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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Zahlen nach dem Dictat nachzuschreiben, wie z. B. die Zahl 70028. Es ge¬
lang nur nach wiederholten Correcturen und Zusätzen, derartige Zahlen zu
schreiben.

Dieser Stand der Dinge war theilweise nicht schwer vorauszusehen, weil
der technische Unterricht und folglich auch der Unterricht in der Mathematik
in den unteren Schulen gänzlich mangelte, wie schon öfter bemerkt worden
ist. Deshalb war schon vorher ausgemacht worden, das Maaß bei den Auf¬
nahmeprüfungen so weit herabzudrücken, daß man nicht alle Zöglinge zurück¬
zuweisen brauche, wie es hätte geschehen müssen, hätte man den bei den
andern Schulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstab anwenden wollen.
Der erste Cursus der Realschule sollte demnach ungefähr der zweituntersten
Elementarklasse gleichgestellt werden, der zweite Cursus ungefähr der dritten
oder höchstens vierten Elementarklasse entsprechen.*) Aber nach den bei der
Prüfung gewonnenen Erfahrungen mußte man sich überzeugen, daß selbst bei
diesem Maaßstabe die Anzahl der Zurückgewiesenen zu groß gewesen sein
würde. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde also beschlossen, für dieses
Jahr eine Vorbereitungsschule einzurichten, in welche 9S Schüler aufgenom¬
men wurden. Andernfalls hätte man, bei Anwendung des in den guten
Realschulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstabs von 368 Zöglingen,
welche Aufnahme verlangten, 280 zurückweisen müssen, um in den Elementar¬
schulen einem passenderen und gründlicheren Unterricht obzuliegen.

Unsere Verwunderung wird nur dann geringer werden, wenn wir beden¬
ken, daß ein Elementarunterricht in Rom und der römischen Provinz eigent¬
lich gar nicht bestand. Nach dem italienischen Gesetze umfaßte dieser Unter¬
richt einen Cursus von vier aufeinander folgenden Klaffen, der in sich voll¬
ständig und dazu bestimmt ist, einem Jeden jenen Borrath von bescheidenen
und praktischen Kenntnissen mitzugeben, den wirklich Jeder in einem Lande
braucht, welches modernen Lebensanschauungen huldigt. Ist dieser Cursus
vollendet, so werden entweder das Ginnasio oder die Realschule von den¬
jenigen besucht, welche sich als fähig erwiesen haben und noch weiter fortzu¬
schreiten wünschen; wer hingegen seiner ökonomischen Verhältnisse wegen die
Schule nicht weiter besuchen kann, oder keine Fähigkeiten zeigt, gibt das Ler¬
nen auf. In Rom aber lernte man Lesen und Schreiben nur in der Absicht, daß
diese Uebungen ein Mittel zum Weitergehen sein sollten, sie waren also nur



') Folgendes ist das Schema, nach welchem die italienischen Schulen eingetheilt find: I. Primär- oder Elementarschulen, getrennte für Knaben und Mädchen; nur in
den Dörfern kommen gemischte Schulen vor, stets unter Aufsicht einer Lehrerin.! Erste, zweite,
dritte und vierte Klasse. (In den italienischen Schule" ist die unterste Klasse immer die erste.) II. Secundarschulcn: Kinnktsio, erster, zweiter, dritter und vierter Cursus. Kouol"
tsouivÄ, erster, zweiter und dritter Cursus. Lioso, erster, zweiter und dritter Cursus.
lsti tuto tvouivo, erster, zweiter und dritter Cursus.

Zahlen nach dem Dictat nachzuschreiben, wie z. B. die Zahl 70028. Es ge¬
lang nur nach wiederholten Correcturen und Zusätzen, derartige Zahlen zu
schreiben.

Dieser Stand der Dinge war theilweise nicht schwer vorauszusehen, weil
der technische Unterricht und folglich auch der Unterricht in der Mathematik
in den unteren Schulen gänzlich mangelte, wie schon öfter bemerkt worden
ist. Deshalb war schon vorher ausgemacht worden, das Maaß bei den Auf¬
nahmeprüfungen so weit herabzudrücken, daß man nicht alle Zöglinge zurück¬
zuweisen brauche, wie es hätte geschehen müssen, hätte man den bei den
andern Schulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstab anwenden wollen.
Der erste Cursus der Realschule sollte demnach ungefähr der zweituntersten
Elementarklasse gleichgestellt werden, der zweite Cursus ungefähr der dritten
oder höchstens vierten Elementarklasse entsprechen.*) Aber nach den bei der
Prüfung gewonnenen Erfahrungen mußte man sich überzeugen, daß selbst bei
diesem Maaßstabe die Anzahl der Zurückgewiesenen zu groß gewesen sein
würde. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde also beschlossen, für dieses
Jahr eine Vorbereitungsschule einzurichten, in welche 9S Schüler aufgenom¬
men wurden. Andernfalls hätte man, bei Anwendung des in den guten
Realschulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstabs von 368 Zöglingen,
welche Aufnahme verlangten, 280 zurückweisen müssen, um in den Elementar¬
schulen einem passenderen und gründlicheren Unterricht obzuliegen.

Unsere Verwunderung wird nur dann geringer werden, wenn wir beden¬
ken, daß ein Elementarunterricht in Rom und der römischen Provinz eigent¬
lich gar nicht bestand. Nach dem italienischen Gesetze umfaßte dieser Unter¬
richt einen Cursus von vier aufeinander folgenden Klaffen, der in sich voll¬
ständig und dazu bestimmt ist, einem Jeden jenen Borrath von bescheidenen
und praktischen Kenntnissen mitzugeben, den wirklich Jeder in einem Lande
braucht, welches modernen Lebensanschauungen huldigt. Ist dieser Cursus
vollendet, so werden entweder das Ginnasio oder die Realschule von den¬
jenigen besucht, welche sich als fähig erwiesen haben und noch weiter fortzu¬
schreiten wünschen; wer hingegen seiner ökonomischen Verhältnisse wegen die
Schule nicht weiter besuchen kann, oder keine Fähigkeiten zeigt, gibt das Ler¬
nen auf. In Rom aber lernte man Lesen und Schreiben nur in der Absicht, daß
diese Uebungen ein Mittel zum Weitergehen sein sollten, sie waren also nur



') Folgendes ist das Schema, nach welchem die italienischen Schulen eingetheilt find: I. Primär- oder Elementarschulen, getrennte für Knaben und Mädchen; nur in
den Dörfern kommen gemischte Schulen vor, stets unter Aufsicht einer Lehrerin.! Erste, zweite,
dritte und vierte Klasse. (In den italienischen Schule» ist die unterste Klasse immer die erste.) II. Secundarschulcn: Kinnktsio, erster, zweiter, dritter und vierter Cursus. Kouol»
tsouivÄ, erster, zweiter und dritter Cursus. Lioso, erster, zweiter und dritter Cursus.
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[0266] Zahlen nach dem Dictat nachzuschreiben, wie z. B. die Zahl 70028. Es ge¬ lang nur nach wiederholten Correcturen und Zusätzen, derartige Zahlen zu schreiben. Dieser Stand der Dinge war theilweise nicht schwer vorauszusehen, weil der technische Unterricht und folglich auch der Unterricht in der Mathematik in den unteren Schulen gänzlich mangelte, wie schon öfter bemerkt worden ist. Deshalb war schon vorher ausgemacht worden, das Maaß bei den Auf¬ nahmeprüfungen so weit herabzudrücken, daß man nicht alle Zöglinge zurück¬ zuweisen brauche, wie es hätte geschehen müssen, hätte man den bei den andern Schulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstab anwenden wollen. Der erste Cursus der Realschule sollte demnach ungefähr der zweituntersten Elementarklasse gleichgestellt werden, der zweite Cursus ungefähr der dritten oder höchstens vierten Elementarklasse entsprechen.*) Aber nach den bei der Prüfung gewonnenen Erfahrungen mußte man sich überzeugen, daß selbst bei diesem Maaßstabe die Anzahl der Zurückgewiesenen zu groß gewesen sein würde. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde also beschlossen, für dieses Jahr eine Vorbereitungsschule einzurichten, in welche 9S Schüler aufgenom¬ men wurden. Andernfalls hätte man, bei Anwendung des in den guten Realschulen des Königreichs gebräuchlichen Maaßstabs von 368 Zöglingen, welche Aufnahme verlangten, 280 zurückweisen müssen, um in den Elementar¬ schulen einem passenderen und gründlicheren Unterricht obzuliegen. Unsere Verwunderung wird nur dann geringer werden, wenn wir beden¬ ken, daß ein Elementarunterricht in Rom und der römischen Provinz eigent¬ lich gar nicht bestand. Nach dem italienischen Gesetze umfaßte dieser Unter¬ richt einen Cursus von vier aufeinander folgenden Klaffen, der in sich voll¬ ständig und dazu bestimmt ist, einem Jeden jenen Borrath von bescheidenen und praktischen Kenntnissen mitzugeben, den wirklich Jeder in einem Lande braucht, welches modernen Lebensanschauungen huldigt. Ist dieser Cursus vollendet, so werden entweder das Ginnasio oder die Realschule von den¬ jenigen besucht, welche sich als fähig erwiesen haben und noch weiter fortzu¬ schreiten wünschen; wer hingegen seiner ökonomischen Verhältnisse wegen die Schule nicht weiter besuchen kann, oder keine Fähigkeiten zeigt, gibt das Ler¬ nen auf. In Rom aber lernte man Lesen und Schreiben nur in der Absicht, daß diese Uebungen ein Mittel zum Weitergehen sein sollten, sie waren also nur ') Folgendes ist das Schema, nach welchem die italienischen Schulen eingetheilt find: I. Primär- oder Elementarschulen, getrennte für Knaben und Mädchen; nur in den Dörfern kommen gemischte Schulen vor, stets unter Aufsicht einer Lehrerin.! Erste, zweite, dritte und vierte Klasse. (In den italienischen Schule» ist die unterste Klasse immer die erste.) II. Secundarschulcn: Kinnktsio, erster, zweiter, dritter und vierter Cursus. Kouol» tsouivÄ, erster, zweiter und dritter Cursus. Lioso, erster, zweiter und dritter Cursus. lsti tuto tvouivo, erster, zweiter und dritter Cursus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/266>, abgerufen am 29.09.2024.