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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Taxis durch Artikel 27 der Rheinbundsaete nach wie vor gewährleistet, in¬
dem dieses Recht zu den "äroits seiMöui'iemx se teoäaux von essentielle-
ment ivnärsns ä la Lonvera.met6" gezählt wurde, zu deren Aufrechterhaltung
die Fürsten sich verpflichtet hatten.

In den großen und tiefgreifenden Erschütterungen, welche die Staatsverhält¬
nisse in Deutschland während der Napoleonischen Herrschaft erlitten, fiel auch das
Postwesen der Zerrüttung anheim. An die Stelle der durch nationale Entwicke¬
lung heran gebildeten Verkehrsbeziehungen waren unnatürliche Verbindungen
getreten, welche lediglich den Zwecken der Unterdrücker dienten. Unerschwing¬
liche Taxen drückten den Postverkehr darnieder, die Sicherheit war überall
gefährdet und eine Unzahl von Territorial-Postinstituten überschwemmte
Deutschland als ebensoviele Mittel. Verwaltung, Betrieb und Einheit zu er¬
schweren und den Verkehr zu hemmen. Es herrschte eine unglaubliche Ver¬
wirrung in dem öffentlichen Rechtszustande. Durchdrungen von dem Bestreben,
die Wunden zu heilen, welche das Napoleonische Joch geschlagen hatte, und
im Hinblick auf die Nothwendigkeit, vor Allem das Territorial-Jsolirungs-
shstem bei dem Postwesen gründlich zu beseitigen, wandte Preußen, insbeson¬
dere dessen Staatskanzler und mit ihm der preußische General-Postmeister von
Seegebarth, gleich nach dem Sturze Napoleons den Verbündeten gegenüber
allen Einfluß an, um das Taxissche Postwesen in den kleineren Ländern
wiederherzustellen, weil, wie die darüber handelnde Denkschrift sagt, "dasselbe
nach seinen Verhältnissen und seiner Erfahrung am geeignetsten dazu war."
Diesem Einflüsse verdankte Taxis zum großen Theile, daß ihm durch den
Artikel 17 der Wiener Bundesacte vom 8. Juni 1818 der Besitz und Genuß
der Posten in den verschiedenen Bundesstaaten in dem durch den Reichs-De-
putations-Hauptschluß vom 2S. Februar 1803 oder durch spätere Verträge
festgestellten Umfange, in jedem Falle aber das Recht der angemessenen Ent¬
schädigung ausdrücklich zugesichert wurde. Der Gedanke, eine große einheit¬
liche Staatspostanstalt, unter Entschädigung des Fürsten von Thurn und
Taxis für ihre privatrechtlichen Ansprüche, zu errichten, kam damals, wenn
er auch von erleuchteten Staatsmännern Preußens in Erwägung genommen
sein mag, noch nicht zur Ausführung. Es verblieb vielmehr in Deutschland bei
den alten Territorialposten, von denen das Preußische Postinstitut unter dem
mächtigen Aufschwünge, welchen die Culturentwickelung in der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts nahm, Dank dem liberalen Geiste der preu¬
ßischen Staatsverfassung und der Befreiung von administrativen Schranken
und fiscalischen Traditionen allen anderen Schwester-Instituten voraneilte.

Jener gewaltige Zug der deutschen Nation zur politischen Einheit,
welcher nach Beseitigung der Napoleonischen Herrschaft hervortrat, mußte
auch auf wirthschaftlichem Gebiete mächtige Einheitsbestrebungen wachrufen.


Taxis durch Artikel 27 der Rheinbundsaete nach wie vor gewährleistet, in¬
dem dieses Recht zu den „äroits seiMöui'iemx se teoäaux von essentielle-
ment ivnärsns ä la Lonvera.met6" gezählt wurde, zu deren Aufrechterhaltung
die Fürsten sich verpflichtet hatten.

In den großen und tiefgreifenden Erschütterungen, welche die Staatsverhält¬
nisse in Deutschland während der Napoleonischen Herrschaft erlitten, fiel auch das
Postwesen der Zerrüttung anheim. An die Stelle der durch nationale Entwicke¬
lung heran gebildeten Verkehrsbeziehungen waren unnatürliche Verbindungen
getreten, welche lediglich den Zwecken der Unterdrücker dienten. Unerschwing¬
liche Taxen drückten den Postverkehr darnieder, die Sicherheit war überall
gefährdet und eine Unzahl von Territorial-Postinstituten überschwemmte
Deutschland als ebensoviele Mittel. Verwaltung, Betrieb und Einheit zu er¬
schweren und den Verkehr zu hemmen. Es herrschte eine unglaubliche Ver¬
wirrung in dem öffentlichen Rechtszustande. Durchdrungen von dem Bestreben,
die Wunden zu heilen, welche das Napoleonische Joch geschlagen hatte, und
im Hinblick auf die Nothwendigkeit, vor Allem das Territorial-Jsolirungs-
shstem bei dem Postwesen gründlich zu beseitigen, wandte Preußen, insbeson¬
dere dessen Staatskanzler und mit ihm der preußische General-Postmeister von
Seegebarth, gleich nach dem Sturze Napoleons den Verbündeten gegenüber
allen Einfluß an, um das Taxissche Postwesen in den kleineren Ländern
wiederherzustellen, weil, wie die darüber handelnde Denkschrift sagt, „dasselbe
nach seinen Verhältnissen und seiner Erfahrung am geeignetsten dazu war."
Diesem Einflüsse verdankte Taxis zum großen Theile, daß ihm durch den
Artikel 17 der Wiener Bundesacte vom 8. Juni 1818 der Besitz und Genuß
der Posten in den verschiedenen Bundesstaaten in dem durch den Reichs-De-
putations-Hauptschluß vom 2S. Februar 1803 oder durch spätere Verträge
festgestellten Umfange, in jedem Falle aber das Recht der angemessenen Ent¬
schädigung ausdrücklich zugesichert wurde. Der Gedanke, eine große einheit¬
liche Staatspostanstalt, unter Entschädigung des Fürsten von Thurn und
Taxis für ihre privatrechtlichen Ansprüche, zu errichten, kam damals, wenn
er auch von erleuchteten Staatsmännern Preußens in Erwägung genommen
sein mag, noch nicht zur Ausführung. Es verblieb vielmehr in Deutschland bei
den alten Territorialposten, von denen das Preußische Postinstitut unter dem
mächtigen Aufschwünge, welchen die Culturentwickelung in der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts nahm, Dank dem liberalen Geiste der preu¬
ßischen Staatsverfassung und der Befreiung von administrativen Schranken
und fiscalischen Traditionen allen anderen Schwester-Instituten voraneilte.

Jener gewaltige Zug der deutschen Nation zur politischen Einheit,
welcher nach Beseitigung der Napoleonischen Herrschaft hervortrat, mußte
auch auf wirthschaftlichem Gebiete mächtige Einheitsbestrebungen wachrufen.


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[0280] Taxis durch Artikel 27 der Rheinbundsaete nach wie vor gewährleistet, in¬ dem dieses Recht zu den „äroits seiMöui'iemx se teoäaux von essentielle- ment ivnärsns ä la Lonvera.met6" gezählt wurde, zu deren Aufrechterhaltung die Fürsten sich verpflichtet hatten. In den großen und tiefgreifenden Erschütterungen, welche die Staatsverhält¬ nisse in Deutschland während der Napoleonischen Herrschaft erlitten, fiel auch das Postwesen der Zerrüttung anheim. An die Stelle der durch nationale Entwicke¬ lung heran gebildeten Verkehrsbeziehungen waren unnatürliche Verbindungen getreten, welche lediglich den Zwecken der Unterdrücker dienten. Unerschwing¬ liche Taxen drückten den Postverkehr darnieder, die Sicherheit war überall gefährdet und eine Unzahl von Territorial-Postinstituten überschwemmte Deutschland als ebensoviele Mittel. Verwaltung, Betrieb und Einheit zu er¬ schweren und den Verkehr zu hemmen. Es herrschte eine unglaubliche Ver¬ wirrung in dem öffentlichen Rechtszustande. Durchdrungen von dem Bestreben, die Wunden zu heilen, welche das Napoleonische Joch geschlagen hatte, und im Hinblick auf die Nothwendigkeit, vor Allem das Territorial-Jsolirungs- shstem bei dem Postwesen gründlich zu beseitigen, wandte Preußen, insbeson¬ dere dessen Staatskanzler und mit ihm der preußische General-Postmeister von Seegebarth, gleich nach dem Sturze Napoleons den Verbündeten gegenüber allen Einfluß an, um das Taxissche Postwesen in den kleineren Ländern wiederherzustellen, weil, wie die darüber handelnde Denkschrift sagt, „dasselbe nach seinen Verhältnissen und seiner Erfahrung am geeignetsten dazu war." Diesem Einflüsse verdankte Taxis zum großen Theile, daß ihm durch den Artikel 17 der Wiener Bundesacte vom 8. Juni 1818 der Besitz und Genuß der Posten in den verschiedenen Bundesstaaten in dem durch den Reichs-De- putations-Hauptschluß vom 2S. Februar 1803 oder durch spätere Verträge festgestellten Umfange, in jedem Falle aber das Recht der angemessenen Ent¬ schädigung ausdrücklich zugesichert wurde. Der Gedanke, eine große einheit¬ liche Staatspostanstalt, unter Entschädigung des Fürsten von Thurn und Taxis für ihre privatrechtlichen Ansprüche, zu errichten, kam damals, wenn er auch von erleuchteten Staatsmännern Preußens in Erwägung genommen sein mag, noch nicht zur Ausführung. Es verblieb vielmehr in Deutschland bei den alten Territorialposten, von denen das Preußische Postinstitut unter dem mächtigen Aufschwünge, welchen die Culturentwickelung in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts nahm, Dank dem liberalen Geiste der preu¬ ßischen Staatsverfassung und der Befreiung von administrativen Schranken und fiscalischen Traditionen allen anderen Schwester-Instituten voraneilte. Jener gewaltige Zug der deutschen Nation zur politischen Einheit, welcher nach Beseitigung der Napoleonischen Herrschaft hervortrat, mußte auch auf wirthschaftlichem Gebiete mächtige Einheitsbestrebungen wachrufen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/280>, abgerufen am 29.09.2024.