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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Virtuosen Belart gegeben, und zwar nachHüon's Kampf mit den Piraten
in dem Sinne einer ermuthigenden Mahnung zu weiterer Standhaftigkeit; und 4)
die Arie "O mein Leid" der Eglantine aus Euryanthe Ur. 6, hier von Noschana
gesungen. (Am 9. März 1870 kam diese Bearbeitung Benedict's auch in
Philadelphia in der "^morican ^caäöm^ ot Nu,3le" zur Aufführung.)
Wie bedenklich alle Ueberarbeitungen und Umgestaltungen von Meisterwerken
durch Andere jederzeit gelten müssen, so war doch hier dergleichen eher zu
wagen, da der Organismus des Gedichts von Grund aus,als ein muster¬
gültiger leider nicht vorlag, und hier die Neugestaltung mit der großen Liebe
und demjenigen feinen Sinne für den Geist der musikalischen Composition
unternommen wurde, die in den meisten derartigen Fällen zu fehlen pflegen.
(S. unten "Hamburg".)

Die erste Stadt in Deutschland, die den Oberon in ursprüng¬
licher Gestalt und würdiger Weise (s. unten Wien) auf die Bühne
brachte, war das um die musikalische Kunst schon so hochverdiente
Leipzig. Es geschah dies unter Küstner's Oberleitung. Die ersten 42
Vorstellungen daselbst fallen zwischen den 23. Dez. 1826 und den 11. Mai
1828. Rochlitz bestätigt in seiner Kritik (Leipz. Allg. Mus. Ztg. 1827.
N. Is u. 16) die Trefflichkeit dieser Aufführungen. Auf sein Urtheil über
das Werk selbst kann hier nur verwiesen werden. Er faßt sich jedoch in fol¬
genden Bemerkungen zum Schlüsse des Aufsatzes zusammen, wo es heißt:
"-- Sollten wir nun schließlich noch ein ganz allgemeines Urtheil über diese
Oper fällen, so würde es kurz also lauten: Sie ist, wie jede Weber'sche,
von seinen andern Opern geschieden und für sich bestehend; sie ist mithin
auch so zu betrachten. Zu dem, was sie ward, war er durch den Dichter --
mehr veranlaßt als geführt und dabei mehr eingeschränkt als erhöhet. Das
Vorzüglichste, was sie enthält, mußte W. sich selbst aussinnen und auch allein
ausbilden: dies aber ist ihm unvergleichlich, doch auch das Andre achtungs-
und beifallswerth gelungen. Von jenem nahm das Werk den in ihm herr¬
schenden Charakter milder Freundlichkeit, zarter Heiterkeit an, ohne darum
rascher, energischer Kraft und eines wahrhaft begeisterten Schwunges zu ent¬
behren. Es regt uns auf, gleich von seinen ersten Tönen an, zu einem geist¬
vollen, innerlichst belebenden und erfreulichen Spiele im Reiche der Phantasie
und reiner, leidenschaftsloser Empfindungen, verflicht uns immer mehr in
dieses Spiel und läßt von ihm uns nicht los, bis es uns überhaupt entläßt.
So ist sein Gesammteindruck keinesweg.es aufreißend, erschütternd, bestürmend,
sondern hebend, bewegend, beruhigend." -- Ob übrigens bei diesen Leipziger
Aufführungen W.'s Intention rücksichtlich der Elfenscenen am Schlüsse
des 2. Acts beachtet worden, die er "mit allen Reizen einer südlichen
mondhellen Nacht ausgestattet hinter einem Schleier dargestellt" wünschte


Virtuosen Belart gegeben, und zwar nachHüon's Kampf mit den Piraten
in dem Sinne einer ermuthigenden Mahnung zu weiterer Standhaftigkeit; und 4)
die Arie „O mein Leid" der Eglantine aus Euryanthe Ur. 6, hier von Noschana
gesungen. (Am 9. März 1870 kam diese Bearbeitung Benedict's auch in
Philadelphia in der „^morican ^caäöm^ ot Nu,3le" zur Aufführung.)
Wie bedenklich alle Ueberarbeitungen und Umgestaltungen von Meisterwerken
durch Andere jederzeit gelten müssen, so war doch hier dergleichen eher zu
wagen, da der Organismus des Gedichts von Grund aus,als ein muster¬
gültiger leider nicht vorlag, und hier die Neugestaltung mit der großen Liebe
und demjenigen feinen Sinne für den Geist der musikalischen Composition
unternommen wurde, die in den meisten derartigen Fällen zu fehlen pflegen.
(S. unten „Hamburg".)

Die erste Stadt in Deutschland, die den Oberon in ursprüng¬
licher Gestalt und würdiger Weise (s. unten Wien) auf die Bühne
brachte, war das um die musikalische Kunst schon so hochverdiente
Leipzig. Es geschah dies unter Küstner's Oberleitung. Die ersten 42
Vorstellungen daselbst fallen zwischen den 23. Dez. 1826 und den 11. Mai
1828. Rochlitz bestätigt in seiner Kritik (Leipz. Allg. Mus. Ztg. 1827.
N. Is u. 16) die Trefflichkeit dieser Aufführungen. Auf sein Urtheil über
das Werk selbst kann hier nur verwiesen werden. Er faßt sich jedoch in fol¬
genden Bemerkungen zum Schlüsse des Aufsatzes zusammen, wo es heißt:
„— Sollten wir nun schließlich noch ein ganz allgemeines Urtheil über diese
Oper fällen, so würde es kurz also lauten: Sie ist, wie jede Weber'sche,
von seinen andern Opern geschieden und für sich bestehend; sie ist mithin
auch so zu betrachten. Zu dem, was sie ward, war er durch den Dichter —
mehr veranlaßt als geführt und dabei mehr eingeschränkt als erhöhet. Das
Vorzüglichste, was sie enthält, mußte W. sich selbst aussinnen und auch allein
ausbilden: dies aber ist ihm unvergleichlich, doch auch das Andre achtungs-
und beifallswerth gelungen. Von jenem nahm das Werk den in ihm herr¬
schenden Charakter milder Freundlichkeit, zarter Heiterkeit an, ohne darum
rascher, energischer Kraft und eines wahrhaft begeisterten Schwunges zu ent¬
behren. Es regt uns auf, gleich von seinen ersten Tönen an, zu einem geist¬
vollen, innerlichst belebenden und erfreulichen Spiele im Reiche der Phantasie
und reiner, leidenschaftsloser Empfindungen, verflicht uns immer mehr in
dieses Spiel und läßt von ihm uns nicht los, bis es uns überhaupt entläßt.
So ist sein Gesammteindruck keinesweg.es aufreißend, erschütternd, bestürmend,
sondern hebend, bewegend, beruhigend." — Ob übrigens bei diesen Leipziger
Aufführungen W.'s Intention rücksichtlich der Elfenscenen am Schlüsse
des 2. Acts beachtet worden, die er „mit allen Reizen einer südlichen
mondhellen Nacht ausgestattet hinter einem Schleier dargestellt" wünschte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/510>, abgerufen am 23.07.2024.