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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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blieb. Karl V. von Spanien, der doch wenigstens von deutschem Stamme
war, überkam die Kaiserkrone und vereinigte unter ihr mit Deutschland seine
Erdtaube und Indien zu einem Weltreiche, wie es sich Karl der Große selbst
nicht träumen lassen. Der Kampf mit Frankreich war dabei wie mit Natur¬
nothwendigkeit gegeben; aber er kann nur in beschränktem Sinne als ein
Krieg Deutschlands gegen Frankreich aufgefaßt werden, wie denn auch
der Kriegsschauplatz zunächst keines dieser beiden Länder, sondern Italien
war, wo die Häuser Habsburg und Valois auf die a<ten Reichskammerländer
Mailand und Genua gleichmäßig Ansprüche erhoben.

Franz I. belagerte nach siegreichem Feldzuge die feste Stadt Pavia,
welche 8000 deutsche Landsknechte und einige Spanier mit verzweifeltem Hel¬
denmuthe hielten. !'Die Seele der Vertheidigung war Gras Eitel Friedrich von
Hohenzollern, von dem das Lied der Landsknechte singt:


Wir hatten kürzlich einen rat;
einer fragt den andern:
Nun zeucht der könig nimmer ab,
zur stat steht sein verlangen.
Nennt sich einer mit namen graf Eitelfritz:
Die stat woll wir nicht aufgeben;
wir pauen zwei polwerk, die sein fest,
es kost recht leib und leben!
Sie sein mit mancher Hand gemacht,
zwei polwerk, wol erpciucn.
Wir liegen die wintcrlcmge nacht
zu Pavia auf der mauern ...
und schrieben dem fiirsten ans Osterreich,
er sol nicht ausbelcibeu,
sol pringen manchen landöknecht frisch,
den könig zu vertreiben.

Und der Entsatz blieb nicht aus. Im Februar 1625 führte der Vice-
könig von Neapel ein Heer von 19,000 Mann unter Frundsberg und Pes-
caro heran, und fehr bemerkenswert!) ist es, daß in dieser Zahl immer zehn
Deutsche auf je vier Spanier und einen Italiener kamen. Aber auch in der
doppelt so starken französischen Armee trat das deutsche Element hervorra¬
gend auf, indem auf 13 Franzosen und 7 Italiener immer 14 Deutsche oder
Schweizer kamen, und dies Element bildete grade den bei Weitem besten Theil
des Heeres -- eine Erscheinung von düsterer Vorbedeutung für die kommende
Zeit, in der Frankreich systematisch Deutschland durch Deutsche bekämpft hat.


blieb. Karl V. von Spanien, der doch wenigstens von deutschem Stamme
war, überkam die Kaiserkrone und vereinigte unter ihr mit Deutschland seine
Erdtaube und Indien zu einem Weltreiche, wie es sich Karl der Große selbst
nicht träumen lassen. Der Kampf mit Frankreich war dabei wie mit Natur¬
nothwendigkeit gegeben; aber er kann nur in beschränktem Sinne als ein
Krieg Deutschlands gegen Frankreich aufgefaßt werden, wie denn auch
der Kriegsschauplatz zunächst keines dieser beiden Länder, sondern Italien
war, wo die Häuser Habsburg und Valois auf die a<ten Reichskammerländer
Mailand und Genua gleichmäßig Ansprüche erhoben.

Franz I. belagerte nach siegreichem Feldzuge die feste Stadt Pavia,
welche 8000 deutsche Landsknechte und einige Spanier mit verzweifeltem Hel¬
denmuthe hielten. !'Die Seele der Vertheidigung war Gras Eitel Friedrich von
Hohenzollern, von dem das Lied der Landsknechte singt:


Wir hatten kürzlich einen rat;
einer fragt den andern:
Nun zeucht der könig nimmer ab,
zur stat steht sein verlangen.
Nennt sich einer mit namen graf Eitelfritz:
Die stat woll wir nicht aufgeben;
wir pauen zwei polwerk, die sein fest,
es kost recht leib und leben!
Sie sein mit mancher Hand gemacht,
zwei polwerk, wol erpciucn.
Wir liegen die wintcrlcmge nacht
zu Pavia auf der mauern ...
und schrieben dem fiirsten ans Osterreich,
er sol nicht ausbelcibeu,
sol pringen manchen landöknecht frisch,
den könig zu vertreiben.

Und der Entsatz blieb nicht aus. Im Februar 1625 führte der Vice-
könig von Neapel ein Heer von 19,000 Mann unter Frundsberg und Pes-
caro heran, und fehr bemerkenswert!) ist es, daß in dieser Zahl immer zehn
Deutsche auf je vier Spanier und einen Italiener kamen. Aber auch in der
doppelt so starken französischen Armee trat das deutsche Element hervorra¬
gend auf, indem auf 13 Franzosen und 7 Italiener immer 14 Deutsche oder
Schweizer kamen, und dies Element bildete grade den bei Weitem besten Theil
des Heeres — eine Erscheinung von düsterer Vorbedeutung für die kommende
Zeit, in der Frankreich systematisch Deutschland durch Deutsche bekämpft hat.


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[0456] blieb. Karl V. von Spanien, der doch wenigstens von deutschem Stamme war, überkam die Kaiserkrone und vereinigte unter ihr mit Deutschland seine Erdtaube und Indien zu einem Weltreiche, wie es sich Karl der Große selbst nicht träumen lassen. Der Kampf mit Frankreich war dabei wie mit Natur¬ nothwendigkeit gegeben; aber er kann nur in beschränktem Sinne als ein Krieg Deutschlands gegen Frankreich aufgefaßt werden, wie denn auch der Kriegsschauplatz zunächst keines dieser beiden Länder, sondern Italien war, wo die Häuser Habsburg und Valois auf die a<ten Reichskammerländer Mailand und Genua gleichmäßig Ansprüche erhoben. Franz I. belagerte nach siegreichem Feldzuge die feste Stadt Pavia, welche 8000 deutsche Landsknechte und einige Spanier mit verzweifeltem Hel¬ denmuthe hielten. !'Die Seele der Vertheidigung war Gras Eitel Friedrich von Hohenzollern, von dem das Lied der Landsknechte singt: Wir hatten kürzlich einen rat; einer fragt den andern: Nun zeucht der könig nimmer ab, zur stat steht sein verlangen. Nennt sich einer mit namen graf Eitelfritz: Die stat woll wir nicht aufgeben; wir pauen zwei polwerk, die sein fest, es kost recht leib und leben! Sie sein mit mancher Hand gemacht, zwei polwerk, wol erpciucn. Wir liegen die wintcrlcmge nacht zu Pavia auf der mauern ... und schrieben dem fiirsten ans Osterreich, er sol nicht ausbelcibeu, sol pringen manchen landöknecht frisch, den könig zu vertreiben. Und der Entsatz blieb nicht aus. Im Februar 1625 führte der Vice- könig von Neapel ein Heer von 19,000 Mann unter Frundsberg und Pes- caro heran, und fehr bemerkenswert!) ist es, daß in dieser Zahl immer zehn Deutsche auf je vier Spanier und einen Italiener kamen. Aber auch in der doppelt so starken französischen Armee trat das deutsche Element hervorra¬ gend auf, indem auf 13 Franzosen und 7 Italiener immer 14 Deutsche oder Schweizer kamen, und dies Element bildete grade den bei Weitem besten Theil des Heeres — eine Erscheinung von düsterer Vorbedeutung für die kommende Zeit, in der Frankreich systematisch Deutschland durch Deutsche bekämpft hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/456>, abgerufen am 23.07.2024.