Kreuzern prägen werden; der Begriff des Silbergroschens wird nur
noch für die Zeit des Ueberganges bestehen, dann aber jedenfalls, sei es beim
Goldthaler oder beim Goldgulden, gänzlich aufhören.

Viele sahen die Nichtigkeit dieser Grundsätze ein. Sie gaben auch zu,
daß einerseits ein Vortheil sei, in dem entsprechenden Münzstücke für 1 Gramm
Feingold den für ganz Norddeutschland altgewohnten Begriff des Thalers
wieder zu finden, und daß andererseits die Annahme einer beträchtlich kleinern
Münzeinheit als ein Thaler im Grunde ein Rückschritt sei, da bei dem stets
sinkenden Werthe des Geldes im Verhältnisse zu anderen wirthschaftlichen Gü¬
tern rationeller Weise eine größere Münzeinheit angestrebt werden müßte,
als die bisherige. Aber nichtsdestoweniger war die Aussicht auf eine allge¬
meine internationale Münzeinigung mit Frankreich, mit dem lateinischen Münz¬
bunde, obschon ihm außer Frankreich, Belgien und der Schweiz nur halb oder
ganz bankerotte Staaten angehörten, zu verlockend für sie. Der Vorschlag
eines Anschlusses an des französische Münzsystem fand eine Menge Anhänger,
die nur insofern unter sich uneinig waren, als einige den einfachen Franken
-- "/zi Gr. Feingold, andere den Goldgulden von 2^ Franken -- "/"s Gr. Fein¬
gold, noch andere den Frankenthaler von S Franken -- Gr. Feingold als
Träger des künftigen deutschen Münzsystems verlangten. Das Jrrationelle,
solche Bruchzahlen als Rechnungseinheiten, als Träger eines ganzen Systems
zu benutzen, war ihnen vollkommen klar. Aber das war "bloße Theorie",
sie suchten den praktischen Vortheil, und glaubten ihn im Anschlusse an Frank¬
reich zu finden.

Was die theoretische Frage betrifft, so waren, nachdem Deutschland in
seiner Goldkrone eine' wissenschaftlich vollkommene Münze geschaffen hatte,
welche geeignet ist, für alle Völker und für alle Zeiten als Muster zu dienen,
zunächst in Frankreich selbst Männer der Wissenschaft, Michel Chevalier, Jean
Baptiste Sah, Beranger, Leon u. A., sodann in Belgien der bekannte Mi¬
nister Frere-Orban gegen das Frankensystem aufgetreten, welcher Letztere bei
der Pariser Münzconfcrenz namentlich für allgemeine Einführung des metri¬
schen Münzsystems sprach. Diese Männer hatten wiederholt laut gegen die
Absurdität protestirt, welche darin liege, wenn man Bruchzahlen wie die
obigen als Münzeinheiten, als Träger eines universellen Münzsystems
behandeln wolle. Man las ferner in den späteren Münzverhandlungen im
französischen Senate, daß Mich. Chevalier dort die deutsche Goldkrone von


4. Wir dürfen uns nicht dadurch irre machen lassen, daß der künftige
deutsche Goldthaler von 1 Gramm feinen Goldes an Werth augenblicklich
nach unsrer Silbermünze 28 Sgr. beträgt, weil die Silberwährung ja ganz ver¬
schwinden wird, so daß wir dann nur nach Goldthalern zu 1 Gramm fein
rechnen und für diese besondere Scheidemünzen in Silber von 100, 50, 23
u, s. w. Kreuzern prägen werden; der Begriff des Silbergroschens wird nur
noch für die Zeit des Ueberganges bestehen, dann aber jedenfalls, sei es beim
Goldthaler oder beim Goldgulden, gänzlich aufhören.

Viele sahen die Nichtigkeit dieser Grundsätze ein. Sie gaben auch zu,
daß einerseits ein Vortheil sei, in dem entsprechenden Münzstücke für 1 Gramm
Feingold den für ganz Norddeutschland altgewohnten Begriff des Thalers
wieder zu finden, und daß andererseits die Annahme einer beträchtlich kleinern
Münzeinheit als ein Thaler im Grunde ein Rückschritt sei, da bei dem stets
sinkenden Werthe des Geldes im Verhältnisse zu anderen wirthschaftlichen Gü¬
tern rationeller Weise eine größere Münzeinheit angestrebt werden müßte,
als die bisherige. Aber nichtsdestoweniger war die Aussicht auf eine allge¬
meine internationale Münzeinigung mit Frankreich, mit dem lateinischen Münz¬
bunde, obschon ihm außer Frankreich, Belgien und der Schweiz nur halb oder
ganz bankerotte Staaten angehörten, zu verlockend für sie. Der Vorschlag
eines Anschlusses an des französische Münzsystem fand eine Menge Anhänger,
die nur insofern unter sich uneinig waren, als einige den einfachen Franken
— "/zi Gr. Feingold, andere den Goldgulden von 2^ Franken — "/«s Gr. Fein¬
gold, noch andere den Frankenthaler von S Franken — Gr. Feingold als
Träger des künftigen deutschen Münzsystems verlangten. Das Jrrationelle,
solche Bruchzahlen als Rechnungseinheiten, als Träger eines ganzen Systems
zu benutzen, war ihnen vollkommen klar. Aber das war „bloße Theorie",
sie suchten den praktischen Vortheil, und glaubten ihn im Anschlusse an Frank¬
reich zu finden.

Was die theoretische Frage betrifft, so waren, nachdem Deutschland in
seiner Goldkrone eine' wissenschaftlich vollkommene Münze geschaffen hatte,
welche geeignet ist, für alle Völker und für alle Zeiten als Muster zu dienen,
zunächst in Frankreich selbst Männer der Wissenschaft, Michel Chevalier, Jean
Baptiste Sah, Beranger, Leon u. A., sodann in Belgien der bekannte Mi¬
nister Frere-Orban gegen das Frankensystem aufgetreten, welcher Letztere bei
der Pariser Münzconfcrenz namentlich für allgemeine Einführung des metri¬
schen Münzsystems sprach. Diese Männer hatten wiederholt laut gegen die
Absurdität protestirt, welche darin liege, wenn man Bruchzahlen wie die
obigen als Münzeinheiten, als Träger eines universellen Münzsystems
behandeln wolle. Man las ferner in den späteren Münzverhandlungen im
französischen Senate, daß Mich. Chevalier dort die deutsche Goldkrone von


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[0291] 4. Wir dürfen uns nicht dadurch irre machen lassen, daß der künftige deutsche Goldthaler von 1 Gramm feinen Goldes an Werth augenblicklich nach unsrer Silbermünze 28 Sgr. beträgt, weil die Silberwährung ja ganz ver¬ schwinden wird, so daß wir dann nur nach Goldthalern zu 1 Gramm fein rechnen und für diese besondere Scheidemünzen in Silber von 100, 50, 23 u, s. w. Kreuzern prägen werden; der Begriff des Silbergroschens wird nur noch für die Zeit des Ueberganges bestehen, dann aber jedenfalls, sei es beim Goldthaler oder beim Goldgulden, gänzlich aufhören. Viele sahen die Nichtigkeit dieser Grundsätze ein. Sie gaben auch zu, daß einerseits ein Vortheil sei, in dem entsprechenden Münzstücke für 1 Gramm Feingold den für ganz Norddeutschland altgewohnten Begriff des Thalers wieder zu finden, und daß andererseits die Annahme einer beträchtlich kleinern Münzeinheit als ein Thaler im Grunde ein Rückschritt sei, da bei dem stets sinkenden Werthe des Geldes im Verhältnisse zu anderen wirthschaftlichen Gü¬ tern rationeller Weise eine größere Münzeinheit angestrebt werden müßte, als die bisherige. Aber nichtsdestoweniger war die Aussicht auf eine allge¬ meine internationale Münzeinigung mit Frankreich, mit dem lateinischen Münz¬ bunde, obschon ihm außer Frankreich, Belgien und der Schweiz nur halb oder ganz bankerotte Staaten angehörten, zu verlockend für sie. Der Vorschlag eines Anschlusses an des französische Münzsystem fand eine Menge Anhänger, die nur insofern unter sich uneinig waren, als einige den einfachen Franken — "/zi Gr. Feingold, andere den Goldgulden von 2^ Franken — "/«s Gr. Fein¬ gold, noch andere den Frankenthaler von S Franken — Gr. Feingold als Träger des künftigen deutschen Münzsystems verlangten. Das Jrrationelle, solche Bruchzahlen als Rechnungseinheiten, als Träger eines ganzen Systems zu benutzen, war ihnen vollkommen klar. Aber das war „bloße Theorie", sie suchten den praktischen Vortheil, und glaubten ihn im Anschlusse an Frank¬ reich zu finden. Was die theoretische Frage betrifft, so waren, nachdem Deutschland in seiner Goldkrone eine' wissenschaftlich vollkommene Münze geschaffen hatte, welche geeignet ist, für alle Völker und für alle Zeiten als Muster zu dienen, zunächst in Frankreich selbst Männer der Wissenschaft, Michel Chevalier, Jean Baptiste Sah, Beranger, Leon u. A., sodann in Belgien der bekannte Mi¬ nister Frere-Orban gegen das Frankensystem aufgetreten, welcher Letztere bei der Pariser Münzconfcrenz namentlich für allgemeine Einführung des metri¬ schen Münzsystems sprach. Diese Männer hatten wiederholt laut gegen die Absurdität protestirt, welche darin liege, wenn man Bruchzahlen wie die obigen als Münzeinheiten, als Träger eines universellen Münzsystems behandeln wolle. Man las ferner in den späteren Münzverhandlungen im französischen Senate, daß Mich. Chevalier dort die deutsche Goldkrone von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/291>, abgerufen am 29.09.2024.