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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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daß Frankreichs stolze Homines d'armes dem deutschen Fußvolk nicht Stand
halten konnten; "es hatte unter sich wohl zweihundert tüchtige Edelleute zu
Fuß, wie der Graf von Nassau und Graf Albrecht von Hohenzollern, die
lehrten es, auszuhalten, was um so wunderbarer war, als es viel Ritters¬
leute fliehen sah." --Dieser schöne Erfolg gegen die Franzosen war es, wel¬
cher zuerst dem edlen Max die liebevolle Zuneigung des deutschen Volks ver¬
schaffte. Des Volkes, nicht der Fürsten, deren Indolenz ihn vielmehr
wenige Jahre später zu trauriger Demüthigung nöthigte. Max warb näm¬
lich nach dem Tode Maria's von Burgund um die Hand der Herzogin
Anna von Bretagne und erhielt ihr Jawort; da verstieß König Karl VIII.
von Frankreich, nur um diese Verbindung zu hindern, seine Braut Marga¬
rethe, die Tochter Maximilian's, zog selbst in die Bretagne, nahm Rennes
mit Sturm und zwang die Herzogin Anna zur Ehe. Ganz Europa war
empört über diesen doppelten Treubruch gegen den römischen König, nur die
deutschen Reichsfürsten nicht; denn schon damals benutzten die Franzosen jenen
thörichten Souverainetätsdünkel, jene verhängnißvollen Neigungen, ja jene
trostlose Feilheit, die ihnen auch später so oft in die Hände arbeitete. Maxi¬
milian war auf den Weg der Unterhandlung gewiesen; mühsam gelang es,
wenigstens das Heirathsgut seiner Tochter. Burgund und Artois, zurückzuer¬
halten. Die Beleidigung blieb ungerächt, und nun hob Frankreich das
Haupt, wie niemals zuvor. Schon im Jahre 1492 rühmte es sich laut, daß
es "vermöge der Zwietracht der deutschen Fürsten alle Wünsche erreichen und
ohne Mühe selbst das Kaiserthum erwerben würde;" und so deutlich auch
damals schon die ganze Welt die aggressive Politik Frankreichs erkannte, so
herzhaft auch Kaiser Max zum Kampf aufforderte "gegen den Erbfeind, der
nach dem Rheine stehe" -- er fand kein Gehör bei den Fürsten; statt seinem
Heerbannrufe zu folgen, machten sie auf allerlei Unzuträglichkeiten aufmerk¬
sam, welche gemeiniglich bei Hebung der Kriegskosten vorzukommen pflegten,
und meinten, es sei besser, den "Weg der Theidigung einzuschlagen und Ge¬
sandte abzuschicken, um Frankreichs Gemüth zu erkennen". -- Unter solchen
Umständen war freilich kein Reichskrieg gegen Frankreich möglich; ohne Glück
bekämpfte es der Kaiser in Italien, und Franz I., der brillante Roi Zentil-
Komme, welcher die bisher unbesiegten Schweizer bei Marignano auf's Haupt
geschlagen, durfte es wagen, noch bei Lebzeiten Maximilians goldspendende
Boten durch Deutschland zu senden, um sich Stimmen zu kaufen für die
nächste Kaiserwahl.

Dieser Anschlag mißlang denn aber doch! Zumal dem vaterländischen
Sinne der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg war es zu danken,
wenn dem Erbfeinde die Krone, die er schon sicher zu halten wähnte, ent¬
ging und die sogenannte ü-ostitutio impoiii n,ä ^raneos ein frommer Wunsch


daß Frankreichs stolze Homines d'armes dem deutschen Fußvolk nicht Stand
halten konnten; „es hatte unter sich wohl zweihundert tüchtige Edelleute zu
Fuß, wie der Graf von Nassau und Graf Albrecht von Hohenzollern, die
lehrten es, auszuhalten, was um so wunderbarer war, als es viel Ritters¬
leute fliehen sah." —Dieser schöne Erfolg gegen die Franzosen war es, wel¬
cher zuerst dem edlen Max die liebevolle Zuneigung des deutschen Volks ver¬
schaffte. Des Volkes, nicht der Fürsten, deren Indolenz ihn vielmehr
wenige Jahre später zu trauriger Demüthigung nöthigte. Max warb näm¬
lich nach dem Tode Maria's von Burgund um die Hand der Herzogin
Anna von Bretagne und erhielt ihr Jawort; da verstieß König Karl VIII.
von Frankreich, nur um diese Verbindung zu hindern, seine Braut Marga¬
rethe, die Tochter Maximilian's, zog selbst in die Bretagne, nahm Rennes
mit Sturm und zwang die Herzogin Anna zur Ehe. Ganz Europa war
empört über diesen doppelten Treubruch gegen den römischen König, nur die
deutschen Reichsfürsten nicht; denn schon damals benutzten die Franzosen jenen
thörichten Souverainetätsdünkel, jene verhängnißvollen Neigungen, ja jene
trostlose Feilheit, die ihnen auch später so oft in die Hände arbeitete. Maxi¬
milian war auf den Weg der Unterhandlung gewiesen; mühsam gelang es,
wenigstens das Heirathsgut seiner Tochter. Burgund und Artois, zurückzuer¬
halten. Die Beleidigung blieb ungerächt, und nun hob Frankreich das
Haupt, wie niemals zuvor. Schon im Jahre 1492 rühmte es sich laut, daß
es „vermöge der Zwietracht der deutschen Fürsten alle Wünsche erreichen und
ohne Mühe selbst das Kaiserthum erwerben würde;" und so deutlich auch
damals schon die ganze Welt die aggressive Politik Frankreichs erkannte, so
herzhaft auch Kaiser Max zum Kampf aufforderte „gegen den Erbfeind, der
nach dem Rheine stehe" — er fand kein Gehör bei den Fürsten; statt seinem
Heerbannrufe zu folgen, machten sie auf allerlei Unzuträglichkeiten aufmerk¬
sam, welche gemeiniglich bei Hebung der Kriegskosten vorzukommen pflegten,
und meinten, es sei besser, den „Weg der Theidigung einzuschlagen und Ge¬
sandte abzuschicken, um Frankreichs Gemüth zu erkennen". — Unter solchen
Umständen war freilich kein Reichskrieg gegen Frankreich möglich; ohne Glück
bekämpfte es der Kaiser in Italien, und Franz I., der brillante Roi Zentil-
Komme, welcher die bisher unbesiegten Schweizer bei Marignano auf's Haupt
geschlagen, durfte es wagen, noch bei Lebzeiten Maximilians goldspendende
Boten durch Deutschland zu senden, um sich Stimmen zu kaufen für die
nächste Kaiserwahl.

Dieser Anschlag mißlang denn aber doch! Zumal dem vaterländischen
Sinne der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg war es zu danken,
wenn dem Erbfeinde die Krone, die er schon sicher zu halten wähnte, ent¬
ging und die sogenannte ü-ostitutio impoiii n,ä ^raneos ein frommer Wunsch


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[0455] daß Frankreichs stolze Homines d'armes dem deutschen Fußvolk nicht Stand halten konnten; „es hatte unter sich wohl zweihundert tüchtige Edelleute zu Fuß, wie der Graf von Nassau und Graf Albrecht von Hohenzollern, die lehrten es, auszuhalten, was um so wunderbarer war, als es viel Ritters¬ leute fliehen sah." —Dieser schöne Erfolg gegen die Franzosen war es, wel¬ cher zuerst dem edlen Max die liebevolle Zuneigung des deutschen Volks ver¬ schaffte. Des Volkes, nicht der Fürsten, deren Indolenz ihn vielmehr wenige Jahre später zu trauriger Demüthigung nöthigte. Max warb näm¬ lich nach dem Tode Maria's von Burgund um die Hand der Herzogin Anna von Bretagne und erhielt ihr Jawort; da verstieß König Karl VIII. von Frankreich, nur um diese Verbindung zu hindern, seine Braut Marga¬ rethe, die Tochter Maximilian's, zog selbst in die Bretagne, nahm Rennes mit Sturm und zwang die Herzogin Anna zur Ehe. Ganz Europa war empört über diesen doppelten Treubruch gegen den römischen König, nur die deutschen Reichsfürsten nicht; denn schon damals benutzten die Franzosen jenen thörichten Souverainetätsdünkel, jene verhängnißvollen Neigungen, ja jene trostlose Feilheit, die ihnen auch später so oft in die Hände arbeitete. Maxi¬ milian war auf den Weg der Unterhandlung gewiesen; mühsam gelang es, wenigstens das Heirathsgut seiner Tochter. Burgund und Artois, zurückzuer¬ halten. Die Beleidigung blieb ungerächt, und nun hob Frankreich das Haupt, wie niemals zuvor. Schon im Jahre 1492 rühmte es sich laut, daß es „vermöge der Zwietracht der deutschen Fürsten alle Wünsche erreichen und ohne Mühe selbst das Kaiserthum erwerben würde;" und so deutlich auch damals schon die ganze Welt die aggressive Politik Frankreichs erkannte, so herzhaft auch Kaiser Max zum Kampf aufforderte „gegen den Erbfeind, der nach dem Rheine stehe" — er fand kein Gehör bei den Fürsten; statt seinem Heerbannrufe zu folgen, machten sie auf allerlei Unzuträglichkeiten aufmerk¬ sam, welche gemeiniglich bei Hebung der Kriegskosten vorzukommen pflegten, und meinten, es sei besser, den „Weg der Theidigung einzuschlagen und Ge¬ sandte abzuschicken, um Frankreichs Gemüth zu erkennen". — Unter solchen Umständen war freilich kein Reichskrieg gegen Frankreich möglich; ohne Glück bekämpfte es der Kaiser in Italien, und Franz I., der brillante Roi Zentil- Komme, welcher die bisher unbesiegten Schweizer bei Marignano auf's Haupt geschlagen, durfte es wagen, noch bei Lebzeiten Maximilians goldspendende Boten durch Deutschland zu senden, um sich Stimmen zu kaufen für die nächste Kaiserwahl. Dieser Anschlag mißlang denn aber doch! Zumal dem vaterländischen Sinne der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg war es zu danken, wenn dem Erbfeinde die Krone, die er schon sicher zu halten wähnte, ent¬ ging und die sogenannte ü-ostitutio impoiii n,ä ^raneos ein frommer Wunsch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/455>, abgerufen am 23.07.2024.