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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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die Privat-Architektur bedingt ist. In Danzig z. B. hat ein solcher*), eine
Stiftung des Directors der Kunstschule Prof. I. E. Schultz, mehrere Decen-
nien lang sehr wohlthätig gewirkt.

Solche Vereine können aber auch noch in anderer Weise vortheilhaft für
Erhaltung älterer Kunstwerke einwirken, indem sie nämlich ein Museum
anlegen, in welchem durch Kauf oder Geschenk -- denn es ist eine alte Er¬
fahrung, daß eine größere Sammlung gleichsam von selbst immer mehr Gleich¬
artiges anzieht -- alle diejenigen kleinen Gegenstände und Fragmente nieder¬
gelegt werden, welche von ihrer ursprünglichen Stelle entfernt, der Gefahr der
Verschleppung durch Antiquitätenhändler an entfernte Orte, besonders in das
Ausland, oder der Zerstörung ausgesetzt find. Solche Museen**) dienen dann
wieder zur Belehrung des Publicums, regen das Interesse für mancherlei,
bisher verachtete oder vernachlässigte Gegenstände an und wirken auf diese
Weise ebenfalls für Erhaltung des guten Alten. --

Ganz anders als bei den Gegenständen des Privatbesitzes kann und soll
der Staat dagegen für Erhaltung von Kunstdenkmalen eigenen Besitzes oder
im Besitze von Kirchen, Städten, Gemeinden und Korporationen durch Ge¬
setze eingreifen. Hier dürfen Rücksichten auf pecuniäre Verhältnisse, kleine
Unbequemlichkeiten u. a. nicht mitsprechen. Der Staat, Gemeinden und Kör¬
perschaften sind moralisch verpflichtet, zum Besten des Ganzen und für ideale
Zwecke gewisse Opfer zu bringen, also auch Baudenkmals, welche praktisch
nicht mehr nutzbar sind, selbst nur um ihres historischen Werthes willen zu
erhalten, wenn nicht andere gewichtige Gründe, wie z. B. Beeinträchtigung
der freien Communication ***) in einer großen Stadt, Sicherheit in Zeiten
des Krieges :c. dagegen sprechen. Es ist daher durchaus gerechtfertigt, daß
die Staats-Regierung sich das Aufsichtsrecht vorbehalten hat. Daher dürfen
z. B. in Preußen mit vollstem Recht an allen Bau- und Kunstdenkmalen
öffentlichen Besitzes keinerlei Veränderungen vorgenommen werden, ohne daß
die höchste Behörde, d. h. das Ministerium, seine besondere Genehmigung
hierzu ertheilt. In dieser Behörde muß dann als Rath (Conservator) wenig¬
stens ein Mann Sitz und Stimme haben, der ganz auf der Höhe seiner Zeit
steht, welcher die historischen Denkmale zum Studium seines Lebens gemacht,





Ueber denselben siehe: Danziger Dampfboot 1859, Ur. 2U2--5 und 18V3 Ur, 297.--
Im Gegensatz dazu besteht in Nürnberg ein Verein "zur Beseitigung der (historisch sehr
wichtigen und höchst malerischen) Stadtmauer," welcher sehr einflußreiche Männer unter seinen
Mitgliedern zählt und daher, trotz des hohen Interesses, welches ganz Deutschland an der
Erhaltung dieser Mauer nimmt, erwünschte Erfolge erzielt.
") In dieser Beziehung musterhaft ist z. B. die Sammlung des Copernicus-Vereins zu
Thor".
Daher mußte z. B. das grüne Thor in Königsberg i. Pr. trotz seines historischen,
architektonischen und malerischen Werthes fallen.
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die Privat-Architektur bedingt ist. In Danzig z. B. hat ein solcher*), eine
Stiftung des Directors der Kunstschule Prof. I. E. Schultz, mehrere Decen-
nien lang sehr wohlthätig gewirkt.

Solche Vereine können aber auch noch in anderer Weise vortheilhaft für
Erhaltung älterer Kunstwerke einwirken, indem sie nämlich ein Museum
anlegen, in welchem durch Kauf oder Geschenk — denn es ist eine alte Er¬
fahrung, daß eine größere Sammlung gleichsam von selbst immer mehr Gleich¬
artiges anzieht — alle diejenigen kleinen Gegenstände und Fragmente nieder¬
gelegt werden, welche von ihrer ursprünglichen Stelle entfernt, der Gefahr der
Verschleppung durch Antiquitätenhändler an entfernte Orte, besonders in das
Ausland, oder der Zerstörung ausgesetzt find. Solche Museen**) dienen dann
wieder zur Belehrung des Publicums, regen das Interesse für mancherlei,
bisher verachtete oder vernachlässigte Gegenstände an und wirken auf diese
Weise ebenfalls für Erhaltung des guten Alten. —

Ganz anders als bei den Gegenständen des Privatbesitzes kann und soll
der Staat dagegen für Erhaltung von Kunstdenkmalen eigenen Besitzes oder
im Besitze von Kirchen, Städten, Gemeinden und Korporationen durch Ge¬
setze eingreifen. Hier dürfen Rücksichten auf pecuniäre Verhältnisse, kleine
Unbequemlichkeiten u. a. nicht mitsprechen. Der Staat, Gemeinden und Kör¬
perschaften sind moralisch verpflichtet, zum Besten des Ganzen und für ideale
Zwecke gewisse Opfer zu bringen, also auch Baudenkmals, welche praktisch
nicht mehr nutzbar sind, selbst nur um ihres historischen Werthes willen zu
erhalten, wenn nicht andere gewichtige Gründe, wie z. B. Beeinträchtigung
der freien Communication ***) in einer großen Stadt, Sicherheit in Zeiten
des Krieges :c. dagegen sprechen. Es ist daher durchaus gerechtfertigt, daß
die Staats-Regierung sich das Aufsichtsrecht vorbehalten hat. Daher dürfen
z. B. in Preußen mit vollstem Recht an allen Bau- und Kunstdenkmalen
öffentlichen Besitzes keinerlei Veränderungen vorgenommen werden, ohne daß
die höchste Behörde, d. h. das Ministerium, seine besondere Genehmigung
hierzu ertheilt. In dieser Behörde muß dann als Rath (Conservator) wenig¬
stens ein Mann Sitz und Stimme haben, der ganz auf der Höhe seiner Zeit
steht, welcher die historischen Denkmale zum Studium seines Lebens gemacht,





Ueber denselben siehe: Danziger Dampfboot 1859, Ur. 2U2—5 und 18V3 Ur, 297.--
Im Gegensatz dazu besteht in Nürnberg ein Verein „zur Beseitigung der (historisch sehr
wichtigen und höchst malerischen) Stadtmauer," welcher sehr einflußreiche Männer unter seinen
Mitgliedern zählt und daher, trotz des hohen Interesses, welches ganz Deutschland an der
Erhaltung dieser Mauer nimmt, erwünschte Erfolge erzielt.
") In dieser Beziehung musterhaft ist z. B. die Sammlung des Copernicus-Vereins zu
Thor».
Daher mußte z. B. das grüne Thor in Königsberg i. Pr. trotz seines historischen,
architektonischen und malerischen Werthes fallen.
Grenzboten I. l87i. 98
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[0257] die Privat-Architektur bedingt ist. In Danzig z. B. hat ein solcher*), eine Stiftung des Directors der Kunstschule Prof. I. E. Schultz, mehrere Decen- nien lang sehr wohlthätig gewirkt. Solche Vereine können aber auch noch in anderer Weise vortheilhaft für Erhaltung älterer Kunstwerke einwirken, indem sie nämlich ein Museum anlegen, in welchem durch Kauf oder Geschenk — denn es ist eine alte Er¬ fahrung, daß eine größere Sammlung gleichsam von selbst immer mehr Gleich¬ artiges anzieht — alle diejenigen kleinen Gegenstände und Fragmente nieder¬ gelegt werden, welche von ihrer ursprünglichen Stelle entfernt, der Gefahr der Verschleppung durch Antiquitätenhändler an entfernte Orte, besonders in das Ausland, oder der Zerstörung ausgesetzt find. Solche Museen**) dienen dann wieder zur Belehrung des Publicums, regen das Interesse für mancherlei, bisher verachtete oder vernachlässigte Gegenstände an und wirken auf diese Weise ebenfalls für Erhaltung des guten Alten. — Ganz anders als bei den Gegenständen des Privatbesitzes kann und soll der Staat dagegen für Erhaltung von Kunstdenkmalen eigenen Besitzes oder im Besitze von Kirchen, Städten, Gemeinden und Korporationen durch Ge¬ setze eingreifen. Hier dürfen Rücksichten auf pecuniäre Verhältnisse, kleine Unbequemlichkeiten u. a. nicht mitsprechen. Der Staat, Gemeinden und Kör¬ perschaften sind moralisch verpflichtet, zum Besten des Ganzen und für ideale Zwecke gewisse Opfer zu bringen, also auch Baudenkmals, welche praktisch nicht mehr nutzbar sind, selbst nur um ihres historischen Werthes willen zu erhalten, wenn nicht andere gewichtige Gründe, wie z. B. Beeinträchtigung der freien Communication ***) in einer großen Stadt, Sicherheit in Zeiten des Krieges :c. dagegen sprechen. Es ist daher durchaus gerechtfertigt, daß die Staats-Regierung sich das Aufsichtsrecht vorbehalten hat. Daher dürfen z. B. in Preußen mit vollstem Recht an allen Bau- und Kunstdenkmalen öffentlichen Besitzes keinerlei Veränderungen vorgenommen werden, ohne daß die höchste Behörde, d. h. das Ministerium, seine besondere Genehmigung hierzu ertheilt. In dieser Behörde muß dann als Rath (Conservator) wenig¬ stens ein Mann Sitz und Stimme haben, der ganz auf der Höhe seiner Zeit steht, welcher die historischen Denkmale zum Studium seines Lebens gemacht, Ueber denselben siehe: Danziger Dampfboot 1859, Ur. 2U2—5 und 18V3 Ur, 297.-- Im Gegensatz dazu besteht in Nürnberg ein Verein „zur Beseitigung der (historisch sehr wichtigen und höchst malerischen) Stadtmauer," welcher sehr einflußreiche Männer unter seinen Mitgliedern zählt und daher, trotz des hohen Interesses, welches ganz Deutschland an der Erhaltung dieser Mauer nimmt, erwünschte Erfolge erzielt. ") In dieser Beziehung musterhaft ist z. B. die Sammlung des Copernicus-Vereins zu Thor». Daher mußte z. B. das grüne Thor in Königsberg i. Pr. trotz seines historischen, architektonischen und malerischen Werthes fallen. Grenzboten I. l87i. 98

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/257>, abgerufen am 28.12.2024.