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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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wurde diesem Theater die Befugniß streitig gemacht, den Oberon aus seiner
Bühne geben zu dürfen. Das gab Veranlassung zu den verwickeltsten Ver¬
handlungen. (Siehe Berliner Conversations-Blatt 1828, Ur. 12 und 13.)
Endlich erschien die Oper am 2. Juli 1828 im königl. Opernhause zu Berlin,
feinsinnig und freigebig ausgestattet mit all der Pracht, all der Schönheit
decorativer Ausstattung, die diese Bühne zu allen Zeiten ausgezeichnet haben;
Schinkel hatte die Entwürfe zum Elfensaal der Introduction und zur Aussicht
auf Bagdad in genialer Meisterschaft geliefert; von Seiten der Sänger und
des Orchesters war sie in gleicher Weise vorzüglich. Nun brach der lang ver¬
haltene Enthusiasmus doppelt feurig hervor. Einer der ältesten Berichte, weil
am Tage nach der ersten Aufführung geschrieben, folge hier, indem er den Ein¬
druck schildert, den sie auf eine bedeutsame literarische Persönlichkeit ausübte.
Der Dichter Michael Beer, ein Bruder Meyerbeer's, war es nemlich, der an
den Uebersetzer des Oberon, einen der Vormünder von W.'s Söhnen, Th. Hell
(Winkler) in Dresden 3. Juli 1828 schrieb: ., -- Ich eile. Ihnen anzuzeigen,
daß gestern Abend Oberon vor dem überfüllten Opernhause mit dem größesten
und seltensten Erfolge dargestellt worden ist. Die Liebe, mit der sich in der
That alles beeiferte, den Schwanengesang unseres verewigten Freundes wieder¬
klingen zu lassen, hatte etwas Rührendes und Erschütterndes. Das Publicum
empfand es und rief Alle hervor. Im Laufe der Darstellung wurde außer der
Ouvertüre das reizende Quartett im 2ten Acte und das Duett zwischen Sche-
rasmin und Fatime äa in^xo verlangt und gesungen. Der Enthusiasmus, den
das Werk erregt hat, war nicht, wie man glauben durfte, ein Erzeugniß der
Ostentation und Parteisucht. Es war die reinste Empfindung der heiter¬
sten Herzen, die sich wenigstens des geistigen, ewigen Lebens dessen erfreuten,
der uns allen leider zu früh entrissen worden. Oberon ist, wenn Sie von
mir nach einmaligem Hören ein Urtheil fordern, ein reizendes, ich möchte
sagen, liebenswürdiges Werk, das vielleicht in einzelnen Theilen Freischütz und
Euryanthe an Tiefe und Großartigkeit nachsteht, nirgends aber an sarkastischer
Frische und geistvoller Anmuth. -- Die Ausstattung war so geschmackvoll
wie reich, und,, namentlich die Decorationen und Anordnungen der 1. Scene
von zauberhafter Wirkung." -- Von hoher Freude war Graf Brühl, der
begeisterte Freund des geschiedenen Meisters, erfüllt durch die glänzende Auf¬
nahme der Oper. Seine unermüdliche Thätigkeit und Liebe für die Sache
fand darin ihren Lohn, wie er dies in einem Briefe an W.'s Wittwe, der mir vor¬
liegt, rührend ausspricht. -- Die Kritik, an ihrer Spitze Marx und Saphir,
stimmte in diese dem Werke gezollte Anerkennung mit geringen Beschränkun¬
gen ein. -- Seit der ersten Aufführung ging die Oper bis heute, 9. Febr. 1871,
178 mal über die Berliner Bühne. -- Bon Seiten des Berliner Original-


wurde diesem Theater die Befugniß streitig gemacht, den Oberon aus seiner
Bühne geben zu dürfen. Das gab Veranlassung zu den verwickeltsten Ver¬
handlungen. (Siehe Berliner Conversations-Blatt 1828, Ur. 12 und 13.)
Endlich erschien die Oper am 2. Juli 1828 im königl. Opernhause zu Berlin,
feinsinnig und freigebig ausgestattet mit all der Pracht, all der Schönheit
decorativer Ausstattung, die diese Bühne zu allen Zeiten ausgezeichnet haben;
Schinkel hatte die Entwürfe zum Elfensaal der Introduction und zur Aussicht
auf Bagdad in genialer Meisterschaft geliefert; von Seiten der Sänger und
des Orchesters war sie in gleicher Weise vorzüglich. Nun brach der lang ver¬
haltene Enthusiasmus doppelt feurig hervor. Einer der ältesten Berichte, weil
am Tage nach der ersten Aufführung geschrieben, folge hier, indem er den Ein¬
druck schildert, den sie auf eine bedeutsame literarische Persönlichkeit ausübte.
Der Dichter Michael Beer, ein Bruder Meyerbeer's, war es nemlich, der an
den Uebersetzer des Oberon, einen der Vormünder von W.'s Söhnen, Th. Hell
(Winkler) in Dresden 3. Juli 1828 schrieb: ., — Ich eile. Ihnen anzuzeigen,
daß gestern Abend Oberon vor dem überfüllten Opernhause mit dem größesten
und seltensten Erfolge dargestellt worden ist. Die Liebe, mit der sich in der
That alles beeiferte, den Schwanengesang unseres verewigten Freundes wieder¬
klingen zu lassen, hatte etwas Rührendes und Erschütterndes. Das Publicum
empfand es und rief Alle hervor. Im Laufe der Darstellung wurde außer der
Ouvertüre das reizende Quartett im 2ten Acte und das Duett zwischen Sche-
rasmin und Fatime äa in^xo verlangt und gesungen. Der Enthusiasmus, den
das Werk erregt hat, war nicht, wie man glauben durfte, ein Erzeugniß der
Ostentation und Parteisucht. Es war die reinste Empfindung der heiter¬
sten Herzen, die sich wenigstens des geistigen, ewigen Lebens dessen erfreuten,
der uns allen leider zu früh entrissen worden. Oberon ist, wenn Sie von
mir nach einmaligem Hören ein Urtheil fordern, ein reizendes, ich möchte
sagen, liebenswürdiges Werk, das vielleicht in einzelnen Theilen Freischütz und
Euryanthe an Tiefe und Großartigkeit nachsteht, nirgends aber an sarkastischer
Frische und geistvoller Anmuth. — Die Ausstattung war so geschmackvoll
wie reich, und,, namentlich die Decorationen und Anordnungen der 1. Scene
von zauberhafter Wirkung." — Von hoher Freude war Graf Brühl, der
begeisterte Freund des geschiedenen Meisters, erfüllt durch die glänzende Auf¬
nahme der Oper. Seine unermüdliche Thätigkeit und Liebe für die Sache
fand darin ihren Lohn, wie er dies in einem Briefe an W.'s Wittwe, der mir vor¬
liegt, rührend ausspricht. — Die Kritik, an ihrer Spitze Marx und Saphir,
stimmte in diese dem Werke gezollte Anerkennung mit geringen Beschränkun¬
gen ein. — Seit der ersten Aufführung ging die Oper bis heute, 9. Febr. 1871,
178 mal über die Berliner Bühne. — Bon Seiten des Berliner Original-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/512>, abgerufen am 25.08.2024.