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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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angestellt, welche darüber zu wachen haben, daß kein irgend wichtiges Denk¬
mal ohne die triftigsten Gründe zerstört werde.

Doch hat man zwei wesentlich verschiedene Fälle zu unterscheiden, je
nachdem es sich um Denkmale im Besitz des Staates oder einer Gemeinde,
oder solche im Privatbesitz handelt.

Auf Erhaltung von Denkmalen des Privatbesitzes kann der Staat nicht
direct einwirken. Gesetze zum Schutz derselben, so oft sie von den Alter-
thumssreunden gewünscht worden sind, würden eine zu enge Beschränkung der
Freiheit und des Eigentumrechts bewirken und große Ungerechtigkeiten im
Gefolge haben. Man denke nur an den Fall, der oft genug vorkommt, daß
ein nicht reicher Mann ein altes Haus besitzt, welches künstlerisch und histo¬
risch von Werth ist, das aber, für die Bedürfnisse einer Familie oder eines
besondern Geschäfts im sechzehnten Jahrhundert erbaut, dann verfallen, für
die Zwecke des gegenwärtigen Besitzers nicht geeignet ist, welches er daher seinen
Bedürfnissen entsprechend umbauen will. Die Alterthumsfreunde werden, von
ihrem Standpunkte aus mit vollem Recht, stets gegen einen Umbau desselben
sein. Wollte man den Besitzer, der den archäologischen Werth seines Besitz¬
tums vielleicht nicht einmal begreifen kann, zwingen, sein Haus im alten
Zustande zu erhalten, so wäre das eine große Ungerechtigkeit gegen ihn, in¬
dem man sein Vermögen schädigte, weil Andere ein Interesse an seinem
Besitzthum haben.

In solchen und ähnlichen Fällen können die Vereine von Alterthums¬
freunden sehr wohlthätig einwirken, indem sie vermittelnd dazwischen treten.
Der Verein kann nämlich entweder das fragliche Haus ankaufen oder den
Hausbesitzer, wenn er sich verpflichtet das Haus im alten Zustande zu belassen,
für seinen Verlust entschädigen, also die durch die Erhaltung des historischen
Denkmals, dem Einzelnen entstehenden Kosten auf die Gesammtheit derjenigen
übertragen, welche ein Interesse an eben dieser Erhaltung haben*) oder end¬
lich dem Besitzer die Art und Weise angeben, wie er seinen Zweck erreichen
kann, ohne daß dem Charakter des Hauses wesentlich geschadet werde. --
Eine solche Vermittelung ist in den meisten Fällen möglich, vorausgesetzt, daß
beide Theile nicht zu eigensinnig sind, sondern sich gegenseitig entgegenkommen
und kleine Opfer nicht scheuen.

Vereine zur Erhaltung der alterthümlichen Kunstwerke sind von besonderem
Nutzen in Städten wie die eben genannten, deren Charakter vorzüglich durch



") Aehnliches gilt auch für Erhaltung bedeutender Sammlungen (Bibliotheken:c.) in Pri¬
vatbesitz an einem bestimmten Ort. Ost hat der Besitzer in keiner Weise Interesse an der Er¬
haltung derselben, erleidet dadurch vielmehr pecuniäre Einbuße. In solchen Fällen muß die
Gesammtheit derjenigen, welche ein Interesse dafür haben (unter Umstanden der Staat), für
Erhaltung der Sammlung Sorge tragen.

angestellt, welche darüber zu wachen haben, daß kein irgend wichtiges Denk¬
mal ohne die triftigsten Gründe zerstört werde.

Doch hat man zwei wesentlich verschiedene Fälle zu unterscheiden, je
nachdem es sich um Denkmale im Besitz des Staates oder einer Gemeinde,
oder solche im Privatbesitz handelt.

Auf Erhaltung von Denkmalen des Privatbesitzes kann der Staat nicht
direct einwirken. Gesetze zum Schutz derselben, so oft sie von den Alter-
thumssreunden gewünscht worden sind, würden eine zu enge Beschränkung der
Freiheit und des Eigentumrechts bewirken und große Ungerechtigkeiten im
Gefolge haben. Man denke nur an den Fall, der oft genug vorkommt, daß
ein nicht reicher Mann ein altes Haus besitzt, welches künstlerisch und histo¬
risch von Werth ist, das aber, für die Bedürfnisse einer Familie oder eines
besondern Geschäfts im sechzehnten Jahrhundert erbaut, dann verfallen, für
die Zwecke des gegenwärtigen Besitzers nicht geeignet ist, welches er daher seinen
Bedürfnissen entsprechend umbauen will. Die Alterthumsfreunde werden, von
ihrem Standpunkte aus mit vollem Recht, stets gegen einen Umbau desselben
sein. Wollte man den Besitzer, der den archäologischen Werth seines Besitz¬
tums vielleicht nicht einmal begreifen kann, zwingen, sein Haus im alten
Zustande zu erhalten, so wäre das eine große Ungerechtigkeit gegen ihn, in¬
dem man sein Vermögen schädigte, weil Andere ein Interesse an seinem
Besitzthum haben.

In solchen und ähnlichen Fällen können die Vereine von Alterthums¬
freunden sehr wohlthätig einwirken, indem sie vermittelnd dazwischen treten.
Der Verein kann nämlich entweder das fragliche Haus ankaufen oder den
Hausbesitzer, wenn er sich verpflichtet das Haus im alten Zustande zu belassen,
für seinen Verlust entschädigen, also die durch die Erhaltung des historischen
Denkmals, dem Einzelnen entstehenden Kosten auf die Gesammtheit derjenigen
übertragen, welche ein Interesse an eben dieser Erhaltung haben*) oder end¬
lich dem Besitzer die Art und Weise angeben, wie er seinen Zweck erreichen
kann, ohne daß dem Charakter des Hauses wesentlich geschadet werde. —
Eine solche Vermittelung ist in den meisten Fällen möglich, vorausgesetzt, daß
beide Theile nicht zu eigensinnig sind, sondern sich gegenseitig entgegenkommen
und kleine Opfer nicht scheuen.

Vereine zur Erhaltung der alterthümlichen Kunstwerke sind von besonderem
Nutzen in Städten wie die eben genannten, deren Charakter vorzüglich durch



") Aehnliches gilt auch für Erhaltung bedeutender Sammlungen (Bibliotheken:c.) in Pri¬
vatbesitz an einem bestimmten Ort. Ost hat der Besitzer in keiner Weise Interesse an der Er¬
haltung derselben, erleidet dadurch vielmehr pecuniäre Einbuße. In solchen Fällen muß die
Gesammtheit derjenigen, welche ein Interesse dafür haben (unter Umstanden der Staat), für
Erhaltung der Sammlung Sorge tragen.
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[0256] angestellt, welche darüber zu wachen haben, daß kein irgend wichtiges Denk¬ mal ohne die triftigsten Gründe zerstört werde. Doch hat man zwei wesentlich verschiedene Fälle zu unterscheiden, je nachdem es sich um Denkmale im Besitz des Staates oder einer Gemeinde, oder solche im Privatbesitz handelt. Auf Erhaltung von Denkmalen des Privatbesitzes kann der Staat nicht direct einwirken. Gesetze zum Schutz derselben, so oft sie von den Alter- thumssreunden gewünscht worden sind, würden eine zu enge Beschränkung der Freiheit und des Eigentumrechts bewirken und große Ungerechtigkeiten im Gefolge haben. Man denke nur an den Fall, der oft genug vorkommt, daß ein nicht reicher Mann ein altes Haus besitzt, welches künstlerisch und histo¬ risch von Werth ist, das aber, für die Bedürfnisse einer Familie oder eines besondern Geschäfts im sechzehnten Jahrhundert erbaut, dann verfallen, für die Zwecke des gegenwärtigen Besitzers nicht geeignet ist, welches er daher seinen Bedürfnissen entsprechend umbauen will. Die Alterthumsfreunde werden, von ihrem Standpunkte aus mit vollem Recht, stets gegen einen Umbau desselben sein. Wollte man den Besitzer, der den archäologischen Werth seines Besitz¬ tums vielleicht nicht einmal begreifen kann, zwingen, sein Haus im alten Zustande zu erhalten, so wäre das eine große Ungerechtigkeit gegen ihn, in¬ dem man sein Vermögen schädigte, weil Andere ein Interesse an seinem Besitzthum haben. In solchen und ähnlichen Fällen können die Vereine von Alterthums¬ freunden sehr wohlthätig einwirken, indem sie vermittelnd dazwischen treten. Der Verein kann nämlich entweder das fragliche Haus ankaufen oder den Hausbesitzer, wenn er sich verpflichtet das Haus im alten Zustande zu belassen, für seinen Verlust entschädigen, also die durch die Erhaltung des historischen Denkmals, dem Einzelnen entstehenden Kosten auf die Gesammtheit derjenigen übertragen, welche ein Interesse an eben dieser Erhaltung haben*) oder end¬ lich dem Besitzer die Art und Weise angeben, wie er seinen Zweck erreichen kann, ohne daß dem Charakter des Hauses wesentlich geschadet werde. — Eine solche Vermittelung ist in den meisten Fällen möglich, vorausgesetzt, daß beide Theile nicht zu eigensinnig sind, sondern sich gegenseitig entgegenkommen und kleine Opfer nicht scheuen. Vereine zur Erhaltung der alterthümlichen Kunstwerke sind von besonderem Nutzen in Städten wie die eben genannten, deren Charakter vorzüglich durch ") Aehnliches gilt auch für Erhaltung bedeutender Sammlungen (Bibliotheken:c.) in Pri¬ vatbesitz an einem bestimmten Ort. Ost hat der Besitzer in keiner Weise Interesse an der Er¬ haltung derselben, erleidet dadurch vielmehr pecuniäre Einbuße. In solchen Fällen muß die Gesammtheit derjenigen, welche ein Interesse dafür haben (unter Umstanden der Staat), für Erhaltung der Sammlung Sorge tragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/256>, abgerufen am 29.09.2024.