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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Bei der volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ausgleichung kommen
übrigens keineswegs blos die Erzeugnisse der Großindustrie, sondern auch die¬
jenigen aller Gewerbe, namentlich auch der Landwirthschaft in Betracht. So
wenig nun elsasser Landwirthe verlangen können, daß unsere bessern Pferde,
unser Fettvieh, unsere feinere Wolle, unser Obst, unsere zweckmäßigem Acker-
geräthe am Rheine einen Schutzzoll tragen sollen, ebenso wenig dürfen wir
beanspruchen, daß ihre edlern Weine und ihr Tabak Beschränkungen auf
unserem Markte erfahre. Indeß scheint für unsere süddeutschen Wein- und
Tabakbauer doch keine bedeutende Gefahr vorhanden. Die Weine der
Elsasser und Lothringer sind bisher meistens in Frankreich geblieben, weil
sie als Rothweine bei den Franzosen besonderen Beifall fanden. Frankreich,
als das weinreichste Land der Welt, wird aber doch schwerlich von jetzt ab
einen Schutzzoll gegen fremde Weine feststellen, jedenfalls wird das durch
einen neuen Handelsvertrag leicht zu verhindern sein, und so wird aller
Wahrscheinlichkeit nach der Hauptabsatz dieser Erzeugnisse ferner, wie bisher
dorthin gehen. Der Tabak, der im Boden und Klima des Elsaß besser
gedeiht, als irgendwo im Zollverein, kann dort wohl einer höheren, vielleicht
der doppelten Steuer unterworfen werden, als er hier bei uns zu tragen hat,
ohne daß seinem Anbau dadurch ein Schade geschieht, und doch ist dem dies¬
seitigen Tabakbauer die Wettwerbung dadurch erleichtert. Daß das fran¬
zösische Tabaksmonopol mit seiner Gehässigkeit und Entsittlichung nicht bei¬
behalten, oder gar auf den alten Zollbund ausgedehnt werde, ist wol selbst¬
verständlich.

Am wichtigsten erscheint für die Handelsgesetzgebung und Handelsverträge
die städtisch e Industrie. Da ist nun über die Industrie von Elsaß-Lothringen
vorweg zu bemerken, daß sie, wie alle französische, auf Schutzzölle gebaut ist,
namentlich die Gespinnst- und Hüttenindustrie. Sie wird also der Zollver-
eins-Jndustrie, welche derselben größtentheils entbehrt, keine gefährliche Mit¬
bewerbung machen. Das haben denn auch fast alle deutschen Handels¬
kammern anerkannt, indem sie sich für die Aufnahme der neuen Provinz in
den Zollverband ausgesprochen haben.

Anderseits sind die Schutzzölle in Frankreich seit dem Handelsvertrag
mit England doch so weit heruntergesetzt, daß die hier in Betracht kommende
schon auf eignen Füßen weiter bestehen kann. In Betracht kommen hier
aber vorzugsweise die Eisenwerke Deutsch-Lothringens und die Gespinnst-
Fabrikation von Ober-Elsaß. Die Erzeugnisse der ersteren eignen sich wegen
ihres Gewichtes nicht zu weiten Versendungen, müssen vielmehr ihren Markt
mehr in der Nähe suchen, und der ist den lothringischen Eisenwaaren wohl
in den naheliegenden neuen und alten deutschen Gebieten gesichert. Eine
weitere Herabsetzung der Eingangszölle in Frankreich, um auch dort den Ab-


Bei der volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ausgleichung kommen
übrigens keineswegs blos die Erzeugnisse der Großindustrie, sondern auch die¬
jenigen aller Gewerbe, namentlich auch der Landwirthschaft in Betracht. So
wenig nun elsasser Landwirthe verlangen können, daß unsere bessern Pferde,
unser Fettvieh, unsere feinere Wolle, unser Obst, unsere zweckmäßigem Acker-
geräthe am Rheine einen Schutzzoll tragen sollen, ebenso wenig dürfen wir
beanspruchen, daß ihre edlern Weine und ihr Tabak Beschränkungen auf
unserem Markte erfahre. Indeß scheint für unsere süddeutschen Wein- und
Tabakbauer doch keine bedeutende Gefahr vorhanden. Die Weine der
Elsasser und Lothringer sind bisher meistens in Frankreich geblieben, weil
sie als Rothweine bei den Franzosen besonderen Beifall fanden. Frankreich,
als das weinreichste Land der Welt, wird aber doch schwerlich von jetzt ab
einen Schutzzoll gegen fremde Weine feststellen, jedenfalls wird das durch
einen neuen Handelsvertrag leicht zu verhindern sein, und so wird aller
Wahrscheinlichkeit nach der Hauptabsatz dieser Erzeugnisse ferner, wie bisher
dorthin gehen. Der Tabak, der im Boden und Klima des Elsaß besser
gedeiht, als irgendwo im Zollverein, kann dort wohl einer höheren, vielleicht
der doppelten Steuer unterworfen werden, als er hier bei uns zu tragen hat,
ohne daß seinem Anbau dadurch ein Schade geschieht, und doch ist dem dies¬
seitigen Tabakbauer die Wettwerbung dadurch erleichtert. Daß das fran¬
zösische Tabaksmonopol mit seiner Gehässigkeit und Entsittlichung nicht bei¬
behalten, oder gar auf den alten Zollbund ausgedehnt werde, ist wol selbst¬
verständlich.

Am wichtigsten erscheint für die Handelsgesetzgebung und Handelsverträge
die städtisch e Industrie. Da ist nun über die Industrie von Elsaß-Lothringen
vorweg zu bemerken, daß sie, wie alle französische, auf Schutzzölle gebaut ist,
namentlich die Gespinnst- und Hüttenindustrie. Sie wird also der Zollver-
eins-Jndustrie, welche derselben größtentheils entbehrt, keine gefährliche Mit¬
bewerbung machen. Das haben denn auch fast alle deutschen Handels¬
kammern anerkannt, indem sie sich für die Aufnahme der neuen Provinz in
den Zollverband ausgesprochen haben.

Anderseits sind die Schutzzölle in Frankreich seit dem Handelsvertrag
mit England doch so weit heruntergesetzt, daß die hier in Betracht kommende
schon auf eignen Füßen weiter bestehen kann. In Betracht kommen hier
aber vorzugsweise die Eisenwerke Deutsch-Lothringens und die Gespinnst-
Fabrikation von Ober-Elsaß. Die Erzeugnisse der ersteren eignen sich wegen
ihres Gewichtes nicht zu weiten Versendungen, müssen vielmehr ihren Markt
mehr in der Nähe suchen, und der ist den lothringischen Eisenwaaren wohl
in den naheliegenden neuen und alten deutschen Gebieten gesichert. Eine
weitere Herabsetzung der Eingangszölle in Frankreich, um auch dort den Ab-


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[0144] Bei der volkswirtschaftlichen und handelspolitischen Ausgleichung kommen übrigens keineswegs blos die Erzeugnisse der Großindustrie, sondern auch die¬ jenigen aller Gewerbe, namentlich auch der Landwirthschaft in Betracht. So wenig nun elsasser Landwirthe verlangen können, daß unsere bessern Pferde, unser Fettvieh, unsere feinere Wolle, unser Obst, unsere zweckmäßigem Acker- geräthe am Rheine einen Schutzzoll tragen sollen, ebenso wenig dürfen wir beanspruchen, daß ihre edlern Weine und ihr Tabak Beschränkungen auf unserem Markte erfahre. Indeß scheint für unsere süddeutschen Wein- und Tabakbauer doch keine bedeutende Gefahr vorhanden. Die Weine der Elsasser und Lothringer sind bisher meistens in Frankreich geblieben, weil sie als Rothweine bei den Franzosen besonderen Beifall fanden. Frankreich, als das weinreichste Land der Welt, wird aber doch schwerlich von jetzt ab einen Schutzzoll gegen fremde Weine feststellen, jedenfalls wird das durch einen neuen Handelsvertrag leicht zu verhindern sein, und so wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Hauptabsatz dieser Erzeugnisse ferner, wie bisher dorthin gehen. Der Tabak, der im Boden und Klima des Elsaß besser gedeiht, als irgendwo im Zollverein, kann dort wohl einer höheren, vielleicht der doppelten Steuer unterworfen werden, als er hier bei uns zu tragen hat, ohne daß seinem Anbau dadurch ein Schade geschieht, und doch ist dem dies¬ seitigen Tabakbauer die Wettwerbung dadurch erleichtert. Daß das fran¬ zösische Tabaksmonopol mit seiner Gehässigkeit und Entsittlichung nicht bei¬ behalten, oder gar auf den alten Zollbund ausgedehnt werde, ist wol selbst¬ verständlich. Am wichtigsten erscheint für die Handelsgesetzgebung und Handelsverträge die städtisch e Industrie. Da ist nun über die Industrie von Elsaß-Lothringen vorweg zu bemerken, daß sie, wie alle französische, auf Schutzzölle gebaut ist, namentlich die Gespinnst- und Hüttenindustrie. Sie wird also der Zollver- eins-Jndustrie, welche derselben größtentheils entbehrt, keine gefährliche Mit¬ bewerbung machen. Das haben denn auch fast alle deutschen Handels¬ kammern anerkannt, indem sie sich für die Aufnahme der neuen Provinz in den Zollverband ausgesprochen haben. Anderseits sind die Schutzzölle in Frankreich seit dem Handelsvertrag mit England doch so weit heruntergesetzt, daß die hier in Betracht kommende schon auf eignen Füßen weiter bestehen kann. In Betracht kommen hier aber vorzugsweise die Eisenwerke Deutsch-Lothringens und die Gespinnst- Fabrikation von Ober-Elsaß. Die Erzeugnisse der ersteren eignen sich wegen ihres Gewichtes nicht zu weiten Versendungen, müssen vielmehr ihren Markt mehr in der Nähe suchen, und der ist den lothringischen Eisenwaaren wohl in den naheliegenden neuen und alten deutschen Gebieten gesichert. Eine weitere Herabsetzung der Eingangszölle in Frankreich, um auch dort den Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/144>, abgerufen am 29.09.2024.