Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.Zunächst wendete sich die Regierung Ludwig's XIII. gegen Italien, wie Gustav Adolf, der selbst nach der Kaiserkrone strebte, hatte sich als Geg¬ ") Richelieu halte dem Schwcdcnkönige mittheilen lassen! ein französisches Heer werde
die Grenze überschreiten, um "das seit König Dagobert zu Frankreich gehörige Elsaß" mit mit dem Stammlande zu vereinigen. Gustav Adolf aber erklärte: "er sei als BesclMcr, nicht als Verräther des Reichs gekommen und werde keine Entfremdung gestatten." Zunächst wendete sich die Regierung Ludwig's XIII. gegen Italien, wie Gustav Adolf, der selbst nach der Kaiserkrone strebte, hatte sich als Geg¬ ") Richelieu halte dem Schwcdcnkönige mittheilen lassen! ein französisches Heer werde
die Grenze überschreiten, um „das seit König Dagobert zu Frankreich gehörige Elsaß" mit mit dem Stammlande zu vereinigen. Gustav Adolf aber erklärte: „er sei als BesclMcr, nicht als Verräther des Reichs gekommen und werde keine Entfremdung gestatten." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125704"/> <p xml:id="ID_1553"> Zunächst wendete sich die Regierung Ludwig's XIII. gegen Italien, wie<lb/> denn fast regelmäßig dem Angriffe Frankreichs auf Deutschland eine Unter¬<lb/> nehmung gegen Italien vorausgegangen ist. Als Generalissimus drang Ri¬<lb/> chelieu in Piemont ein und eroberte Pinerola, eins der Hauptthore der West¬<lb/> alpen, indem er den Herzog von Savoyen dahin belehrte, gerade darin<lb/> bestehe die Freiheit Italiens, daß Frankreich ungehindert in dasselbe eindrin¬<lb/> gen könne, um es gegen Habsburg zu schützen — eine Maxime, nach welcher<lb/> Napoleon I. später mit so außerordentlichem Erfolge gehandelt hat. — Als<lb/> nun aber alle wichtigen Städte Oberitaliens besetzt und auch die Graubündte-<lb/> ner Pässe für Frankreich geöffnet waren, wandte sich der Cardinal sofort<lb/> gegen Deutschland, und da ist es ein ebenso wunderbares als schmerzliches<lb/> Schauspiel, zu beobachten, wie er mit Arglist und Trug, mit heimlichen<lb/> Mitteln und schleichenden Mischen ohne auch nur eine einzige nam¬<lb/> hafte Waffenthat der Franzosen, seinem Ziele stetig und glücklich<lb/> entgegen ging. Vor Allem befestigte er Frankreichs Stellung in Lothrin¬<lb/> gen, dessen fast achthundertjährige Zugehörigkeit zu Deutschland einfach als<lb/> Usurpation bezeichnet ward. Gegen den Willen des von List und Gewalt<lb/> umstrickten Herzogs wurde Nancy besetzt und von Richelieu sofort für eins<lb/> der wichtigsten Bollwerke Frankreichs erklärt, und, nachdem hiedurch eine mäch¬<lb/> tige Angriffsbasis gegen das Reich geschaffen war, ging der Cardinal schnellen<lb/> Schrittes mit Besetzung der übrigen linksrheinischen Lande vor. Auch ihn be¬<lb/> günstigte fürstlicher Reichsverrath, dessen sich zumal der Kurfürst von Trier,<lb/> Christoph v. Soter, schamlos schuldig machte; und mit dem Verrath im<lb/> Bunde stand leider auch das Glück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1554" next="#ID_1555"> Gustav Adolf, der selbst nach der Kaiserkrone strebte, hatte sich als Geg¬<lb/> ner der französischen Begehrlichkeit erwiesen;") dem Cardinäle gerade zu rech¬<lb/> ter Zeit fiel er auf dem Schlachtfelde von Lützen. Bernhard von Weimar,<lb/> der das Elsaß erobert und in der Gewalt hatte, starb, vielleicht nicht zu¬<lb/> fällig, noch mehr zur rechten Zeit. Auch Richelieu ging dahin, bevor sein<lb/> Ziel erreicht; aber als er die Augen schloß, geboten die Franzosen in Lo¬<lb/> thringen, im Elsaß und dem größten Theil des übrigen Rheinlands, und in<lb/> Cardinal Mazarin folgte ihm ein ebenbürtiger Gesinnungsgenosse, der seine<lb/> Begehrlichkeit bereits auf Luxemburg und Belgien ausdehnte. Unter Mazarin<lb/> wurde Diedenhofen erobert, auf dessen Einnahme er eine Medaille mit der In¬<lb/> schrift: „?rimallnium proxaMtiv", schlagen ließ, und er war es, der der Welt<lb/> verkündete: bald solle sie das ganze alte Königreich Austrasien von Frankreich an-</p><lb/> <note xml:id="FID_61" place="foot"> ") Richelieu halte dem Schwcdcnkönige mittheilen lassen! ein französisches Heer werde<lb/> die Grenze überschreiten, um „das seit König Dagobert zu Frankreich gehörige Elsaß" mit<lb/> mit dem Stammlande zu vereinigen. Gustav Adolf aber erklärte: „er sei als BesclMcr, nicht<lb/> als Verräther des Reichs gekommen und werde keine Entfremdung gestatten."</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
Zunächst wendete sich die Regierung Ludwig's XIII. gegen Italien, wie
denn fast regelmäßig dem Angriffe Frankreichs auf Deutschland eine Unter¬
nehmung gegen Italien vorausgegangen ist. Als Generalissimus drang Ri¬
chelieu in Piemont ein und eroberte Pinerola, eins der Hauptthore der West¬
alpen, indem er den Herzog von Savoyen dahin belehrte, gerade darin
bestehe die Freiheit Italiens, daß Frankreich ungehindert in dasselbe eindrin¬
gen könne, um es gegen Habsburg zu schützen — eine Maxime, nach welcher
Napoleon I. später mit so außerordentlichem Erfolge gehandelt hat. — Als
nun aber alle wichtigen Städte Oberitaliens besetzt und auch die Graubündte-
ner Pässe für Frankreich geöffnet waren, wandte sich der Cardinal sofort
gegen Deutschland, und da ist es ein ebenso wunderbares als schmerzliches
Schauspiel, zu beobachten, wie er mit Arglist und Trug, mit heimlichen
Mitteln und schleichenden Mischen ohne auch nur eine einzige nam¬
hafte Waffenthat der Franzosen, seinem Ziele stetig und glücklich
entgegen ging. Vor Allem befestigte er Frankreichs Stellung in Lothrin¬
gen, dessen fast achthundertjährige Zugehörigkeit zu Deutschland einfach als
Usurpation bezeichnet ward. Gegen den Willen des von List und Gewalt
umstrickten Herzogs wurde Nancy besetzt und von Richelieu sofort für eins
der wichtigsten Bollwerke Frankreichs erklärt, und, nachdem hiedurch eine mäch¬
tige Angriffsbasis gegen das Reich geschaffen war, ging der Cardinal schnellen
Schrittes mit Besetzung der übrigen linksrheinischen Lande vor. Auch ihn be¬
günstigte fürstlicher Reichsverrath, dessen sich zumal der Kurfürst von Trier,
Christoph v. Soter, schamlos schuldig machte; und mit dem Verrath im
Bunde stand leider auch das Glück.
Gustav Adolf, der selbst nach der Kaiserkrone strebte, hatte sich als Geg¬
ner der französischen Begehrlichkeit erwiesen;") dem Cardinäle gerade zu rech¬
ter Zeit fiel er auf dem Schlachtfelde von Lützen. Bernhard von Weimar,
der das Elsaß erobert und in der Gewalt hatte, starb, vielleicht nicht zu¬
fällig, noch mehr zur rechten Zeit. Auch Richelieu ging dahin, bevor sein
Ziel erreicht; aber als er die Augen schloß, geboten die Franzosen in Lo¬
thringen, im Elsaß und dem größten Theil des übrigen Rheinlands, und in
Cardinal Mazarin folgte ihm ein ebenbürtiger Gesinnungsgenosse, der seine
Begehrlichkeit bereits auf Luxemburg und Belgien ausdehnte. Unter Mazarin
wurde Diedenhofen erobert, auf dessen Einnahme er eine Medaille mit der In¬
schrift: „?rimallnium proxaMtiv", schlagen ließ, und er war es, der der Welt
verkündete: bald solle sie das ganze alte Königreich Austrasien von Frankreich an-
") Richelieu halte dem Schwcdcnkönige mittheilen lassen! ein französisches Heer werde
die Grenze überschreiten, um „das seit König Dagobert zu Frankreich gehörige Elsaß" mit
mit dem Stammlande zu vereinigen. Gustav Adolf aber erklärte: „er sei als BesclMcr, nicht
als Verräther des Reichs gekommen und werde keine Entfremdung gestatten."
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