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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Ballon richteten sich Tausende von Projektilen, den Luftschiffern Tod und Ver¬
derben drohend. Die meisten Ballons sind auf französischem Boden her¬
niedergefallen, zwei oder drei haben abenteuerliche Fahrten, der eine bis zum
alten Rothenburg, einer bis Holland, der dritte sogar bis Norwegen gemacht.
Ueber den Verbleib mehrerer Ballons fehlen die Nachrichten.

Zur Ueberbringung der Antworten auf die Ballonbriefe wurden Brief¬
tauben in den Ballons mitgeführt. Die Verwendung der Tauben zu Boten¬
diensten ist ein uralter Brauch. Die Töchter des Arius, welche auf ihr
Flehen bekanntlich von Bacchus in Tauben verwandelt wurden, haben diese
luftigen Boten zu Ehren gebracht. Bei den olympischen Spielen war
Sitte, daß die Sieger die Kunde von gewonnenen Siegespreisen durch
Tauben nach der Heimath sandten. Die Kreuzfahrer hatten von den Türken,
bei welchen die Taubenbotschaften sehr beliebt waren, die Einrichtung von
Taubenposten gelernt und unterhielten auf diese Art regelmäßige Verbin¬
dungen zwischen den von ihnen besetzten festen Plätzen. Von Aleppo gingen
Tauben regelmäßig mit Nachrichten nach Skanderun, dem nächsten Hafen im
Mittelmeere. Auch bei der Belagerung von Ofen dienten die Tauben als
Couriere. Natürlich muß die Last möglichst geringfügig sein. Deshalb hat man
in Frankreich eine große Anzahl Worte auf einen kleinen Raum niedergeschrieben
und das so hergestellte Schriftstück alsdann photographisch verkleinert. Es gelang
auf diese Weise 70,000 Worte so zusammenzudrängen, daß eine Brieftaube die-
selben ohne Mühe zu befördern im Stande war. Eine solche Sendung re-
präsentirte -- bei dem Preise von 30 Centimes für jedes Wort -- einen Werth
von 35,000 Francs. Die Ergebnisse des Beförderungsdienstes durch die
Brieftauben waren indessen für die Pariser sehr dürftig. Zwar hatte der
Präfect von Lille 900 Brieftauben kurz vor der Einschließung nach Paris
gesandt, und es wurden auch Tauben in großer Zahl von den Ballons
mitgenommen und zurückgesandt. Allein viele dieser flamländischen Tauben
flogen nicht nach der Hauptstadt zurück, sondern lenkten -- der alten Hei¬
math sich erinnernd, ihren Flug nach den trauten Schlägen von Roubaix
und Tourcoing, während die guten Pariser ängstlich, aber vergeblich auf
Nachricht harrten. Von 200 Tauben sind nur 73 nach Paris zurückgekehrt,
S davon ohne Nachrichten mitzubringen, 3 mit den bekannten apocryphen
Depeschen der Preußen, 10 meldeten nur die Ankunft des Ballons, von
welchem sie ausgeflogen waren. Die Capitulation von Paris machte endlich
diesen immerhin der Beachtung würdigen Experimenten ein Ende, ^saeet,
T. Ilion iuseos.




Ballon richteten sich Tausende von Projektilen, den Luftschiffern Tod und Ver¬
derben drohend. Die meisten Ballons sind auf französischem Boden her¬
niedergefallen, zwei oder drei haben abenteuerliche Fahrten, der eine bis zum
alten Rothenburg, einer bis Holland, der dritte sogar bis Norwegen gemacht.
Ueber den Verbleib mehrerer Ballons fehlen die Nachrichten.

Zur Ueberbringung der Antworten auf die Ballonbriefe wurden Brief¬
tauben in den Ballons mitgeführt. Die Verwendung der Tauben zu Boten¬
diensten ist ein uralter Brauch. Die Töchter des Arius, welche auf ihr
Flehen bekanntlich von Bacchus in Tauben verwandelt wurden, haben diese
luftigen Boten zu Ehren gebracht. Bei den olympischen Spielen war
Sitte, daß die Sieger die Kunde von gewonnenen Siegespreisen durch
Tauben nach der Heimath sandten. Die Kreuzfahrer hatten von den Türken,
bei welchen die Taubenbotschaften sehr beliebt waren, die Einrichtung von
Taubenposten gelernt und unterhielten auf diese Art regelmäßige Verbin¬
dungen zwischen den von ihnen besetzten festen Plätzen. Von Aleppo gingen
Tauben regelmäßig mit Nachrichten nach Skanderun, dem nächsten Hafen im
Mittelmeere. Auch bei der Belagerung von Ofen dienten die Tauben als
Couriere. Natürlich muß die Last möglichst geringfügig sein. Deshalb hat man
in Frankreich eine große Anzahl Worte auf einen kleinen Raum niedergeschrieben
und das so hergestellte Schriftstück alsdann photographisch verkleinert. Es gelang
auf diese Weise 70,000 Worte so zusammenzudrängen, daß eine Brieftaube die-
selben ohne Mühe zu befördern im Stande war. Eine solche Sendung re-
präsentirte — bei dem Preise von 30 Centimes für jedes Wort — einen Werth
von 35,000 Francs. Die Ergebnisse des Beförderungsdienstes durch die
Brieftauben waren indessen für die Pariser sehr dürftig. Zwar hatte der
Präfect von Lille 900 Brieftauben kurz vor der Einschließung nach Paris
gesandt, und es wurden auch Tauben in großer Zahl von den Ballons
mitgenommen und zurückgesandt. Allein viele dieser flamländischen Tauben
flogen nicht nach der Hauptstadt zurück, sondern lenkten — der alten Hei¬
math sich erinnernd, ihren Flug nach den trauten Schlägen von Roubaix
und Tourcoing, während die guten Pariser ängstlich, aber vergeblich auf
Nachricht harrten. Von 200 Tauben sind nur 73 nach Paris zurückgekehrt,
S davon ohne Nachrichten mitzubringen, 3 mit den bekannten apocryphen
Depeschen der Preußen, 10 meldeten nur die Ankunft des Ballons, von
welchem sie ausgeflogen waren. Die Capitulation von Paris machte endlich
diesen immerhin der Beachtung würdigen Experimenten ein Ende, ^saeet,
T. Ilion iuseos.




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[0226] Ballon richteten sich Tausende von Projektilen, den Luftschiffern Tod und Ver¬ derben drohend. Die meisten Ballons sind auf französischem Boden her¬ niedergefallen, zwei oder drei haben abenteuerliche Fahrten, der eine bis zum alten Rothenburg, einer bis Holland, der dritte sogar bis Norwegen gemacht. Ueber den Verbleib mehrerer Ballons fehlen die Nachrichten. Zur Ueberbringung der Antworten auf die Ballonbriefe wurden Brief¬ tauben in den Ballons mitgeführt. Die Verwendung der Tauben zu Boten¬ diensten ist ein uralter Brauch. Die Töchter des Arius, welche auf ihr Flehen bekanntlich von Bacchus in Tauben verwandelt wurden, haben diese luftigen Boten zu Ehren gebracht. Bei den olympischen Spielen war Sitte, daß die Sieger die Kunde von gewonnenen Siegespreisen durch Tauben nach der Heimath sandten. Die Kreuzfahrer hatten von den Türken, bei welchen die Taubenbotschaften sehr beliebt waren, die Einrichtung von Taubenposten gelernt und unterhielten auf diese Art regelmäßige Verbin¬ dungen zwischen den von ihnen besetzten festen Plätzen. Von Aleppo gingen Tauben regelmäßig mit Nachrichten nach Skanderun, dem nächsten Hafen im Mittelmeere. Auch bei der Belagerung von Ofen dienten die Tauben als Couriere. Natürlich muß die Last möglichst geringfügig sein. Deshalb hat man in Frankreich eine große Anzahl Worte auf einen kleinen Raum niedergeschrieben und das so hergestellte Schriftstück alsdann photographisch verkleinert. Es gelang auf diese Weise 70,000 Worte so zusammenzudrängen, daß eine Brieftaube die- selben ohne Mühe zu befördern im Stande war. Eine solche Sendung re- präsentirte — bei dem Preise von 30 Centimes für jedes Wort — einen Werth von 35,000 Francs. Die Ergebnisse des Beförderungsdienstes durch die Brieftauben waren indessen für die Pariser sehr dürftig. Zwar hatte der Präfect von Lille 900 Brieftauben kurz vor der Einschließung nach Paris gesandt, und es wurden auch Tauben in großer Zahl von den Ballons mitgenommen und zurückgesandt. Allein viele dieser flamländischen Tauben flogen nicht nach der Hauptstadt zurück, sondern lenkten — der alten Hei¬ math sich erinnernd, ihren Flug nach den trauten Schlägen von Roubaix und Tourcoing, während die guten Pariser ängstlich, aber vergeblich auf Nachricht harrten. Von 200 Tauben sind nur 73 nach Paris zurückgekehrt, S davon ohne Nachrichten mitzubringen, 3 mit den bekannten apocryphen Depeschen der Preußen, 10 meldeten nur die Ankunft des Ballons, von welchem sie ausgeflogen waren. Die Capitulation von Paris machte endlich diesen immerhin der Beachtung würdigen Experimenten ein Ende, ^saeet, T. Ilion iuseos.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/226>, abgerufen am 28.12.2024.