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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Fürsten, so fanden sich diese das Volk geneigt; denn nur allzu richtig beob¬
achtete Goethe:


Lunge haben die Große" der Franzen Sprache geredet,
Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß;
Nun kalte alles Volk entzückt die Sprache der Franzen;
Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr begehrtet, geschieht!

Dennoch brauchte es, vom Treffen von Valmy bis zur Schlacht von
Hohenlinden, acht Jahre blutiger Kriegsarbeit, bevor die französische Republik
auf dem linken Rheinufer wirklich Fuß faßte. Dreimal schlugen die Preußen
sie noch jenseit des Rheines bei Kaiserslautern in der Pfalz, und nicht die Kämpfe
am Rhein, sondern Bonapartes Siege in Italien brachten die Entscheidung.
Freilich auch diese hätten nimmermehr die Gesammtheit der deutschen National¬
kraft zu brechen vermocht; aber von der war ja längst nicht mehr die Rede.
Der verhängnißvollste Schritt war vielmehr geschehn: Oestreichs ränkevolle
Politik im Osten hatte schon i. I. 1795 den König von Preußen veranlaßt,
zu Basel mit Frankreich Separatfrieden zu schließen -- eine genaue
Wiederholung der traurigen Zustände, die einst dem großen Kurfürsten den
Vergleich von Vossem aufgenöthigt hatten. Die Eifersucht der deutschen Vor¬
mächte war es, die dem gemeinsamen Feinde den Weg bereitete; und man
darf behaupten: schon damals war die Beseitigung einer dieser beiden
Mächte ein nationales Bedürfniß.. Noch 71 Jahre dauerte es, bis
die Schlacht von Königgrätz geschlagen wurde; aber ihre Nothwendigkeit ergab
sich schon zu jener Zeit.

Seit dem Separatfrieden von Basel ist es denn auch nicht mehr Deutsch¬
land, welches gegen Frankreich kämpft, sondern, wie im Spanischen Erb¬
folgekriege treten nur Bruchstücke der Nation gegen die französischen Heere
auf, über denen sich gleich einem riesigen Kometen in immer furchtbareren
Glänze Napoleons Gestirn erhebt. -- Da zog denn die Geschichte die Summe
aller deutschen Sünden! Das Jahr 1801 brachte den Frieden von Luneville,
und. mit ihm stand Frankreich an seinem bis dahin noch nie erreichten Ziele:
der Rhein ward seine Grenze. Und dennoch -- was das Aeußerste
schien: es wurde überboten! Einander in eifersüchtiger Blindheit verlassend
und verrathend, mußten die deutschen Stämme noch tiefer sinken. Immer in
Deutschland selbst findet Napoleon die Basis seiner Feldzüge. Auf
Schwaben und Bayern gestützt beginnt er den Feldzug von 1803; er stand
bereits in Franken als 1806 der Krieg mit Preußen begann, und so brachte
denn 1803 Ulm und Austerlitz, 1806 Jena und Auerstädt. -- Am 1. August
1806 ließ Napoleon zu Regensburg die Rheinbundsaete überreichen. Er, so
wie vier Kurfürsten und zwölf Fürsten, welche als Glieder des Reiches dessen
Satzungen eidlich verpflichtet waren, erklärten, daß sie das deutsche Reich nicht


Fürsten, so fanden sich diese das Volk geneigt; denn nur allzu richtig beob¬
achtete Goethe:


Lunge haben die Große« der Franzen Sprache geredet,
Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß;
Nun kalte alles Volk entzückt die Sprache der Franzen;
Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr begehrtet, geschieht!

Dennoch brauchte es, vom Treffen von Valmy bis zur Schlacht von
Hohenlinden, acht Jahre blutiger Kriegsarbeit, bevor die französische Republik
auf dem linken Rheinufer wirklich Fuß faßte. Dreimal schlugen die Preußen
sie noch jenseit des Rheines bei Kaiserslautern in der Pfalz, und nicht die Kämpfe
am Rhein, sondern Bonapartes Siege in Italien brachten die Entscheidung.
Freilich auch diese hätten nimmermehr die Gesammtheit der deutschen National¬
kraft zu brechen vermocht; aber von der war ja längst nicht mehr die Rede.
Der verhängnißvollste Schritt war vielmehr geschehn: Oestreichs ränkevolle
Politik im Osten hatte schon i. I. 1795 den König von Preußen veranlaßt,
zu Basel mit Frankreich Separatfrieden zu schließen — eine genaue
Wiederholung der traurigen Zustände, die einst dem großen Kurfürsten den
Vergleich von Vossem aufgenöthigt hatten. Die Eifersucht der deutschen Vor¬
mächte war es, die dem gemeinsamen Feinde den Weg bereitete; und man
darf behaupten: schon damals war die Beseitigung einer dieser beiden
Mächte ein nationales Bedürfniß.. Noch 71 Jahre dauerte es, bis
die Schlacht von Königgrätz geschlagen wurde; aber ihre Nothwendigkeit ergab
sich schon zu jener Zeit.

Seit dem Separatfrieden von Basel ist es denn auch nicht mehr Deutsch¬
land, welches gegen Frankreich kämpft, sondern, wie im Spanischen Erb¬
folgekriege treten nur Bruchstücke der Nation gegen die französischen Heere
auf, über denen sich gleich einem riesigen Kometen in immer furchtbareren
Glänze Napoleons Gestirn erhebt. — Da zog denn die Geschichte die Summe
aller deutschen Sünden! Das Jahr 1801 brachte den Frieden von Luneville,
und. mit ihm stand Frankreich an seinem bis dahin noch nie erreichten Ziele:
der Rhein ward seine Grenze. Und dennoch — was das Aeußerste
schien: es wurde überboten! Einander in eifersüchtiger Blindheit verlassend
und verrathend, mußten die deutschen Stämme noch tiefer sinken. Immer in
Deutschland selbst findet Napoleon die Basis seiner Feldzüge. Auf
Schwaben und Bayern gestützt beginnt er den Feldzug von 1803; er stand
bereits in Franken als 1806 der Krieg mit Preußen begann, und so brachte
denn 1803 Ulm und Austerlitz, 1806 Jena und Auerstädt. — Am 1. August
1806 ließ Napoleon zu Regensburg die Rheinbundsaete überreichen. Er, so
wie vier Kurfürsten und zwölf Fürsten, welche als Glieder des Reiches dessen
Satzungen eidlich verpflichtet waren, erklärten, daß sie das deutsche Reich nicht


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[0499] Fürsten, so fanden sich diese das Volk geneigt; denn nur allzu richtig beob¬ achtete Goethe: Lunge haben die Große« der Franzen Sprache geredet, Halb nur geachtet den Mann, dem sie vom Munde nicht floß; Nun kalte alles Volk entzückt die Sprache der Franzen; Zürnet, Mächtige, nicht! Was ihr begehrtet, geschieht! Dennoch brauchte es, vom Treffen von Valmy bis zur Schlacht von Hohenlinden, acht Jahre blutiger Kriegsarbeit, bevor die französische Republik auf dem linken Rheinufer wirklich Fuß faßte. Dreimal schlugen die Preußen sie noch jenseit des Rheines bei Kaiserslautern in der Pfalz, und nicht die Kämpfe am Rhein, sondern Bonapartes Siege in Italien brachten die Entscheidung. Freilich auch diese hätten nimmermehr die Gesammtheit der deutschen National¬ kraft zu brechen vermocht; aber von der war ja längst nicht mehr die Rede. Der verhängnißvollste Schritt war vielmehr geschehn: Oestreichs ränkevolle Politik im Osten hatte schon i. I. 1795 den König von Preußen veranlaßt, zu Basel mit Frankreich Separatfrieden zu schließen — eine genaue Wiederholung der traurigen Zustände, die einst dem großen Kurfürsten den Vergleich von Vossem aufgenöthigt hatten. Die Eifersucht der deutschen Vor¬ mächte war es, die dem gemeinsamen Feinde den Weg bereitete; und man darf behaupten: schon damals war die Beseitigung einer dieser beiden Mächte ein nationales Bedürfniß.. Noch 71 Jahre dauerte es, bis die Schlacht von Königgrätz geschlagen wurde; aber ihre Nothwendigkeit ergab sich schon zu jener Zeit. Seit dem Separatfrieden von Basel ist es denn auch nicht mehr Deutsch¬ land, welches gegen Frankreich kämpft, sondern, wie im Spanischen Erb¬ folgekriege treten nur Bruchstücke der Nation gegen die französischen Heere auf, über denen sich gleich einem riesigen Kometen in immer furchtbareren Glänze Napoleons Gestirn erhebt. — Da zog denn die Geschichte die Summe aller deutschen Sünden! Das Jahr 1801 brachte den Frieden von Luneville, und. mit ihm stand Frankreich an seinem bis dahin noch nie erreichten Ziele: der Rhein ward seine Grenze. Und dennoch — was das Aeußerste schien: es wurde überboten! Einander in eifersüchtiger Blindheit verlassend und verrathend, mußten die deutschen Stämme noch tiefer sinken. Immer in Deutschland selbst findet Napoleon die Basis seiner Feldzüge. Auf Schwaben und Bayern gestützt beginnt er den Feldzug von 1803; er stand bereits in Franken als 1806 der Krieg mit Preußen begann, und so brachte denn 1803 Ulm und Austerlitz, 1806 Jena und Auerstädt. — Am 1. August 1806 ließ Napoleon zu Regensburg die Rheinbundsaete überreichen. Er, so wie vier Kurfürsten und zwölf Fürsten, welche als Glieder des Reiches dessen Satzungen eidlich verpflichtet waren, erklärten, daß sie das deutsche Reich nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/499>, abgerufen am 23.07.2024.