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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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ä'^ustrasie.) Und wenn es auch dahin nicht kam: die erstaunlich günstige
militärische Position, welche Frankreich bei Beginn der westfälischen Unter¬
handlungen einnahm, die Unterstützung Bayerns und die Erschöpfung des
zerrissenen Deutschlands ließen es wirklich beim Friedensschluß den Rhein er¬
reichen. Frankreich erhielt die Landgrafschaften Ober- und Nieder-Elsaß und
die Landvogtei über die dort gelegenen zehn Reichsstädte, mit Ausnahme von
Straßburg. -- Schlimmer aber als dieser Verlust an Land war das von
Frankreich befürwortete Zugeständniß an die deutschen Fürsten: von nun an
nach eigenem Ermessen Bündnisse zu schließen. Dies war Wasser auf die
französische Mühle, und schon i. I. 1658, nachdem die Bewerbung Lud¬
wig's XIV. um die deutsche Kaiserkrone vornehmlich an des großen Kurfürsten
standhaften Widerspruch gescheitert war. *) stiftete Frankreich den berüchtigten
ersten Rheinbund, der die Lähmung Deutschlands in ein System brachte.
Damals erlebten unsere Vorfahren die Schmach, daß der Erzkcmzler des
Reichs die Festungswerke von Mainz im französischen Solde erbaute als ein
Bollwerk gegen sein Vaterland. Dem deutschesten Fürsten jener Zeit, der
ein ebenso ausgezeichneter Staatsmann als glorreicher Feldherr war, dem
großen Kurfürsten von Brandenburg, gelang es zwar endlich, diesen Rheinbund,
dem er sich, seiner clevischen Lande wegen, nicht entziehen können, wieder zu
sprengen; aber viel half das nicht mehr. Denn abgesehn davon, daß sich die
Fürsten nun einzeln an Frankreich verkauften,**) so hatte letzteres auch den
Hauptvortheil, welchen der Rheinbund ihm gewähren konnte, bereits genossen.
Denn dieser deckte, während Ludwig XIV. mit Spanien kämpfte, Frankreich
den Rücken und hatte ihm erlaubt, sich im pyrenäischen Frieden abermals
auf Kosten des Reiches durch die Reste des burgundischen Kreises zu ver¬
größern. Ueberdies griff Ludwig seiner Gewohnheit nach sofort über die in
jenem Frieden gezogenen Grenzen hinaus, indem er dem Herzoge von Lo¬
thringen, welcher vertragsmäßig in sein Land wieder eingesetzt worden war,
Marsal, seine letzte Festung entriß und ihn zwang, den Franzosen eine Militär¬
straße von Verdun in's Elsaß zuzugestehn.

Der große Kurfürst war es, der denn endlich den deutschen Kaiser dahin
brachte, den immer maßloseren Ansprüchen Frankreichs mit bewaffneter Hand
entgegenzutreten.




Friedrich Wilhelms Gesandter in Frankfurt, der Geh.-R. v, Jen'a, war mit der ent¬
schiedensten Instruction versehn. Er äußerte sich in seinem Bericht über die Wahl u. A.:
"Gestrigen Tages ist Gottlob die Wahl auf Ihre Königl. Maj. in Böhmen, Herrn Leopoldum,
gefallen. -- Ich habe hier eine warme Schule ausgehalten/'
"
) Kurfürst Johann Georg von Sachsen verpflichtete sich sogar für die 200.000 Thlr.,
welche er jährlich von Ludwig XIV. empfing, aus den Reichstagen unter allen Umständen
stets für Frankreich zu stimmen.
Grenjbotcn I. 1871. 58

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ä'^ustrasie.) Und wenn es auch dahin nicht kam: die erstaunlich günstige
militärische Position, welche Frankreich bei Beginn der westfälischen Unter¬
handlungen einnahm, die Unterstützung Bayerns und die Erschöpfung des
zerrissenen Deutschlands ließen es wirklich beim Friedensschluß den Rhein er¬
reichen. Frankreich erhielt die Landgrafschaften Ober- und Nieder-Elsaß und
die Landvogtei über die dort gelegenen zehn Reichsstädte, mit Ausnahme von
Straßburg. — Schlimmer aber als dieser Verlust an Land war das von
Frankreich befürwortete Zugeständniß an die deutschen Fürsten: von nun an
nach eigenem Ermessen Bündnisse zu schließen. Dies war Wasser auf die
französische Mühle, und schon i. I. 1658, nachdem die Bewerbung Lud¬
wig's XIV. um die deutsche Kaiserkrone vornehmlich an des großen Kurfürsten
standhaften Widerspruch gescheitert war. *) stiftete Frankreich den berüchtigten
ersten Rheinbund, der die Lähmung Deutschlands in ein System brachte.
Damals erlebten unsere Vorfahren die Schmach, daß der Erzkcmzler des
Reichs die Festungswerke von Mainz im französischen Solde erbaute als ein
Bollwerk gegen sein Vaterland. Dem deutschesten Fürsten jener Zeit, der
ein ebenso ausgezeichneter Staatsmann als glorreicher Feldherr war, dem
großen Kurfürsten von Brandenburg, gelang es zwar endlich, diesen Rheinbund,
dem er sich, seiner clevischen Lande wegen, nicht entziehen können, wieder zu
sprengen; aber viel half das nicht mehr. Denn abgesehn davon, daß sich die
Fürsten nun einzeln an Frankreich verkauften,**) so hatte letzteres auch den
Hauptvortheil, welchen der Rheinbund ihm gewähren konnte, bereits genossen.
Denn dieser deckte, während Ludwig XIV. mit Spanien kämpfte, Frankreich
den Rücken und hatte ihm erlaubt, sich im pyrenäischen Frieden abermals
auf Kosten des Reiches durch die Reste des burgundischen Kreises zu ver¬
größern. Ueberdies griff Ludwig seiner Gewohnheit nach sofort über die in
jenem Frieden gezogenen Grenzen hinaus, indem er dem Herzoge von Lo¬
thringen, welcher vertragsmäßig in sein Land wieder eingesetzt worden war,
Marsal, seine letzte Festung entriß und ihn zwang, den Franzosen eine Militär¬
straße von Verdun in's Elsaß zuzugestehn.

Der große Kurfürst war es, der denn endlich den deutschen Kaiser dahin
brachte, den immer maßloseren Ansprüchen Frankreichs mit bewaffneter Hand
entgegenzutreten.




Friedrich Wilhelms Gesandter in Frankfurt, der Geh.-R. v, Jen'a, war mit der ent¬
schiedensten Instruction versehn. Er äußerte sich in seinem Bericht über die Wahl u. A.:
„Gestrigen Tages ist Gottlob die Wahl auf Ihre Königl. Maj. in Böhmen, Herrn Leopoldum,
gefallen. — Ich habe hier eine warme Schule ausgehalten/'
"
) Kurfürst Johann Georg von Sachsen verpflichtete sich sogar für die 200.000 Thlr.,
welche er jährlich von Ludwig XIV. empfing, aus den Reichstagen unter allen Umständen
stets für Frankreich zu stimmen.
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[0461] rentirt erblicken! (0n vsrroit armLx6 1^ Francs Wut I'anoien ro^anas ä'^ustrasie.) Und wenn es auch dahin nicht kam: die erstaunlich günstige militärische Position, welche Frankreich bei Beginn der westfälischen Unter¬ handlungen einnahm, die Unterstützung Bayerns und die Erschöpfung des zerrissenen Deutschlands ließen es wirklich beim Friedensschluß den Rhein er¬ reichen. Frankreich erhielt die Landgrafschaften Ober- und Nieder-Elsaß und die Landvogtei über die dort gelegenen zehn Reichsstädte, mit Ausnahme von Straßburg. — Schlimmer aber als dieser Verlust an Land war das von Frankreich befürwortete Zugeständniß an die deutschen Fürsten: von nun an nach eigenem Ermessen Bündnisse zu schließen. Dies war Wasser auf die französische Mühle, und schon i. I. 1658, nachdem die Bewerbung Lud¬ wig's XIV. um die deutsche Kaiserkrone vornehmlich an des großen Kurfürsten standhaften Widerspruch gescheitert war. *) stiftete Frankreich den berüchtigten ersten Rheinbund, der die Lähmung Deutschlands in ein System brachte. Damals erlebten unsere Vorfahren die Schmach, daß der Erzkcmzler des Reichs die Festungswerke von Mainz im französischen Solde erbaute als ein Bollwerk gegen sein Vaterland. Dem deutschesten Fürsten jener Zeit, der ein ebenso ausgezeichneter Staatsmann als glorreicher Feldherr war, dem großen Kurfürsten von Brandenburg, gelang es zwar endlich, diesen Rheinbund, dem er sich, seiner clevischen Lande wegen, nicht entziehen können, wieder zu sprengen; aber viel half das nicht mehr. Denn abgesehn davon, daß sich die Fürsten nun einzeln an Frankreich verkauften,**) so hatte letzteres auch den Hauptvortheil, welchen der Rheinbund ihm gewähren konnte, bereits genossen. Denn dieser deckte, während Ludwig XIV. mit Spanien kämpfte, Frankreich den Rücken und hatte ihm erlaubt, sich im pyrenäischen Frieden abermals auf Kosten des Reiches durch die Reste des burgundischen Kreises zu ver¬ größern. Ueberdies griff Ludwig seiner Gewohnheit nach sofort über die in jenem Frieden gezogenen Grenzen hinaus, indem er dem Herzoge von Lo¬ thringen, welcher vertragsmäßig in sein Land wieder eingesetzt worden war, Marsal, seine letzte Festung entriß und ihn zwang, den Franzosen eine Militär¬ straße von Verdun in's Elsaß zuzugestehn. Der große Kurfürst war es, der denn endlich den deutschen Kaiser dahin brachte, den immer maßloseren Ansprüchen Frankreichs mit bewaffneter Hand entgegenzutreten. Friedrich Wilhelms Gesandter in Frankfurt, der Geh.-R. v, Jen'a, war mit der ent¬ schiedensten Instruction versehn. Er äußerte sich in seinem Bericht über die Wahl u. A.: „Gestrigen Tages ist Gottlob die Wahl auf Ihre Königl. Maj. in Böhmen, Herrn Leopoldum, gefallen. — Ich habe hier eine warme Schule ausgehalten/' " ) Kurfürst Johann Georg von Sachsen verpflichtete sich sogar für die 200.000 Thlr., welche er jährlich von Ludwig XIV. empfing, aus den Reichstagen unter allen Umständen stets für Frankreich zu stimmen. Grenjbotcn I. 1871. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/461>, abgerufen am 23.07.2024.