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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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wir zweifeln nicht, daß öfteres Hören uns Schönheiten offenbaren werde, die
bis jetzt unsrer Aufmerksamkeit entgingen, welche noch zwischen Drama, der
Musik, dem Bühnenschmuck und den auftretenden Personen getheilt war."
(Wahrlich mehr naiv-aufrichtig, als einer kritischen Stimme würdig!) "Herr
v. W. führte selbst das Orchester an. Er wurde mit einer Wärme empfangen,
die selten, vielleicht nie, in einem Theater übertroffen worden ist; viele Bei-
sallszeichen ringsumher mit bewillkommenden Hüten und Tüchern und jedem
andern Merkmale der Gunst, bezeugten die starke Vorliebe des Publicums für
diesen Meister." Aehnliche Aeußerungen erfüllen andere Londoner Zeitblätter aus
jenen Tagen. Gründliche, erschöpfende Kritiken fehlen. Wieder ist es der treffliche
Rochlitz, der mit feinem Sinne und echter Kennerschaft eine das Werk gründlich
beleuchtende und umfassende Beurtheilung bei Gelegenheit der Aufführung des
Werkes zu Leipzig schrieb, (S. unten "Leipzig")--Unter den spätern Aufführungen
des Oberon zu London ist zuvörderst bemerkenswerth die mit deutschem
Texte durch deutsche Sänger mit der Heinefetter als Rezia und Haizin-
ger als Huon, unter Direction des Hess. Hofkapellmeisters Ganz i. I. 1841;
das betreffende Libretto (London bei Schloß) zeigt außer dem deutschen Texte
noch einen englischen, der aber nicht der von Planche herrührende ursprüng¬
liche, sondern von einem unbekannten Verfasser wortgetreu Th. Hell's deut¬
scher Uebersetzung des Textes von Planche' nachgebildet ist. -- Von beson¬
derer Bedeutung aber waren die Aufführungen der Jahre 1860 u. ff. auf
Her Najsst^'s l'deatrk in italienischer Sprache, deren erste am 3. Juli
1860 mit der Tietjens als Rezia und der Alboni als Fatime stattfand
und zwar mit einem enthusiastischen Beifalle, der sich durch die ferneren Auf¬
führungen in demselben Jahre und den folgenden ungeschwächt erhalten hat.
Durch dabei vorgenommene Aenderungen wurde nicht nur der mangelhafte
Dialog vermieden, der Gang der Oper im Allgemeinen verbessert, sondern
auch eine Intention W.'s zur Geltung gebracht, an deren Ausführung
ihn die ursprüngliche Gestaltung der Oper verhindert hatte. Zu diesem
Zwecke war von Planche eine Reihe von, mit andern Plöner verbundenen,
Recitativen gedichtet und von Maggiore in's Italiänische übersetzt worden.
Julius v. Benedict, W.'s berühmter Schüler, war es, der diese Recitative
theils neu componirte, theils aus W.'schen Motiven (Preciosa, Euryanthe,
Oberon, I)-Sonate) construirte und in dieselben auf das Wirkungsvollste noch
verflocht: 1) Das Duett mit Chor Ur. 24 aus Euryanthe, "Trotze nicht",
hier zwischen Huon und dem in dieser Bearbeitung singenden Babelau; 2) das
Duett Ur. 13 daraus "Hin nimm" an Stelle eines von W. einst mit großem
Bedauern aufgegebenen Duetts zwischen Rezia und Huon (hier xg>g. 464 oben und
Mitte); 3) die für Deutschland ursprünglich geschriebene Arie des Huon Ur. 6,
hier dem Oberon zur Ausführung durch den ausgezeichneten Gesangs-


Grenzbotm I. 1871. 64

wir zweifeln nicht, daß öfteres Hören uns Schönheiten offenbaren werde, die
bis jetzt unsrer Aufmerksamkeit entgingen, welche noch zwischen Drama, der
Musik, dem Bühnenschmuck und den auftretenden Personen getheilt war."
(Wahrlich mehr naiv-aufrichtig, als einer kritischen Stimme würdig!) „Herr
v. W. führte selbst das Orchester an. Er wurde mit einer Wärme empfangen,
die selten, vielleicht nie, in einem Theater übertroffen worden ist; viele Bei-
sallszeichen ringsumher mit bewillkommenden Hüten und Tüchern und jedem
andern Merkmale der Gunst, bezeugten die starke Vorliebe des Publicums für
diesen Meister." Aehnliche Aeußerungen erfüllen andere Londoner Zeitblätter aus
jenen Tagen. Gründliche, erschöpfende Kritiken fehlen. Wieder ist es der treffliche
Rochlitz, der mit feinem Sinne und echter Kennerschaft eine das Werk gründlich
beleuchtende und umfassende Beurtheilung bei Gelegenheit der Aufführung des
Werkes zu Leipzig schrieb, (S. unten „Leipzig")—Unter den spätern Aufführungen
des Oberon zu London ist zuvörderst bemerkenswerth die mit deutschem
Texte durch deutsche Sänger mit der Heinefetter als Rezia und Haizin-
ger als Huon, unter Direction des Hess. Hofkapellmeisters Ganz i. I. 1841;
das betreffende Libretto (London bei Schloß) zeigt außer dem deutschen Texte
noch einen englischen, der aber nicht der von Planche herrührende ursprüng¬
liche, sondern von einem unbekannten Verfasser wortgetreu Th. Hell's deut¬
scher Uebersetzung des Textes von Planche' nachgebildet ist. — Von beson¬
derer Bedeutung aber waren die Aufführungen der Jahre 1860 u. ff. auf
Her Najsst^'s l'deatrk in italienischer Sprache, deren erste am 3. Juli
1860 mit der Tietjens als Rezia und der Alboni als Fatime stattfand
und zwar mit einem enthusiastischen Beifalle, der sich durch die ferneren Auf¬
führungen in demselben Jahre und den folgenden ungeschwächt erhalten hat.
Durch dabei vorgenommene Aenderungen wurde nicht nur der mangelhafte
Dialog vermieden, der Gang der Oper im Allgemeinen verbessert, sondern
auch eine Intention W.'s zur Geltung gebracht, an deren Ausführung
ihn die ursprüngliche Gestaltung der Oper verhindert hatte. Zu diesem
Zwecke war von Planche eine Reihe von, mit andern Plöner verbundenen,
Recitativen gedichtet und von Maggiore in's Italiänische übersetzt worden.
Julius v. Benedict, W.'s berühmter Schüler, war es, der diese Recitative
theils neu componirte, theils aus W.'schen Motiven (Preciosa, Euryanthe,
Oberon, I)-Sonate) construirte und in dieselben auf das Wirkungsvollste noch
verflocht: 1) Das Duett mit Chor Ur. 24 aus Euryanthe, „Trotze nicht",
hier zwischen Huon und dem in dieser Bearbeitung singenden Babelau; 2) das
Duett Ur. 13 daraus „Hin nimm" an Stelle eines von W. einst mit großem
Bedauern aufgegebenen Duetts zwischen Rezia und Huon (hier xg>g. 464 oben und
Mitte); 3) die für Deutschland ursprünglich geschriebene Arie des Huon Ur. 6,
hier dem Oberon zur Ausführung durch den ausgezeichneten Gesangs-


Grenzbotm I. 1871. 64
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/509>, abgerufen am 23.07.2024.