Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.anbietet, nach welcher die päpstliche Unfehlbarkeit "sich nur und ausschließlich Eine so schwache Motivirung hatten Freund und Feind nicht erwartet, Nicht besser steht es mit den beiden Dementis, welche man unserer Grenzboten I. 1871. 96
anbietet, nach welcher die päpstliche Unfehlbarkeit „sich nur und ausschließlich Eine so schwache Motivirung hatten Freund und Feind nicht erwartet, Nicht besser steht es mit den beiden Dementis, welche man unserer Grenzboten I. 1871. 96
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anbietet, nach welcher die päpstliche Unfehlbarkeit „sich nur und ausschließlich
auf die geoffenbarte Glaubens- und Sittenlehre erstrecke, und auch in den
Concilsdecreten nur die eigentlichen Definitionen und nicht die
Einleitungen und Begründungen zum infalliblen Inhalt ge¬
hören, und nach welcher der Grund der Jnfallibilität des Papstes nicht in
dessen Person, sondern in dem göttlichen Beistand liege, welcher die Kirche
vor Irrthum bewahre." Da jedoch der Bischof eben erst erfahren hat, wel¬
ches Gewicht man in Rom auf wissenschaftliche Deductionen deutscher Theologen
legt, und er ein Dementi der Curie in Rechnung nimmt, fügt er vorsichtiger¬
weise bei, daß seine Interpretation keine authentische, sondern nur seine un¬
maßgebliche Ansicht sei: denn „es gehöre zu den traurigen Folgen der gewalt¬
samen Occupation des Kirchenstaats, daß das vaticanische Concil nicht fort¬
geführt werden konnte;" im entgegengesetzten Fall wäre nämlich durch die
Behandlung der noch restirenden Partieen in der Lehre von der Kirche die
gewünschte authentische Interpretation erfolgt, und wären die Bedenken ge¬
hoben worden, welche ihn am 13. Juli zur Abstimmung mit inen Meöt und
zur Theilnahme an der schriftlichen Collectiveingabe an den Papst vom
17. Juli v. I. veranlaßt haben." In Wirklichkeit trägt also nur die italie¬
nische Nation die Schuld, daß der Bischof in eine Collision mit seiner Ueber¬
zeugung kam, daß er nicht noch auf dem Concil die passende Formel für die
Unterwerfung gefunden hatte.
Eine so schwache Motivirung hatten Freund und Feind nicht erwartet,
nur die Curie kannte, wie es scheint, ihre Leute genau. Ob aber die Re¬
gierung eintretenden Falls sich von diesem Schriftstücke Erfolg verspricht?
Zunächst hat ihr officielles Organ unserer vorletzten Correspondenz, — welche
sich wenn auch nicht auf gouvernementale, so doch jedenfalls auf ganz zuver¬
lässige Informationen stützte und in manchen Kreisen unangenehm berührt
zu haben scheint, — innerhalb zweier Tage nicht weniger als drei Publica¬
tionen entgegen gestellt. Zunächst eine Erklärung des Cultusministeriums
vom 21. v. M., „nach welcher die Staatsregierung den dogmatischen Consti-
tutionen vom 24. April und 18. Juli v. I., insbesondere dem Dogma von
der persönlichen Unfehlbarkeit des Papstes keinerlei Rechtswirkung auf staat¬
liche oder bürgerliche Verhältnisse zugesteht." Diese wohl nur für das große
Publicum bestimmte Manifestation hat nun aber aus sehr erklärlichen Grün¬
den nirgends befriedigt. Entweder, sagt man nämlich, prätendiren die vor¬
liegenden Constitutionen auch Geltung in Beziehung auf staatliche oder bür¬
gerliche Behältnisse, dann war nach dem Kirchengesetz die staatliche Geneh¬
migung für die Publication erforderlich, und hatte die württembergische Re¬
gierung die Rechte des Staates so gut zu wahren wie die bayerische: oder
die Decrete sind ganz unverfänglich, die Befürchtungen der ersten Kirchen¬
rechtslehrer Deutschlands sind gänzlich aus der Luft gegriffen, dann mußte
man schweigen oder jene Autoritäten widerlegen. Jedenfalls beruht die ganze
Erklärung auf einem Cirkel, da ja gerade darüber der Streit ist, wo das
staatliche Gebiet aufhört und das kirchliche beginnt: und wie wir früher
schon bemerkt, liegt die Gefahr nicht sowohl in der Publication der De¬
crete, welche eine starke Regierung füglich ignoriren könnte, sondern in jener
Friedensliebe um jeden Preis, welche bisher die Staatsgesetzgebung auf den
bekannten Grenzgebieten gänzlich brach gelegt, und den Anmaßungen der
Kirche gegenüber nur mir Nachgiebigkeit und Zugeständnissen geantwortet
hatte.
Nicht besser steht es mit den beiden Dementis, welche man unserer
Correspondenz entgegengestellt hat. Wir haben behauptet, daß die Regierung
Grenzboten I. 1871. 96
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