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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Centren bildeten, deren Vereinigung zu Städtebünden eine wirksame Schutz¬
wehr gegen feudale Angriffe schuf und die Pflege des Gemeinwesens ermög¬
lichte. Namentlich sind es diese Städtebündnisse, welche auf der Basis alter
Verkehrsbeziehungen durch Errichtung von Boten-Anstalten PostVerbindungen
herstellten, welche in ihrer weiteren Entwickelung zu einer nicht geringen Be¬
deutung für das öffentliche Leben gelangen mußten, weil sie neben dem Bo¬
tenwesen der Fürsten das einzige Medium zur Verbreitung von Nachrichten
und zur Vermittelung des Ideenaustausches waren. Aehnliche Anstalten
wurden auch von den Universitäten gepflegt, doch fehlte es durchaus an einer
einheitlichen Gestaltung dieser Einrichtungen.

Als im 16. und 16. Jahrhundert die Entwickelung der Nation nach
Beseitigung der alten Feudalschranken und, nachdem die Geister den spanischen
Stiefeln der Scholastik entwachsen waren, durch Erfindungen und Entdeckun¬
gen auf allen Gebieten einen großartigen Aufschwung genommen hatte, wur¬
den auch dem Verkehr die längstersehnten Bahnen eröffnet. Insbesondere
hatten die Einrichtungen Kaiser Maximilians (149S), der ewige Landfriede
und das Reichskammergericht, dem Reiche die Möglichkeit friedlicher Ent¬
wickelung in materieller Hinsicht gegeben; und es ist kein geringes Zeugniß
von dem frischen Hauche, der belebend durch Deutschlands Gauen zog, daß in
demselben Jahre, wo Magelhaens' Schiff zum ersten Male die Weltumseg-
lung vollendet, des Grafen von Taxis erste Post durch Deutschland geht.

Unstreitig gebührt Taxis das Verdienst, zuerst jene sporadischen Keime
des PostWesens zu lebenskräftiger Entwickelung gehoben zu haben. Allein es muß
vom Standpunkte der geschichtlichen Wahrheit bedauert werden, daß diese Anstalt,
welche recht eigentlich ein Gemeingut der Nation ist, in den Besitz eines Privat¬
mannes gelangt war, dem höhere Staatszwecke fremd blieben und dessen persön¬
liches Interesse im Laufe der Jahrhunderte mehrfach die Einführung wichtiger
Verbesserungen im Postwesen verhindert hat. Indessen war die Ausbildung
der Post zu einer einheitlichen Staatsverkehrsanstalt in Deutschland da¬
mals nicht angänglich. Die autonome Stellung der Reichsstände gestat¬
tete dem Kaiser nicht, das Postrecht in den einzelnen Staaten zu erwerben,
weil die Substanz desselben, die PostHoheit, ein wesentliches Majestätsrecht,
einen unveräußerlichen Bestandtheil der Souveränetät des Landesherrn bildet.
Die Stände suchten deshalb auch die Taxisschen Reichsposten von dem Ein¬
dringen in ihr Gebiet fernzuhalten und behielten ihre alten Boten-Anstalten
so lange als möglich bei. Wo Taxissche Posten zugelassen wurden, geschah
es mit Einwilligung der Landesherrn, welche die Befugniß zur Ausübung
des Postrechts dem Grafen von Taxis innerhalb bestimmter Grenzen ein¬
räumten; es durfte also diesem Verhältniß lediglich der Charakter eines Pre-
carium beigelegt werden. Die große Anzahl der Territorien, weltlichen und


Centren bildeten, deren Vereinigung zu Städtebünden eine wirksame Schutz¬
wehr gegen feudale Angriffe schuf und die Pflege des Gemeinwesens ermög¬
lichte. Namentlich sind es diese Städtebündnisse, welche auf der Basis alter
Verkehrsbeziehungen durch Errichtung von Boten-Anstalten PostVerbindungen
herstellten, welche in ihrer weiteren Entwickelung zu einer nicht geringen Be¬
deutung für das öffentliche Leben gelangen mußten, weil sie neben dem Bo¬
tenwesen der Fürsten das einzige Medium zur Verbreitung von Nachrichten
und zur Vermittelung des Ideenaustausches waren. Aehnliche Anstalten
wurden auch von den Universitäten gepflegt, doch fehlte es durchaus an einer
einheitlichen Gestaltung dieser Einrichtungen.

Als im 16. und 16. Jahrhundert die Entwickelung der Nation nach
Beseitigung der alten Feudalschranken und, nachdem die Geister den spanischen
Stiefeln der Scholastik entwachsen waren, durch Erfindungen und Entdeckun¬
gen auf allen Gebieten einen großartigen Aufschwung genommen hatte, wur¬
den auch dem Verkehr die längstersehnten Bahnen eröffnet. Insbesondere
hatten die Einrichtungen Kaiser Maximilians (149S), der ewige Landfriede
und das Reichskammergericht, dem Reiche die Möglichkeit friedlicher Ent¬
wickelung in materieller Hinsicht gegeben; und es ist kein geringes Zeugniß
von dem frischen Hauche, der belebend durch Deutschlands Gauen zog, daß in
demselben Jahre, wo Magelhaens' Schiff zum ersten Male die Weltumseg-
lung vollendet, des Grafen von Taxis erste Post durch Deutschland geht.

Unstreitig gebührt Taxis das Verdienst, zuerst jene sporadischen Keime
des PostWesens zu lebenskräftiger Entwickelung gehoben zu haben. Allein es muß
vom Standpunkte der geschichtlichen Wahrheit bedauert werden, daß diese Anstalt,
welche recht eigentlich ein Gemeingut der Nation ist, in den Besitz eines Privat¬
mannes gelangt war, dem höhere Staatszwecke fremd blieben und dessen persön¬
liches Interesse im Laufe der Jahrhunderte mehrfach die Einführung wichtiger
Verbesserungen im Postwesen verhindert hat. Indessen war die Ausbildung
der Post zu einer einheitlichen Staatsverkehrsanstalt in Deutschland da¬
mals nicht angänglich. Die autonome Stellung der Reichsstände gestat¬
tete dem Kaiser nicht, das Postrecht in den einzelnen Staaten zu erwerben,
weil die Substanz desselben, die PostHoheit, ein wesentliches Majestätsrecht,
einen unveräußerlichen Bestandtheil der Souveränetät des Landesherrn bildet.
Die Stände suchten deshalb auch die Taxisschen Reichsposten von dem Ein¬
dringen in ihr Gebiet fernzuhalten und behielten ihre alten Boten-Anstalten
so lange als möglich bei. Wo Taxissche Posten zugelassen wurden, geschah
es mit Einwilligung der Landesherrn, welche die Befugniß zur Ausübung
des Postrechts dem Grafen von Taxis innerhalb bestimmter Grenzen ein¬
räumten; es durfte also diesem Verhältniß lediglich der Charakter eines Pre-
carium beigelegt werden. Die große Anzahl der Territorien, weltlichen und


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[0275] Centren bildeten, deren Vereinigung zu Städtebünden eine wirksame Schutz¬ wehr gegen feudale Angriffe schuf und die Pflege des Gemeinwesens ermög¬ lichte. Namentlich sind es diese Städtebündnisse, welche auf der Basis alter Verkehrsbeziehungen durch Errichtung von Boten-Anstalten PostVerbindungen herstellten, welche in ihrer weiteren Entwickelung zu einer nicht geringen Be¬ deutung für das öffentliche Leben gelangen mußten, weil sie neben dem Bo¬ tenwesen der Fürsten das einzige Medium zur Verbreitung von Nachrichten und zur Vermittelung des Ideenaustausches waren. Aehnliche Anstalten wurden auch von den Universitäten gepflegt, doch fehlte es durchaus an einer einheitlichen Gestaltung dieser Einrichtungen. Als im 16. und 16. Jahrhundert die Entwickelung der Nation nach Beseitigung der alten Feudalschranken und, nachdem die Geister den spanischen Stiefeln der Scholastik entwachsen waren, durch Erfindungen und Entdeckun¬ gen auf allen Gebieten einen großartigen Aufschwung genommen hatte, wur¬ den auch dem Verkehr die längstersehnten Bahnen eröffnet. Insbesondere hatten die Einrichtungen Kaiser Maximilians (149S), der ewige Landfriede und das Reichskammergericht, dem Reiche die Möglichkeit friedlicher Ent¬ wickelung in materieller Hinsicht gegeben; und es ist kein geringes Zeugniß von dem frischen Hauche, der belebend durch Deutschlands Gauen zog, daß in demselben Jahre, wo Magelhaens' Schiff zum ersten Male die Weltumseg- lung vollendet, des Grafen von Taxis erste Post durch Deutschland geht. Unstreitig gebührt Taxis das Verdienst, zuerst jene sporadischen Keime des PostWesens zu lebenskräftiger Entwickelung gehoben zu haben. Allein es muß vom Standpunkte der geschichtlichen Wahrheit bedauert werden, daß diese Anstalt, welche recht eigentlich ein Gemeingut der Nation ist, in den Besitz eines Privat¬ mannes gelangt war, dem höhere Staatszwecke fremd blieben und dessen persön¬ liches Interesse im Laufe der Jahrhunderte mehrfach die Einführung wichtiger Verbesserungen im Postwesen verhindert hat. Indessen war die Ausbildung der Post zu einer einheitlichen Staatsverkehrsanstalt in Deutschland da¬ mals nicht angänglich. Die autonome Stellung der Reichsstände gestat¬ tete dem Kaiser nicht, das Postrecht in den einzelnen Staaten zu erwerben, weil die Substanz desselben, die PostHoheit, ein wesentliches Majestätsrecht, einen unveräußerlichen Bestandtheil der Souveränetät des Landesherrn bildet. Die Stände suchten deshalb auch die Taxisschen Reichsposten von dem Ein¬ dringen in ihr Gebiet fernzuhalten und behielten ihre alten Boten-Anstalten so lange als möglich bei. Wo Taxissche Posten zugelassen wurden, geschah es mit Einwilligung der Landesherrn, welche die Befugniß zur Ausübung des Postrechts dem Grafen von Taxis innerhalb bestimmter Grenzen ein¬ räumten; es durfte also diesem Verhältniß lediglich der Charakter eines Pre- carium beigelegt werden. Die große Anzahl der Territorien, weltlichen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/275>, abgerufen am 28.12.2024.