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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Wege kein Ende abzusehen sei, entschloß man sich, die Entschädigung in Bausch
und Bogen festzusetzen. Das hieß doch, von deutscher Seite den 'Verlust ein
für allemal abschätzen, hieß verzichten auf alle aus nachträglich erkannten over
specialisirten Schäden herzuleitende Schadloshaltung, hieß aber auch frcmzö-
sischerseits verzichten auf alle und jede Herabminderung der in einer bestimm¬
ten Höhe angenommenen Entschädigungspflicht durch Gegenrechnungen irgend
welcher Art. Und nun kommt Frankreich doch mit dergleichen!

Das Befremdliche dieser Forderung ist der französischen Regierung wahr¬
scheinlich selbst nicht entgangen, sie hat daher Sorge getragen, 'eine noch be¬
fremdlichere Forderung hinzuzufügen, welche das Erstaunen über die erste auf
sich ablenkt. Wie man nämlich'hört, haben die französischen Unterhändler
den Vorschlag gemacht, den Theil der Kriegsentschädigungssumme, zu dessen
Bezahlung Frankreich sich bequemen will, mittelst eines Papiergeldes, das ein
bloßes Zahlungsversprechen enthält, abzutragen. Das hieße freilich Deutsch¬
land mit einem Werthzeichen von sehr unsicherem Curs abfinden. Und doch
wäre die Minderung der Kriegsentschädigungssumme, welche in diesem Zah¬
lungsmittel läge, noch nicht einmal das Schlimmste. Aber wer bürgt uns,
daß nicht irgend eine französische Regierung dieses Geld eines Tages für un¬
gültig erklärt, oder auf einen beliebig geringen Theil seines Nominalwerthes
herabsetzt?

Es sind dies Dinge, die nicht einmal der Erörterung unterliegen können,
geschweige daß sie Aussicht auf Annahme hätten. Mit diesen Verlautbarun¬
gen über den Gang der Verhandlungen zu Brüssel muß man die folgende
Erklärung in der Rede des Reichskanzlers zusammenhalten: "Auf Versuche,
die Bedingungen des Präliminarfriedens abzuschwächen, würden wir uns in
keiner Weise einlassen, nach welcher Richtung dieselben auch unternommen
werden möchten, sei es im territorialen, sei es im finanziellen Theil der Ab¬
machungen.-

So beruhigend eine solche Erklärung des Reichskanzlers jederzeit ist, so
darf man sich doch nicht verhehlen, daß' sie die Möglichkeit einer gespannten
Situation enthält. Es ist möglich, daß Deutschland gezwungen wird, Frank¬
reich noch einmal seinen ganzen Ernst zu zeigen. Wenn es auch schwerlich
zu einer Erneuerung des'Waffenganges kommen wird, so muß doch Deutsch¬
land bis zum Abschluß des definitiven Friedens in Kampfbereitschaft bleiben.
Aber diese Nothwendigkeit liegt nicht allein in dem bei der französischen Re¬
gierung in den Verhandlungen zu Brüssel hervortretenden Mangel an gutem
Willen. Auch die inneren Zustände Frankreichs nöthigen uns die vorläufige
Beibehaltung der Kampfrüstung auf.

Bei den Verhandlungen, welche zum Präliminarfrieden führten, hatte
man deutscherseits sehr wohl die Gefahr im Auge, welche die plötzliche Ent¬
lassung der beispiellos großen Zahl der Gefangenen, welche der Krieg in
Deutschlands Hände gegeben hatte, für den Eintritt des definitiven Friedens
haben könnte. War 'etwa nicht zu befürchten, daß die französische Regierung,
wenn der Präliminarfriede sie in den Besitz von mehr als Einer durch deutsche
Humanität wohlgenährten Armee gesetzt hätte, plötzlich von der Lust zur Er¬
neuerung des Krieges angewandelt, oder durch die Stimmung der befreiten
Armee selbst dazu fortgerissen werden konnte? Um dieser Gefahr zu begegnen,
wünschten die deutschen Unterhändler eine moralische Bürgschaft zu erhalten,
daß bis zum definitiven Friedensschluß und bezüglich bis zu dessen Ausführung
sämmtliche Kriegsgefangene nicht wieder in der französischen Armee Dienste
nehmen würden. Eine solche Bedingung wurde aber von den französischen
Unterhändlern standhaft abgelehnt, wahrscheinlich weil sie voraushaben, daß


Wege kein Ende abzusehen sei, entschloß man sich, die Entschädigung in Bausch
und Bogen festzusetzen. Das hieß doch, von deutscher Seite den 'Verlust ein
für allemal abschätzen, hieß verzichten auf alle aus nachträglich erkannten over
specialisirten Schäden herzuleitende Schadloshaltung, hieß aber auch frcmzö-
sischerseits verzichten auf alle und jede Herabminderung der in einer bestimm¬
ten Höhe angenommenen Entschädigungspflicht durch Gegenrechnungen irgend
welcher Art. Und nun kommt Frankreich doch mit dergleichen!

Das Befremdliche dieser Forderung ist der französischen Regierung wahr¬
scheinlich selbst nicht entgangen, sie hat daher Sorge getragen, 'eine noch be¬
fremdlichere Forderung hinzuzufügen, welche das Erstaunen über die erste auf
sich ablenkt. Wie man nämlich'hört, haben die französischen Unterhändler
den Vorschlag gemacht, den Theil der Kriegsentschädigungssumme, zu dessen
Bezahlung Frankreich sich bequemen will, mittelst eines Papiergeldes, das ein
bloßes Zahlungsversprechen enthält, abzutragen. Das hieße freilich Deutsch¬
land mit einem Werthzeichen von sehr unsicherem Curs abfinden. Und doch
wäre die Minderung der Kriegsentschädigungssumme, welche in diesem Zah¬
lungsmittel läge, noch nicht einmal das Schlimmste. Aber wer bürgt uns,
daß nicht irgend eine französische Regierung dieses Geld eines Tages für un¬
gültig erklärt, oder auf einen beliebig geringen Theil seines Nominalwerthes
herabsetzt?

Es sind dies Dinge, die nicht einmal der Erörterung unterliegen können,
geschweige daß sie Aussicht auf Annahme hätten. Mit diesen Verlautbarun¬
gen über den Gang der Verhandlungen zu Brüssel muß man die folgende
Erklärung in der Rede des Reichskanzlers zusammenhalten: „Auf Versuche,
die Bedingungen des Präliminarfriedens abzuschwächen, würden wir uns in
keiner Weise einlassen, nach welcher Richtung dieselben auch unternommen
werden möchten, sei es im territorialen, sei es im finanziellen Theil der Ab¬
machungen.-

So beruhigend eine solche Erklärung des Reichskanzlers jederzeit ist, so
darf man sich doch nicht verhehlen, daß' sie die Möglichkeit einer gespannten
Situation enthält. Es ist möglich, daß Deutschland gezwungen wird, Frank¬
reich noch einmal seinen ganzen Ernst zu zeigen. Wenn es auch schwerlich
zu einer Erneuerung des'Waffenganges kommen wird, so muß doch Deutsch¬
land bis zum Abschluß des definitiven Friedens in Kampfbereitschaft bleiben.
Aber diese Nothwendigkeit liegt nicht allein in dem bei der französischen Re¬
gierung in den Verhandlungen zu Brüssel hervortretenden Mangel an gutem
Willen. Auch die inneren Zustände Frankreichs nöthigen uns die vorläufige
Beibehaltung der Kampfrüstung auf.

Bei den Verhandlungen, welche zum Präliminarfrieden führten, hatte
man deutscherseits sehr wohl die Gefahr im Auge, welche die plötzliche Ent¬
lassung der beispiellos großen Zahl der Gefangenen, welche der Krieg in
Deutschlands Hände gegeben hatte, für den Eintritt des definitiven Friedens
haben könnte. War 'etwa nicht zu befürchten, daß die französische Regierung,
wenn der Präliminarfriede sie in den Besitz von mehr als Einer durch deutsche
Humanität wohlgenährten Armee gesetzt hätte, plötzlich von der Lust zur Er¬
neuerung des Krieges angewandelt, oder durch die Stimmung der befreiten
Armee selbst dazu fortgerissen werden konnte? Um dieser Gefahr zu begegnen,
wünschten die deutschen Unterhändler eine moralische Bürgschaft zu erhalten,
daß bis zum definitiven Friedensschluß und bezüglich bis zu dessen Ausführung
sämmtliche Kriegsgefangene nicht wieder in der französischen Armee Dienste
nehmen würden. Eine solche Bedingung wurde aber von den französischen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/244>, abgerufen am 28.12.2024.